Knackig und kurz: Meine Berufsbezeichnung

Wibke Ladwig von Sinn und Verstand hat eine Blogparade gestartet: „Und was machen Sie so beruflich?“ Tja, mein Beruf hat durch eine Stellenausschreibung einen Namen bekommen. Ich bin, tätätätä: Referentin zur Förderung von Schreibkompetenz.
Aha. Und was macht man da so?
Nun, ich baue ein Schreibzentrum an der Uni Konstanz auf, natürlich nicht allein, sondern mit engeren und weiteren Kolleginnen und Kollegen. Konkret heißt das:

  • Ich bilde Studierende dazu aus, dass sie andere Studierende bei Schreibaufgaben wie z.B. Hausarbeiten beraten, begleite sie, organisiere ihre Arbeit, bringe die ganze Schreibberatung ins Laufen und entwickle sie weiter.
  • Ich überlege mir Kurse und Workshops zum Schreiben, organisiere ReferentInnen dafür und unterrichte selbst.
  • Ich rede mit allerlei Menschen in- und außerhalb der Uni, um Bedingungen zu schaffen, die es Studierenden ermöglichen, sich selbst in der Rolle von Schreibenden und auch die eigenen Texte weiterzuentwickeln.
  • Ich organisiere besondere Events und Veranstaltungen, damit über das Schreiben geredet wird und sich Schreibräume auftun.

Das alles mache ich mit der Grundüberzeugung, dass es im Berufsleben immer wichtiger ist, schreiben zu können, dass Schreibenkönnen aber keine Frage des Talents ist, sondern gelernt werden kann und darf, und dass Bildungsinsititutionen wie Universitäten die Aufgabe haben, Schreibkompetenz zu fördern. Darum bin ich gern Referentin zur Förderung von Schreibkompetenz. Nur ist der Name halt lang und sagt am Ende doch nichts aus. Deshalb nenne ich mich auch manchmal:

  • Schreibtrainerin – ist schön, weil es mit dem Schreibenkönnen ein wenig ähnlich ist wie mit Marathonlaufen. Aber nein, ich prügle niemandem die Rechtschreibung ein.
  • Schreibpädagogin – klingt nach Lehre und Didaktik. Schreibdidaktikerin nenne ich mich übrigens nie. Und für das korrekte Abmalen von Buchstaben fühle ich mich gar nicht zuständig.
  • Schreibberaterin – mit der Rolle der Beraterin kann ich mich gut identifizieren. Allerdings berate ich nicht mittels Schreiben, sondern beim Schreiben.

Alle weiteren Bezeichnungen für meinen Beruf sind Umschreibungen, die wieder mehr als ein Wort brauchen. Und dann kommt zu dem Ganzen noch dazu: mein selbständiges Tun außerhalb der Uni, das Kreative Schreiben, berufliches und biografisches Schreiben, die Verbindung aus Schreiben und Psychologie … Deshalb sage ich manchmal auch nur:

Ich bringe Menschen zum und ins Schreiben.

An ganz mutigen Tagen sage ich noch was anderes, etwas was ganz viel Traum und ganz wenig Beruf ist, doch den Satz „Ich bin …“ auf eine sehr stimmige Weise vollendet. Davon berichte ich vielleicht ein andermal.

 

Von Jena nach google+

Heute sollte es ganz sicher hier weitergehen. Nachdem ich ein sehr anregendes Wochenende bei der Peer-TutorInnen Konferenz 2012 in Jena verbracht habe. Einer der vielen Impulse: mich nun doch endlich bei google+ anmelden, damit der Austausch über Schreibzentrumsarbeit, Schreibberatung, Peertutoring, wissenschaftliches Schreiben, E-Portfolios … so rege weitergeht, wie er dort war. Allerdings: Alles was neu ist, braucht erst einmal Zeit. Darüber ist es nacht geworden. Bloggen ist heute nicht mehr.

Überarbeitung – wie lang soll ich noch am Text rummachen?

