Eine ernste Angelegenheit, das kreative Schreiben

Vor einigen Tagen habe ich, überrascht von mir selbst, feststellen müssen, dass es für mich eine sehr ernste Angelegenheit ist das Kreative Schreiben. Ich habe andere unterstützt, die zum ersten Mal eine Schreibwerkstatt vorbereitet und angeleitet haben, und dabei erst gesehen, wie viele Regeln, wie genaue Vorstellungen ich im Kopf habe, was wie sein muss.

Natürlich geht es beim Kreativen Schreiben in allererster Linie um den Spaß am Schreiben, das Spiel mit den Worten, das Zusammensein unter Schreibenden. Doch damit es auch allen Spaß macht, ist es – zumindest in meinen Augen – notwendig, gut zu planen und zu wissen, was man da tut. Mir ist es wichtig, dass jede und jeder die Chance bekommt, das was geschrieben werden will, auch aufs Papier zu bringen. Unabhängig von Schreiberfahrung und eventuell Sprachkenntnissen. Da aber Schreibende nun einmal sehr unterschiedlich ticken, klappt das nur mit einer guten Mischung aus unterschiedlichen Schreibimpulsen: längere und kürzere Schreibzeiten, verschiedene Stimuli, Aufgaben allein und zusammen, sehr frei oder gut durchstrukturiert. Außerdem ist es mir wichtig, dass genügend Zeit bleibt, um die entstandenen Texte  zu lesen und zu teilen. Auch hier habe ich ganz konkrete Vorstellung habe, was alles nicht geschehen darf.

Bisher dachte ich, das ist alles selbstverständlich, was ich mir so überlege. Ich wurde eines besseren belehrt. Manches kann man sicherlich lockerer sehen, als ich es tue. An anderen Stellen bleibe ich hart. Ich habe gesehen, dass einiges funktionieren kann, was ich mir nicht vorstellen konnte. Doch bleibe ich dabei: Für mich ist das Kreative Schreiben eine ernste Angelegenheit, die umso mehr Spaß macht.

Schreiben fürs Schaufenster – eine Antwort

Schon fast vier Wochen ist es her, dass Lucia ihren Beitrag mit dem Titel „Schreiben fürs Schaufenster“ veröffentlicht hat. Seither denke ich immer wieder darüber nach. Lucia endet mit der Frage: „Reicht mir das Schreiben hier auf dem Blog oder will ich mehr erreichen?“.

Das „mehr erreichen“ lässt mich aufmerken, weckt meinen Widerspruchsgeist. Es scheint, als ob Blogschreiben weniger toll, weniger wertvoll, Spielerei sei. Ob das für Lucia oder andere BloggerInnen gilt oder allein meine Wertung ist, bleibt dabei offen. Nach einigem Grübeln wird mir klar: Für mich geht es nicht um mehr oder weniger. Es geht auch nicht um die Frage, ob ich überhaupt schreiben will. Zentral ist dennoch: Was will ich mit meinem Schreiben erreichen? Wohin soll mich die Schreiberei führen?

Eine endgültige Antwort auf diese Frage habe ich noch nicht gefunden. Aber ich merke, es hat sich etwas geändert. Kreative Schreibwerkstätten, lustige Schreibspiele, Drauflosschreiben auf einen Impuls hin in der Gruppe, Vorleserunde und weiter zum nächsten Text – dies hat mir lange Zeit sehr viel Spaß gemacht. Mittlerweile reicht mir das nicht mehr, will ich anderes. Insofern geht es bei mir vielleicht wie bei Lucia auch um ein wie auch immer geartetes „mehr“.

Klöppeln, malen, reimen – das Kreative Schreiben

Kreatives Schreiben hat ja manchmal den Ruf, ein Kaffeeklatschtreffen für frustrierte oder gelangweilte Hausfrauen zu sein, ein Volkshochschulkurs neben Klöppeln für Fortgeschrittene, Italienisch für die Reise oder Bauernmalerei leicht gemacht. Ja, so ist Kreatives Schreiben. Es ist ein wundervolles Hobby, das von mehr Frauen als Männern ausgeübt wird, es ist geselliges Zusammensein, Spiel, Kreativität und Phantasie. Es kann lustiges Reihumreimen sein, Wörter aus Zeitschriften ausschneiden und zusammenkleben oder aus vorgegebenen Stichwörtern absurde Geschichten basteln. Oft findet es in der Gruppe statt, Schreibwerkstatt genannt. Kreatives Schreiben hat viel mit Freude am Tun zu tun, heißt Schreibprozesse anstoßen, laufen lassen und sich vom Ergebnis überraschen lassen. Das ist gut.

