Stilfragen – ein alter Hut

Nach allen möglichen Stil- und Schreibratgebern habe ich mir nun einmal die Stilfibel von Ludwig Reiners vorgenommen, die 1951 erschienen ist. Der Untertitel „Der sichere Weg zum guten Deutsch“ klingt so antiquiert wie das Buch alt ist, auch Tonfall und Beispiele sind nicht mehr zeitgemäß. Umso erstaunter war ich, was den Inhalt angeht: Seit 60 Jahren ist bekannt, was heute noch oft missachtet wird.

Reiners baut sein Buch didaktisch auf: zuerst ein wenig Grammatik, um die Grundbegriffe zu klären, dann 20 Verbote, 20 Regeln und schließlich 20 Ratschläge. Die Idee ist, dass sich die Verbote am leichtesten umsetzen lassen, wie z.B. „Zerreißen Sie nicht die zusammengesetzten Verben!“. Dadurch wird das Stilempfinden schon vergrößert. Nachdem man auch die 20 Regeln durchgearbeitet hat (z.B. „Wider die Hauptwörterei“ oder „Baut kurze Sätze“), ist man bereit für die dritte Stufe der Ratschläge, die „vom guten zum wirkungsvollen Stil“ führen sollen. Und damit alles ganz klar wird, wird jede Lektion mit Fragen und Übungsaufgaben abgeschlossen.

Auch wenn es ein alter Hut ist, so lange Substantivierungen, Floskeln und Schachtelsätze geschrieben werden, lässt sich aus diesem Buch noch etwas lernen. Ich war jedenfalls sehr verblüfft, dass die heutigen Stilratgeber nur aktuellere Beispiele hernehmen müssen.

Vorbereitet gut überarbeiten

Der Erfolgsautor Andreas Eschbach hat eine Homepage, die eine Fülle von Informationen für alle die bereit hält, die belletristisch schreiben (wollen). Von den „Mythen übers Schreiben“, die er demontiert, bis zur „Trostliste“ (= Autoren, die erst nach hartnäckiger Verlagssuche Erfolg hatten) lohnt es sich darin zu stöbern.

Besonders spannend finde ich seine 10-Punkte-Text-Überarbeitungs-Vorbereitung. Dies ist eine Methode, mit der Geschichten den stilistisch-sprachlichen Schliff bekommen, den sie brauchen. Die Vorbereitung besteht darin, zuerst zehn verschiedenartige Markierungen anzubringen, um „mögliche Schwachstellen“ zu entdecken, bevor dann im zweiten Schritt tatsächlich überarbeitet wird.
Die 10 Punkte – z.B. Füllwörter, Adjektive, Passiv – stehen in jedem Stilratgeber. Das besondere an Eschbachs Methode ist, dass der Text ganz systematisch Punkt für Punkt durchgegangen wird und man eben erst im zweiten Schritt entscheidet, was man verändern will. Das schärft die Augen, zeigt deutlicher als bei sonstigem Überarbeiten Verbesserungsmöglichkeiten auf und gibt mir so viel Distanz zum Text, dass ich wirklich überarbeiten kann.

Die 10-Punkte-Text-ÜV ist auf belletristische Texte ausgelegt. Sie lässt sich aber mit kleineren Anpassungen ebenso für Sachtexte anwenden.