Vielleicht der entscheidende Unterschied zwischen Laien und Profis beim Schreiben: Wie viel Zeit plant jemand für die Textüberarbeitung ein? Ich gehe – quadratisch, praktisch, übersichtlich – von einem Schreibprozessmodell mit vier Phasen aus: Vorbereiten, Strukturieren, Rohtexten, Überarbeiten. Die Arbeitszeit drittle ich: das erste Drittel für die Phasen 1 und 2, das zweite Drittel für das Schreiben des Rohtextes und das letzte Drittel für das Überarbeiten. Hierzu gehören idealerweise: Distanz gewinnen, Feedback einholen, Überarbeitung auf verschiedenen Ebenen, Korrigieren, Fertigstellen und Abgeben bzw. Veröffentlichen.

Nun unterscheiden verschiedene SchreibpädagogInnen unterschiedlich viele Phasen  – Modelle mit drei bis sieben Phasen sind mir bekannt – und benennen sie auch verschieden. Außerdem herrscht bei allen ExpertInnen Einigkeit, dass diese Phasen nur ein Modell sind: Die Praxis sieht viel komplexer aus. Phasen überschneiden und wiederholen sich, Schreibende hüpfen je nach Typ und Strategie zwischen den Phasen hin- und her. Doch für alle ist klar: Ein guter Text entsteht nur durch und erst während der Überarbeitung. Diese braucht Zeit. Dummerweise fehlt genau die Zeit jedoch oft, da Sie eben erst am Ende kommt.

Da hilft nur Einplanen. Das von mir veranschlagte Drittel der Gesamtarbeitszeit für ein Schreibprojekt wird auch von vielen KollegInnen vorgeschlagen, heute habe ich sogar in einem Schreibratgeber für Studierende gelesen, der Rohtext solle nach der Hälfte der zur Verfügung stehenden Zeit fertig sein. Soll ein Text also in einer Stunde fertig sein, muss ich in dreißig oder vierzig Minuten einen Rohtext vor mir haben; habe ich eine Bearbeitungszeit von einem Jahr, fange ich nach sechs bis acht Monaten mit dem Überarbeiten an.

Der Vorteil einer solchen Zeitplanung: Sie sind gezwungen, früh mit dem Formulieren zu beginnen, auch wenn vielleicht noch nicht alles klar ist. So geben Sie sich die Chance, dass der Text sich beim Schreiben entwickelt. Außerdem lässt es sich leichter flüssig voran und ins Unreine schreiben, wenn man weiß, es muss noch nicht perfekt sein, weil Zeit zum Verbessern bleibt. So geht das Schreiben schneller voran. Und wenn am Ende die geplante Überarbeitungszeit doch zu lange sein sollte, umso besser: Sie halten den Abgabetermin ein, haben mit hoher Wahrscheinlichkeit einen richtig guten Text verfasst und haben auch noch Zeit für eine ausgiebige Belohnung.

Neues SchreibtrainerInnen-Treffen am Bodensee

Letzte Woche fand das zweite Treffen des Arbeitskreis Schreibtraining und Schreibberatung am Bodensee statt. 13 Menschen aus dem sehr weit gedachten Bodenseeraum – bis Freiburg, Karlsruhe und Augsburg – trafen sich im wunderschönen Schloss Hersberg bei Immenstaad und tauschten sich fachlich aus. Leider konnte diesmal keine der KollegInnen aus Österreich und der Schweiz teilnehmen, doch wir freuen uns auf wieder internationale Besetzung beim nächsten Mal. Es bestätigte sich erneut, wie viel Fachkompetenz es zum immer noch etwas stiefmütterlich behandelten Thema Schreibtraining gibt und wie bereichernd der Austausch darüber für alle ist.

