Vielfalt des Schreibens: Ja, aber …

Heute habe ich einen Slamtext geschrieben. Endlich mal wieder. Ich habe sogar eine zweite Textidee entwickelt. Ob daraus etwas wird, merke ich erst beim Schreiben. Falls es dazu kommt. Außerdem habe ich Alltagsaufgaben erledigt, E-Mails geschrieben, über Unwetter nachgedacht und anderes. Zum Bloggen war da keine Zeit.

Slamtexte, Kommentare, Gedichte, Liedtexte, Blogbeiträge, Geschichten, Erinnerungen, Essays, Wortspiele, E-Mails … So vieles kann geschrieben werden, so vieles will geschrieben werden. Auch von mir. Alles geht. Aber nicht alles auf einmal. Alles hat seine Zeit.

Hitzefrei oder warum ich bei Regen nie schreibe

Es ist heiß geworden, schwül, endlich Sommer. Leider erst dann, nachdem ich entschieden habe, neue Schreibgewohnheiten aufzubauen, wieder regelmäßig zu bloggen und zu dichten. Wie soll das gehen? Wer kann bei dieser Hitze mit dösig schwerem Kopf schon Ideen entwickeln und Texte aufs Papier/ in den Computer bringen? Schreiben im Cafe ist ja nett, im Zug ebenso, aber im Strandbad? Kann sich irgendjemand konzentrieren, wenn fremde nasse Kinder über die eigene Decke rennen, Bälle einem um die Ohren fliegen und der Lärmpegel beinahe Flughafenausmaße annimmt? Die Alternative ist: zu Hause bleiben, die – nicht vorhandenen – Rollläden schließen, die Füße in einen Eimer Wasser stellen und loslegen. Aber es ist Sommer, endlich, wer weiß wie lange. Schlimm genug, dass es unzählige unaufschiebbare Aufgaben gibt – da kann das freiwillig-private Schreiben doch auf andere, schlechtere Tage warten.

Ich finde es spannend, wie wir das Schreiben oft vom Wetter abhängig machen. Noch eine Parallele zum Sport. Wenn ich in meinen Kursen die für die TeilnehmerInnen optimalen Schreibbedingungen thematisiere, tauchen Sonne und Regen regelmäßig auf. Die einen können nur schreiben, wenn sie von der Sonne angelächelt und in gute Laune versetzt werden; die anderen im Gegenteil nur dann, wenn nichts sie weg vom Schreibtisch nach draußen locken könnte, je unwirtlicher es da draußen zugeht, umso besser. Meine Stimmung, Energie und Schreiblust sind selbstredend genauso wetterfühlig.

Nur: Das Wetter haben wir nicht im Griff. Egal wie es ist, es bietet immer eine gute Ausrede. Ich will aber schreiben. So bleibt mir nichts anderes übrig, als das Wetter zu nehmen, wie es ist. Ich passe meine idealen Schreibbedingungen Temperatur und Niederschlagsmengen an statt umgekehrt. In den See hüpfen kann ich vorher, nachher oder zwischendurch. Andererseits: Es ist Sommer, endlich. Schreiben kann ich ja immer. Und Du?

Immer wieder schreiben

Es ist passiert, was nicht passieren sollte: über einen Monat Blogpause, dazu noch ohne Ankündigung oder Erklärung. Es war nicht so geplant, war auch nicht absehbar. Es hat sich einfach irgendwie ergeben.

Immer wieder gibt es volle Zeiten im Leben: Berufliche Aufgaben verteilen sich nicht gleichmäßig, sondern häufen sich manchmal, Unterwegssein bringt viele Impulse, die aber Zeit brauchen, um sich zu setzen, bei Müttern wie mir kommen – immer gerade passend – kranke Kinder und/ oder Schulferien dazu. Das ist kein Grund, das Schreiben einzustellen. Eigentlich wäre es ein Grund, viel zu schreiben. Manchmal klappt das auch gut, komischerweise aber nur, wenn ich dran bleibe. Entsteht eine Pause von ein, zwei Tagen, ist es noch nicht schlimm. Mit jedem weiteren Tag wächst die Gefahr, nicht mehr reinzukommen. Ich bin aus dem Rhythmus. Danach kommt das Gefühl, jetzt ist es eh schon egal, jetzt kommt es auf einen oder zwei Tage mehr nicht drauf an. Geht es anderen genauso?

