Wie schreibt man einen Roman?

Das Schöne am Lesen eines Romans ist, dass ich über Stunden in eine andere Welt eintauchen darf. Wenn ich der Diskussion im ZDF Nachtstudio vom 15.3.2009 glaube, ist dies auch der Antrieb, Romane zu schreiben: eine Welt erschaffen und ganz darin sein. Volker Panzer diskutiert mit John von Düffel, Julia Franck, Hanns-Josef Ortheil und Moritz Rinke die Frage, wie macht man das eigentlich, wenn man einen Roman schreibt.

Es ist eine gediegene Unterhaltung unter Literaten; Franz Kafka, Thomas Mann und andere –  nein, ich erinnere keine Frau – tauchen auf. Ortheils Ausführungen über das Entstehen von Romanen und die Persönlichkeit des Romanschriftstellers kann man zustimmen oder nicht und das Ende mit einem Zitat von Hermann Burger, der sein Leben und Schreiben durch Suizid beendete, ist sehr pathetisch. Spannend wird es immer dann, wenn es um Mythen über Schriftsteller geht, wenn eine Aussage mit „Aber ich mache es anders …“ gekontert wird. Das einsame Arbeiten im stillen Kämmerchen funktioniert nicht bei Julia Franck, Mutter kleiner Kinder. Dem Gebähren eines Romans unter Schmerz und Enthaltung stellt Rinke ein „ich schreibe immer nur, wenn ich Lust habe“ entgegen. Und das Bild des allein sein Manuskript verfassenden Autors stellt sich im Filmausschnitt ganz anders dar, wenn von Düffel Wort für Wort den Text mit dem Lektor durchspricht.

Dass es eine Menge Arbeit ist und viel Disziplin erfordert, einen sechs-, siebenhundert Seiten langen Roman zu schreiben, ist unbestritten. Doch der Reiz des Eintauchens in eine neue Welt ist da und wird in der Diskussion erlebbar. Nun interessiert mich nur noch, ob es dieselbe Diskussion auch mit ausschließlich Autorinnen in einem Nachtstudio gibt. Oder es gilt selbst herauszufinden, wie es ist, wenn man einen Roman schreibt.

Von Typen und Tücken

Wissen Sie, wie Sie beim Schreiben vorgehen?
Bis ein Text reif zur Veröffentlichung ist, braucht es eine Menge Arbeitsschritte und ein gutes Projektmanagement. Hilfreich ist es, den eigenen Schreibtyp mit seinen Stärken und Schwächen zu kennen, um typengerecht erfolgreich zu schreiben. Oder aber sich vom Vorgehen anderer etwas abzuschauen, wenn es mal nicht so läuft.
Drei Fragen helfen, dem eigenen Schreibtyp auf die Sprünge zu kommen:

1. Planen Sie Ihren Text oder entdecken Sie ihn beim Schreiben?
Planer leisten die meiste Arbeit, bevor sie mit dem eigentlichen Schreiben beginnen: sie überlegen, sortieren, strukturieren, gliedern, wägen ab. Wenn der Plan – auf dem Papier oder im Kopf – steht, können sie schnell voranschreiben, da sie sich ganz aufs Formulieren konzentrieren können, und sie laufen nicht Gefahr, sich auf dem Weg bis zum Schlusspunkt zu verirren. So lange man sich mit dem Planen nicht nur vor dem Schreiben drückt, ist dieses Vorgehen besonders unter Zeitdruck ideal.
Die Entdecker dagegen schreiben einfach los. Sie lassen sich von ihren Gedanken und Ideen treiben und finden so nach und nach zur Kernidee und der Struktur des Textes. Hier gehören Umwege und Sackgassen mit zum Programm und ermöglichen neue Ideen. Auch bei sehr komplexen Themen entsteht schon früh im Schreibprozess ein erster Text und damit ein gutes Gefühl. Es muss nur aufgepasst werden, dass beim Entdecken nicht das Ziel aus den Augen verloren wird oder die Zeit ausgeht.

