Zur Zeit bin ich schreibend stark damit beschäftigt, Gedichte zu schreiben. „Richtige“ Gedichte, was immer das sein könnte, keine Wort- und Schreibspielereien, keine Elfchen, Zevenaare oder Bulldozer-Gedichte. Diese Gedichte sollen wachsen, sich entwickeln dürfen, ich arbeite so lange daran, bis ich glaube, besser kann ich es im Moment nicht ausdrücken, Form und Inhalt passen so gut wie mir möglich zusammen. Deshalb haue ich die neuen Texte nicht einfach so raus, so dass es im Blog ein wenig ruhiger geworden ist.
Immer deutlicher wird mir: Ich unterscheide klar für mich zwischen kreativem Schreiben – schnell, spontan, spielerisch -, wie ich es mit großer Freude in Schreibwerkstätten und manchmal auch für mich allein praktiziere, von Gedichte schreiben im obigen Sinn. Doch wie gehe ich vor, wenn ich dichte?
1. Ist da eine ganz vage Idee, ein Thema, ein Bild, eine Situation, eine Wendung. Sie kommt von irgendwo her in meinem Kopf, spuckt darin herum und begleitet mich ein paar Stunden oder Tage, je nach dem. Im Geist finde ich Formulierungen, Textfragmente, die ich erprobe.
2. Kommt der Moment, an dem ich weiß, das Gedicht hat eine Gestalt gefunden. Mir ist diese Gestalt noch nicht klar, ich sehe sie noch nicht, spüre nur, dass sie da ist. Dann greife ich zu Bleistift und Papier. Ich schreibe drauf los, aus dem Bauch heraus, lasse die Worte aufs Papier fließen. Die Zeilenumbrüche, der Rhythmus, der Klang ergeben sich von allein.
3. Manchmal reicht ein Anlauf, um das, was sich in meinem Kopf gebildet hat, aufs Papier zu bringen, manchmal setze ich zwei-, drei-, viermal neu an, schreibe mit etwas Abstand einfach weiter. Wenn das Gerüst handschriftlich klar ist, muss es in den Computer übertragen werden: Ich muss sehen, ob es gedruckt „richtig“ aussieht.
4. Beim Abtippen verändert sich automatisch das eine oder andere Wort, mit den Zeilenumbrüchen und der Einteilung in Strophen spiele ich so lange herum, bis es stimmt. Manchmal bekommt das Gedicht dann auch einen ersten Titel, manchmal bleibt es zunächst titellos.
5. Jetzt brauche ich Abstand: Das Gedicht wird gespeichert – wenn es noch keinen Titel hat, ist das Finden eines Dateinamens eine Herausforderung -, der Computer wird ausgeschaltet. In meinem Kopf begleitet mich das Gedicht weiter, aber weniger im Vordergrund, weil es jetzt ja festgehalten ist und nicht mehr verloren gehen kann. Zu dem Zeitpunkt bin ich mir so klar über mein Gedicht, dass ich es auch, wenn es sich ergibt, ausgewählten Menschen zeigen kann. Rückmeldungen höre ich und nehme sie auf: Sie helfen mir, mein Gedicht besser zu verstehen, klarer zu sehen.
6. Nach einer Pause bekomme ich den Drang, das Gedicht zu perfektionieren, fertig zu stellen. Dazu ist es gut, wenn ich es ausdrucke: So kann ich es mitnehmen, habe es immer vor Augen, wenn mir eine Idee kommt. Manchmal kritzle ich viele Alternativformulierungen dazu, manchmal bleibt das allermeiste wie es am Anfang war. Oft probiere ich auch herum, um am Ende doch zu der Ursprungsversion zurückzukehren. Es ist die Erprobungsphase für das Gedicht. Dadurch dass alles auf dem Papier passiert, geht keine Version verloren.
7. Eine Fleißarbeit ist es, die endgültige Version in die Computerdatei einzugeben, denn für mich ist nun alles klar und fertig. Dann bin ich damit durch, warte auf Inspiration oder hatte sie schon und schreibe das nächste Gedicht.
Published by