Vorbereitet gut überarbeiten

Der Erfolgsautor Andreas Eschbach hat eine Homepage, die eine Fülle von Informationen für alle die bereit hält, die belletristisch schreiben (wollen). Von den „Mythen übers Schreiben“, die er demontiert, bis zur „Trostliste“ (= Autoren, die erst nach hartnäckiger Verlagssuche Erfolg hatten) lohnt es sich darin zu stöbern.

Besonders spannend finde ich seine 10-Punkte-Text-Überarbeitungs-Vorbereitung. Dies ist eine Methode, mit der Geschichten den stilistisch-sprachlichen Schliff bekommen, den sie brauchen. Die Vorbereitung besteht darin, zuerst zehn verschiedenartige Markierungen anzubringen, um „mögliche Schwachstellen“ zu entdecken, bevor dann im zweiten Schritt tatsächlich überarbeitet wird.
Die 10 Punkte – z.B. Füllwörter, Adjektive, Passiv – stehen in jedem Stilratgeber. Das besondere an Eschbachs Methode ist, dass der Text ganz systematisch Punkt für Punkt durchgegangen wird und man eben erst im zweiten Schritt entscheidet, was man verändern will. Das schärft die Augen, zeigt deutlicher als bei sonstigem Überarbeiten Verbesserungsmöglichkeiten auf und gibt mir so viel Distanz zum Text, dass ich wirklich überarbeiten kann.

Die 10-Punkte-Text-ÜV ist auf belletristische Texte ausgelegt. Sie lässt sich aber mit kleineren Anpassungen ebenso für Sachtexte anwenden.

Lautes Lesen macht Texte gut

Klar: Texte müssen überarbeitet werden, bevor sie „rausgehen“. Wie lange und wie intensiv, hängt von vielen Faktoren ab, doch wenigstens einmal gehe ich über jeden Text noch mal drüber, bevor ich ihn abschicke, sogar über kurze und unproblematische E-Mails. Eine ganz einfache, schnelle und dabei sehr wirkungsvolle Methode dazu habe ich mit lautem Lesen entdeckt.

Die frisch geschriebenen Texte laut in der Gruppe vorzulesen, ist in Schreibwerkstätten üblich. So habe ich erfahren: Ob mit oder ohne Feedback, in kleiner oder großer Gruppe, mit viel oder wenig Zeit, allein das Vorlesen lässt mich meinen Text anders wahrnehmen. Statt ihn zu sehen, höre ich ihn nun. Ich bin wacher, als wenn ich nur mit den Augen lese, sogar Tippfehler fallen mir so plötzlich auf. Ich höre Holperer und manchmal ändere ich direkt beim Vorlesen einzelne Formulierungen, weil sie so, wie ich sie geschrieben habe, nicht aus meinem Mund kommen wollen.

Nachdem ich nur wenige Male das Vorlesen in der Gruppe erlebt habe, habe ich begonnen, mir alle meine Texte selbst laut vorzulesen. Und auch ohne Rückmeldung von anderen ist dies ein großer Gewinn. Ich bekomme Distanz zum Text und wechsle den Kanal. So sorge ich dafür, dass der Ton stimmt, dass der Text fließt, der Rhythmus passt. Zu lange Sätze machen mich atemlos, unübersichtliche Satzstrukturen lassen mich stottern, Füllwörter oder unschöne Wiederholungen klingeln in meinen Ohren. Und selbst, wenn all diese Dinge nicht eintreten, lese ich aufmerksamer und bemerke Fehler, für die ich zwar blind, aber wohl nicht taub bin.

Eine andere Möglichkeit: Ich lasse mir meinen Text vorlesen. Das braucht mehr Mut und eine Person, die bereit ist mitzumachen. Hier sehe ich zwar keine Fehler, doch ich kann mich beim Zuhören ganz auf den Inhalt konzentrieren. Der Text ist noch weiter von mir weg, ich kann ihm wie eine Fremde lauschen und spüre, wo ich der Argumentation des Textes folge und wo ich aussteige. Da die vorlesende Person nicht weiß, was eigentlich auf dem Blatt stehen sollte, kann sie Unschärfen nicht durch eine geschickte Betonung ausgleichen. All die Stellen, an der mein Vorleser stolpert, merke ich mir und schaue sie mir hinterher ganz genau an: Sehr wahrscheinlich stimmt da irgendetwas noch nicht.

So ist lautes Lesen zwar noch keine Textüberarbeitung, aber für mich mittlerweile ein ganz wesentlicher Schritt dazu. Und wenn ich das, was ich beim Lesen bemerkt habe, verändere, liest sich mein Text auch für andere Leser besser und leichter.