2. Schreiben Sie von vorne nach hinten oder basteln Sie Ihren Text aus Einzelteilen zusammen?
Manche Menschen gehen beim Schreiben sehr systematisch vor: Sie haben den Plan parat und arbeiten sich Stück für Stück durch den Text. Das hat den Vorteil, dass der Text genau so entsteht, wie er später auch gelesen wird, von vorne nach hinten. Dadurch kann es nicht passieren, dass Informationen vorausgesetzt werden, zu denen bereits geschrieben wurde, die aber im fertigen Text weiter hinten stehen. Der rote Faden wird Stück für Stück gesponnen.
Das andere Extrem, das erst durch den Einsatz von Textverarbeitungsprogrammen zur lohnenden Strategie wurde, ist das Zusammenbasteln von Einzelteilen. Der Bastler schreibt immer gerade an dem Abschnitt, der ihm präsent ist oder am leichtesten fällt. Die entstandenen Stücke können so lange verschoben, aneinandergebaut und ergänzt werden, bis der Gesamttext rund ist. Möglicherweise wird so allerdings manches doppelt geschrieben oder Wesentliches nicht bis zum Ende gedacht.

3. Überarbeiten Sie intensiv oder formulieren Sie von Anfang an perfekt?
Ich gehe davon aus, dass kein guter Text ohne Überarbeitung entsteht und dass es Zeit spart, wenn ich von Anfang an Zeit zum Überarbeiten einplane, weil ich so schneller und flüssiger schreiben kann. Aber vielleicht belehrt mich auch hier jemand eines Besseren. Sicher ist: Es gibt ein weites Feld zwischen gar nicht und exzessiv überarbeiten, zwischen während des Schreibens gleich verbessern und den fertigen Rohtext nach einer Ruhephase als Ganzes überarbeiten.
Zum Überarbeiten gibt es so viele Ideen und Hinweise, dass ich dazu einen eigenen Tipp schreiben will. Hier nur noch die Erinnerung: Rechnen Sie die Zeit, die Sie bei Ihrer Arbeitsweise zum Überarbeiten brauchen, bei Ihrer Schreibprojektplanung mit ein.

Vielleicht erkennen Sie sich im einen oder anderen Vorgehen beim Schreiben klar wieder oder Sie haben je nach Text und Situation andere Arbeitsweisen. Egal welche Schreibweise zu Ihnen passt, erkunden Sie, wie Sie und Ihre Texte davon profitieren und welche Tücken dabei lauern. So sind Sie gut gerüstet für den nächsten Schreibauftrag.

 

Stephen Kings Leben und Schreiben – ein Buchtipp

Es gibt eine ganze Reihe von Büchern über das Schreiben aus der Feder erfolgreicher Schriftsteller. Nicht mehr neu, aber von mir jetzt erst entdeckt, ist das Buch „Das Leben und das Schreiben“ des Bestsellerautors Stephen King. Im Original ist es 2000 unter dem Titel ON WRITING erschienen, die deutsche Taschenbucherstausgabe 2002 bei Heyne.

Das erste bemerkenswerte an diesem Buch ist, dass es drei Vorworte und drei Nachträge enthält. Das ist erstaunlich für jemanden, der ganz zu Beginn schreibt, dies sei ein kurzes Buch. „Denn Bücher über das Schreiben sind voller Blödsinn.“
Zwischen Vorworten und Nachträgen liegen zwei Teile: der über das Leben und der über das Schreiben. Unter der Vorgabe, sein Werden als Schriftsteller nachzuzeichnen, schildert King Episoden seines Lebens von früher Kindheit bis zur Gegenwart. Das ist unterhaltsam und spannend zu lesen, wie es sich für einen echten King gehört, stillt die Neugier – wie lebt ein richtiger Schriftsteller, ein so erfolgreicher noch dazu? – und erzählt gleichzeitig schon einiges über Kings Gedanken zum Schreiben. In dem Teil über das Schreiben nimmt das Werkzeug Sprache einen großen Raum ein – ohne Wortschatz und Grammatik eben kein Text. Und weil King als eine Grundregel des Schreibenlernens „viel lesen“ ausgibt, enthält ein Nachtrag eine Liste mit lesenswerten Büchern ganz unterschiedlicher Art, alles was er während des Schreibens an diesem Buch gelesen hat.