Schreiben, wenn es nicht von außen vorgegeben und mit Abgabetermin versehen ist, braucht Gewohnheit, zumindest bei mir. Obwohl ich es gerne mache, obwohl es mir gut tut. Es ist wie beim Sport (den ich aber nicht gerne mache). Irgendwo habe ich mal gelesen, es braucht 30 Tage, bis etwas zur Gewohnheit wird, zur liebgewonnenen Gewohnheit im besten Fall. Gibt es auch eine Regel, nach wie vielen Tagen die Gewohnheit wieder gelöscht wird?

Wenn ich aufhöre, regelmäßig zu schreiben, gehen mir die Ideen aus, statt dass die nicht-geschriebenen Schreibideen zu einem riesigen Motivationsberg wachsen. Ich weiß nicht mehr, worüber ich schreiben könnte. Schreiben erzeugt Schreiben, heißt es. Das ist wohl dasselbe andersherum gesagt. Da ist es egal, ob ich Ideen für Blogartikel, Gedichte oder Slamtexte suche. Also muss ich mit irgendwas beginnen, am einfachsten damit, dass ich nichts weiß. Und hoffen, dass es danach wieder flutscht.

Wenn ich jetzt diesen einen Artikel poste, habe ich noch keine neue Gewohnheit geschaffen, auch wenn das Wiederaufwecken von Gewohnheiten vielleicht weniger als 30 Tage braucht. Ich versuche, dran zu bleiben. Denn ich weiß ja: Schreiben macht mir Freude und tut mir gut. Dir auch?

Schreibtagebücher begleiten Schreibprojekte

Wer sein Schreiben und Tun in einem Journal oder Schreibtagebuch reflektiert, bringt die eigenen (Schreib-)Projekte voran. Dies wird in manchem Ratgeber und von vielen Schreiblehrern warm empfohlen, Lucia macht es mit ihrem Blog öffentlich vor. Besonders nahegelegt wird das Führen eines solchen Journals Studierenden begleitend zu einer wissenschaftlichen Arbeit, zu einem Praktikum oder zu einem besonderen Studienabschnitt. Doch es ist dazu geeignet, (längere) Schreibprojekte aller Art zu unterstützen bzw. die eigene Schreibentwicklung allgemein zu dokumentieren und voranzubringen.

Ein Journal ist ein persönlicher Text, der hilft, das eigene Projekt erfolgreich abzuschließen, und aus dem sich auch für weitere Projekte lernen lässt. Ein zentraler Punkt dabei ist, dass die Aufzeichnungen nur für die eigenen Augen bestimmt sind. Das gibt Raum, den eigenen Zugang zum Thema zu finden sowie mit seiner eigenen Sprache und ohne Rücksicht auf Konventionen und Erwartungen von anderen zu schreiben, was über dieses konkrete Projekt hinaus die Entwicklung der eigenen Schreibstimme fördert.
Ein zweiter wichtiger Punkt, der für das Führen eines Schreibjournals spricht: Von Anfang an, gleich wenn die ersten vagen Ideen zum Thema auftauchen oder ein Schreibauftrag sich abzeichnet, beginnt man mit dem Schreiben. So gehen keine Ideen verloren, man gönnt sich sogar die Möglichkeit, beim Schreiben den Text zu entwickeln und auf gute Gedanken zu kommen. Außerdem hat man direkt die Anfangshürde überwunden und ist schon im Schreiben drin, wenn es mit dem Text richtig losgeht.

Möglichkeiten, was in ein Schreibjournal aufgenommen wird, gibt es viele. Dies lädt ein zu experimentieren, was einem selbst bei seinen Schreibprojekten am meisten weiterhilft. Neben inhaltlichen Teilen wie Freewritings zu verschiedenen Aspekten des Themas, Materialsammlungen, Literaturhinweisen und Zitaten, Alltagsbeobachtungen, die das geschriebene veranschaulichen können, und vielem mehr, halte ich das Schreiben über das Schreiben für besonders wertvoll. Wie ist mein Zeitplan und halte ich ihn durch? Welche Gefühle begleiten mein Schreibprojekt? Welche Schwierigkeiten treten beim Schreiben auf und welche Ideen habe ich, damit umzugehen? Zu solchen und ähnlichen Fragen lassen sich Freewritings oder Cluster erschreiben, Tabellen anlegen, Listen sammeln, Dialoge oder Briefe formulieren und vieles mehr.

Um das Potential eines Schreibjournals komplett zu nutzen, bietet es sich an, regelmäßig zwischendurch und nach Abschluss des Schreibprojekts die Aufzeichnungen durchzusehen, auszuwerten und Quintessenzen zu formulieren. Das können inhaltliche Kernsätze sein oder Ideen, die das Weiterarbeiten betreffen. Der Bremer Schreibcoach empfiehlt z.B., sich selbst prägnante Aufforderungen zu formulieren, die das zukünftige Schreiben verbessern oder erleichtern. Lucia, die sicherlich nur einen Teil ihres Schreibjournals öffentlich führt, hat am Rand der Schreibtischwelten eine Spalte eingeführt, in der sie zu jeder Woche am Ende ein Motto benennt. So hat sie selbst den Überblick und auch andere können von ihren Erfahrungen und Erkenntnissen lernen.