Wie schon beim ersten Treffen im letzten November war der Tag zu kurz. Wir starteten am Vormittag mit einem Barcamp, bei dem drei Gruppen zusammenfanden, die sich mit Akquisemöglichkeiten für Schreibangebote, Schreibkompetenzvermittlung an Hochschulen und Möglichkeiten von Textfeedback in Schreibgruppen auseinandersetzten. Am Nachmittag boten vier der TeilnehmerInnen Kurz-Workshops für die anderen an mit den Themen: Inspiration und Schreiballtag, Werbendes Schreiben, Social Media für Freie und Phantastik in Schreibgruppen. Dazu kamen natürlich noch all die informellen Gespräche bei einer Tasse Kaffee oder während des Mittagessens, die spannende Anregungen gaben. So fuhren alle bereichert mit wertvollen Impulsen und inspirierenden Begegnungen ins Wochenende, nicht ohne die Weichen für ein nächstes Treffen im November zu stellen.

Übrigens: Wir sind weiterhin offen, wenn KollegInnen dazustoßen und mitmachen wollen. Eine Mail an mich genügt, dann informiere ich genauer.

Frei geschrieben – ein Buchtipp

Eins der ersten Bücher, die ich zum wissenschaftlichen Schreiben gelesen habe, ist das von Judith Wolfsberger. „Frei geschrieben. Mut, Freiheit & Strategie für wissenschaftliche Abschlussarbeiten“ ist in der Erstauflage 2007 erschienen. Der Titel ist Programm: Wolfsberger will in erster Linie Mut machen zum Schreiben, „Chuzpe“ ist eines ihrer Lieblingswörter, ein Wort das vorher nicht in meinem aktiven Wortschatz enthalten war.

Das Buch leitet Studierende einmal durch den gesamten Prozess des Schreibens einer wissenschaftlichen Abschlussarbeit – vom Einstieg über die Ermutigung „There ist hope“ bis zum Ende, an dem vielleicht „Die Lust, weiter zu schreiben“ steht. Dazwischen erläutert die Autorin, warum es sich trotz der unbefriedigenden Situation mit der Anleitung beim Schreiben an Unis lohnt, eine Abschlussarbeit anzugehen, und vor allem, wie dies gelingt. Dabei ist sie an vielen Stellen sehr pragmatisch, kocht die Ansprüche runter und gibt gleichzeitig brauchbare und nützliche Tipps, worauf es ankommt und wie das Schreiben gelingt. Da stört es auch nicht, dass sie bei Abschlussarbeiten noch von den alten Diplom- oder Magisterarbeiten ausgeht, es lässt sich alles auf die kürzeren Bachelorarbeiten übertragen.

Durch das Einstiegskapitel mit Situationsbeschreibungen eignet sich das Buch dafür, gezielt nur die Kapitel zu lesen, die für einen selbst relevant sind. Dann ist jedes kurze Kapitel gleich aufgebaut: Zuerst die Erklärung, um was es geht und wie es zu meistern ist, danach konkrete Übungen unter der Überschrift „Jetzt bist du dran“ und Literaturempfehlungen zum Weiterlesen. Dazwischen, passend an das jeweilige Kapitel angeschlossen, werden Schreibmethoden kurz und prägnant vorgestellt – neun Stück an der Zahl, von „Morgenseiten“ über „Forschungsfrage“ und „SQR-Lesemethode“ bis „Beautycase zur Überarbeitung von Rohtexten“.

Judith Wolfsberger duzt die LeserInnen konsequent und hat einen flotten, manchmal ein wenig aufdringlichen Schreibstil, der nicht so ganz mein Fall ist. Inhaltlich gefällt mir das Buch aber sehr gut. Und zwischen all den großen Fragen wie beispielsweise der, was eigentlich Wissenschaftlichkeit ausmacht, stecken viele kleine, nützliche Tipps und Ideen, wie man sich die Arbeit leichter machen kann und sie gleichzeitig so gestaltet, dass man auch wirklich etwas davon hat.