Aber Kreatives Schreiben ist gleichzeitig noch viel mehr, kann mehr sein, wenn Schreib-werkstätten von Menschen geleitet werden, die wissen, was sie tun und warum, wenn diejenigen, die kreativ schreiben, eben mehr wollen als nett  mit Gleichgesinnten beisammen sein(was allein jedoch durchaus seinen Wert hat). Was alles Kreatives Schreiben ist und sein kann, sehe ich zur Zeit besonders deutlich, wenn ich die Textmappen und dazugehörenden Reflexionen der Studierenden lese, die im vergangenen Semester an meinem Kurs an der Uni Konstanz teilgenommen haben. Teils in deren Worten (als anonymisierte Zitate), teils in meinen Worten ist Kreatives Schreiben:

  • Ein Experiment mit Worten, mit Sprache und mit Texten. Das unterschiedliche Herangehen an die Texte kann als Teil des Experiments angesehen werden.
  • Langsam entstehen tintenblaue Worte vor mir auf dem Papier, als würden stumme Töne die weiße Stille verdrängen.
  • Die Motivation für die Texte rührt aus den verschiedensten Winkeln der Seele.
  • Puzzelt man verschiedene Erfahrungsschnipsel zusammen, wird daraus etwas aufregend Neues.
  • Es tut mehr als gut, mal beim Schreiben nicht gezwungen nachdenken zu müssen.
  • Bei kaum einer anderen Tätigkeit macht man sich über so viele (sinnlose?) Sachen ernsthaft Gedanken.
  • Das Schreiben zeigt mir selbst immer in gewisser Weise einen Teil meiner Seele und meiner Ängste, wie ich sie ohne das Schreiben nicht erkennen würde.
  • Und ganz nebenbei lernen die Leser mich durch meine Texte irgendwie besser kennen.
  • Ein Kurs im Kreativen Schreiben setzt Kreativität frei, die später, wie auch immer, genutzt werden kann.
  • Wenn ich schreibe, bin ich nicht mehr ich selbst. Eine Welt, die mir zuvor fremd schien, offenbart sich als ganz natürlich und normal. Nichts scheint unmöglich oder verboten, die Gedanken und die Hand sind frei.
  • Kreatives Schreiben übt den Vorgang, das, was im Kopf ist, aufs Papier, in Linienform zu bringen. Immer mehr entwickelt sich eine eigene Stimme, die auch bei anderem (nicht-kreativen?) Schreiben zum Tragen kommt.
  • Warum konnte ich jetzt auf einmal wieder schreiben, als wäre nie etwas gewesen?

Kreatives Schreiben hat viel mit Ausdruck, mit persönlicher Weiterentwicklung, mit größer werdender Schreibkompetenz im Allgemeinen zu tun. Kreatives Schreiben in der Gruppe führt zu intensiven Begegnungen, übt das Wechseln zwischen Autoren- und Leserperspektive, steigert das Sprachgefühl und ist ein Erfahrungsraum für Textfeedback geben und nehmen, es fördert das Gehörtwerden. Beim Kreativen Schreiben steht – in meiner Sicht – der Prozess des Schreibens im Vordergrund. Nichtsdestotrotz entstehen Texte, um die es schade wäre, wenn sie nicht geschrieben worden wären. Deshalb lohnt es sich sehr, auch für Nicht-Hausfrauen, auch für Menschen, die das Schreiben nicht in irgendeiner Weise zu ihrem Beruf machen wollen. Dazu kommt, dass es Spaß macht.

Kreatives Schreiben ist eine Beschäftigung, die an vielen Orten, in vielen Zusammenhängen, mit verschiedenen Beweggründen ausgeführt werden kann. Es ist etwas zutiefst Menschliches. Ich will darauf nicht mehr verzichten. Und Sie?