Schreiben und Schreiben – zwei paar Stiefel

Es gibt so Zeiten, da passiert allerhand. Mensch ist abgelenkt, schafft vor sich hin und plötzlich sind Wochen vorbeigerannt, in denen kein Wort geschrieben wurde. So ging es mir mit Beginn der Osterferien, so dass hier im Blog seit langem das Ostereigedicht bunt vor sich hinleuchtet. Doch nicht nur beim Blogschreiben passiert das, auch bei anderem Kreativen Schreiben.

Natürlich habe ich nicht kein Wort geschrieben: Es entstanden viele E-Mails, ein Protokoll, Kursunterlagen, offizielle Briefe, Einkaufszettel und vieles mehr, dazu habe ich die zwei Wörter meines Namens unzählige Male von Hand auf Papiere aller Art gesetzt. Doch all dies meine ich nicht, wenn ich sage: Ich habe geschrieben. Nach Geschrieben-Haben fühlt es sich an, wenn ich ein Gedicht schreibe, einen Slam-Text, einen Blog-Beitrag, … Auch wenn ich einen Sachtext schreibe einfach nur, weil es mich interessiert.

Schreiben heißt für mich kreativ werden und aus einem inneren Antrieb heraus Wörter setzen. Texte, die ich aus irgendeinem Grund irgendwo abliefern muss, fallen nicht darunter. Auch nicht, wenn mir das Schreiben Spaß macht, und obwohl jedes Schreiben auch kreativ ist, wie ich es hier einmal beschrieben habe. Schreiben heißt, mich ausdrücken und dafür auch die jeweilige passende Form wählen. Irgendwie gibt es Schreiben und Schreiben. Das eine passiert automatisch immer wieder, ohne das andere fühle ich mich auf Dauer nicht wohl.

Doch weil dieses andere Schreiben eben nicht automatisch passiert, kommt es immer wieder mal zu kurz. Rituale schaffen, Gewohnheiten bilden ist hilfreich, damit das nicht zu oft passiert. Sich selbst ein wenig Druck oder Außenkontrolle aufzubauen auch – z.B. mit Gruppentreffen, bei denen man einen Text mitbringen „muss“, oder mit einem Blog, wo jeder sieht, wenn es nichts Neues gibt. Aber das Wichtigste ist wohl: Irgendwann merke ich, dass etwas fehlt. Irgendwann sehne ich mich wieder danach zu sagen, ich habe etwas geschrieben. Dann heißt es nicht zaudern oder mich mit Selbstvorwürfen weiter abzulenken. Dann ist es am besten, ich schreibe sofort.

Tagebuch als Wahrnehmungsschulung

Eine ausgedehntere Tagebuchphase hatte ich ja vor einigen Wochen hier im Blog. Unter anderem habe ich mich dabei gefragt, warum das Tagebuchschreiben so schwierig sei. Nun kann ich stolz und zufrieden berichten: Die ersten zwei Monate Glückstagebuch sind komplett. Manche Tage musste ich zwar später nacharbeiten, doch zu jedem Tag stehen zwei Zeilen da.

Je länger man es macht, desto anspruchsvoller wird die Aufgabe. Zu viele Tage laufen immer ähnlich ab, jeden Tag „nichts besonderes“ schreiben ist langweilig. Also zwingt das Tagebuchschreiben zu genauem Hinsehen: Welcher Moment lohnt heute das Festhalten? Wie kann ich Alltägliches für genau jetzt passend notieren? Deshalb ist Tagebuchschreiben, das schon allein als Selbstreflexions- und Erinnerungsmethode genug wäre, mehr als das. Es ist Wahrnehmungs- und Beobachtungsschulung, ist Lebensintensivierer, ist Formulierungsschulung und Schreibroutine. Dazu ist Tagebuchschreiben kreativ oder tägliches kreatives Schreiben.

Die Aufmerksamkeit, die dazu führt, dass jeden Tag zwei Zeilen Glück in meinem Jahresbuch stehen, kann auch die Grundlage für ein Gedicht sein. Dann kommen zur bewussten Beobachtung ein neues, passendes Bild und die gezielt gestaltete Form und Sprache dazu. Ohne die alltägliche Beobachtung im Innern oder Äußern gibt es aber kein Gedicht. Oder?