Judith Wolfsberger: Frei geschrieben. Mut, Freiheit & Strategie für wissenschaftliche Abschlussarbeiten. Böhlau Verlag, Wien u.a., 2009², ISBN 978-3-205-78349-7

Zitate zum Schreiben: zwölf

„Lesen macht vielseitig, Verhandeln geistesgegenwärtig und Schreiben genau.“

sagte der englische Philosoph Francis Bacon. Genauigkeit ist in der Wissenschaft besonders gefragt. Ein guter Grund für häufiges wissenschaftliches Schreiben.

Mit Karteikarten ins Schreiben kommen und Struktur finden

Ein größeres Schreibprojekt liegt vor Ihnen, Sie haben sich schon viele Gedanken gemacht, dazu gelesen, das Thema konkretisiert und gegebenenfalls abgesprochen. Nun gilt es richtig anzufangen: Je nach Schreibtyp werden Sie eine mehr oder weniger detaillierte Gliederung Ihres Textes erarbeiten oder mit dem Schreiben des Rohtextes beginnen. Beides kann schwer fallen. Sie haben so viele Gedanken und Ideen, dass Sie nicht wissen, wie und wo beginnen.

Bevor Sie die Fenster putzen oder stundenlang an der Formatvorlage für den Text feilen, probieren Sie doch einmal die Karteikarten-Methode. Die hilft, die dreidimensionalen Gedanken in Ihrem runden Kopf in die lineare Form eines Textes zu bringen, den passenden Textaufbau zu finden. Sie lässt Sie ins Thema und ins Schreiben kommen. Vor allem hören Sie auf, nur über Ihr Schreibprojekt und Ihren Text nachzudenken, stattdessen handeln Sie. Sie brauchen dafür einen Stapel Karteikarten, Notizzettelchen oder auch Post-its, gerne in verschiedenen Farben, und einen Stift. Denn diese Methode funktioniert am allerbesten von Hand.

Jetzt schreiben Sie jeden Gedanken, den Sie zu Ihrem Schreibthema haben, auf eine Karte. Als Stichwort, als Frage, als Satz bzw. Halbsatz oder als Überschrift. So wie es Ihnen kommt. Gehen Sie ganz intuitiv vor, lassen Sie sich von Karte zu Karte treiben. Entlasten Sie sich von dem Anspruch, gleich logisch und strukturiert sein zu müssen; die Struktur, die in Ihnen zu Ihrem Thema schon vorhanden ist, wird sich von allein zeigen, der Rest darf sich entwickeln.

Wenn der Schreib- und Ideenfluss versiegt, ist Zeit, das Ergebnis anzusehen. Dazu brauchen Sie viel Platz: einen leeren Tisch, eine Fläche auf dem Fußboden, eine Pinnwand, zu der auch Schrankwandtüren oder eine große Fensterfläche werden können. Legen Sie die Karten aus, schieben Sie sie hin und her, ordnen Sie sie und lassen sie sich von allein ordnen. Ergänzen Sie Karten, wenn Ihnen weitere Stichworte oder Unterpunkte einfallen. Arbeiten Sie dabei ruhig im Stehen und schaffen Sie sich Übersicht.

Bisher haben Sie zehn bis fünfzehn Minuten investiert. Sie haben mit dem Schreiben begonnen und dabei mindestens den Anfang einer Textstruktur gefunden. Danach können Sie aus der Karteikartenstruktur, die vor Ihnen liegt, eine Gliederung machen, die Sie in Ihr Computerdokument übertragen. Oder Sie können sich ein Häufchen Karten aussuchen, zu dem Sie einen Rohtext schreiben.

Praktisch ist es, wenn Sie Ihre Karteikarten-Anordnung so lange liegen oder hängen lassen können, bis der Rohtext fertig ist. Dann können Sie Ihre Gliederung immer weiter verfeinern und leicht umsortieren, wenn sich beim Schreiben herausstellt, dass etwas nicht so funktioniert wie gedacht. Und wenn Sie dabei mit Post-its an den Fenstern arbeiten, sieht Ihr Büro von außen vielleicht bald aus wie auf diesen Bildern.