„Das Leben und das Schreiben“ von Stephen King ist kein Schreibratgeber, mit dem jeder zum Bestsellerautor wird. Es ist ein persönliches Buch für alle, die den Horror-Autor kennenlernen wollen, und enthält viele interessante Ein- und Ansichten zum Schreiben.
Schreiben ist harte Arbeit und zum genialen Autor wird man nicht, wenn einem das Talent dazu fehlt. Doch Schreiben ist Leidenschaft.
„Und so fängt es an: Stellen Sie Ihren Schreibtisch in eine Ecke, und wann immer Sie sich ans Schreiben machen, halten Sie sich vor Augen, warum er nicht in der Mitte des Zimmers steht. Das Leben ist kein Stützgerüst für die Kunst. Es ist anderherum.“

Beim wissenschaftlichen Schreiben hat man nie ausgelernt

Gerade bin ich dabei, mich auf meine Schreibwerkstatt für wissenschaftliches Schreiben an der Uni Konstanz einzustimmen, die morgen wieder beginnt. Dabei bin ich erneut über ein Zitat von Gabriele Ruhman, der Leiterin des Schreibzentrums der Ruhr Universität Bochum gestolpert. Sie sagt, man müsse beim wissenschaftlichen Schreiben vor allem lernen, dass man dabei nie auslerne.

Dieser Satz kann ziemlich demotivierend wirken, kann man ihn doch so verstehen, dass das wissenschaftliche Schreiben eben so schwer ist, dass man es nie richtig beherrscht. Ich finde den Satz in zweierlei Hinsicht tröstlich:
1. entlastet mich das, denn ich muss nicht glauben, dass es mein persönliches Versagen ist, wenn meine wissenschaftlichen Texte noch nicht optimal gelingen. Es gilt weiterzulernen, zu wachsen; es gibt ein Recht, zu üben und sich zu entwickeln.
2. wissenschaftliches Schreiben bleibt spannend, denn ich kann mich und meine Texte immer weiter verbessern. Ich muss nicht fürchten, irgendwann in ermüdende Routine zu verfallen, das Schreibenmüssen als lästige Pflicht anzusehen. Es bleibt eine Herausforderung, die Neues aus mir herauskitzelt.

Besonders schön illustriert ist diese Aussage in den Podcasts des Schreiblabors der Uni Bielefeld. Hier erzählen WissenschaftlerInnen von Ihrem Schreiben, den Schwierigkeiten, vor denen sie dabei stehen, und den Lösungen, die sie für sich gefunden haben. Die Tipps, die sie geben, kommen direkt aus der Schreibpraxis und sind nicht nur für wissenschaftlich Schreibende interessant. Nur schade, dass der Blog nicht weitergeführt worden ist.

Easy Writing in technischen Berufen

Auch Informatiker, Ingenieure, Techniker müssen schreiben: unzählige E-Mails jeden Tag, Dokumentationen und Projektberichte, Angebote und Change Requests, Protokolle, Gebrauchsanweisungen, Präsentationen und mehr. Zwischen einem und zwei Drittel der Arbeitszeit soll in diesen Berufsgruppen laut neueren Erhebungen zum Schreiben aufgewendet werden.
Viele haben sich das während ihrer Ausbildung anders vorgestellt, die wenigsten haben gelernt, wie sie leicht und verständlich schreiben können. Dabei ist das Schlagwort von der „Schlüsselkompetenz Schreiben“ mittlerweile in aller Mund.
Für all diejenigen, die in technischen Berufen besser schreiben wollen – oder denen es von Vorgesetzten nahegelegt wird, dass sie besser schreiben sollen –  gibt es seit einiger Zeit ein maßgeschneidertes Angebot:

„Easy Writing … für Leute, die technische Probleme lieber lösen als dokumentieren“

Hier geht es um dreierlei: 1.  den Schreibprozess so im Griff zu haben, dass Schreibprojekte genauso professionell geplant und durchgeführt werden können wie andere Projekte. 2. werden Methoden vorgestellt und ausprobiert, die bei den einzelnen Arbeitsschritten vom Schreibauftrag bis zum fertigen Text hilfreich sind, und 3. wird das Wissen weiter gegeben, was Texte leicht verständlich und gut zu lesen macht. Denn irgendwie ist es doch gemein, wenn sich alle nur über schlechte Texte beklagen, einem aber nie jemand zeigt, wie es besser geht.

Übrigens: Professionell schreiben im Beruf ist ein Gewinn für alle Beteiligten. Leser bleiben dran bis zum letzten Wort und verstehen den Text, Schreibende überzeugen mit klaren, verständlichen und fristgerecht abgegebenen Texten und Unternehmen verlieren keine Zeit und kein Geld mehr mit gar nicht oder schlecht geschriebenen Texten.

Die 50 Werkzeuge für gutes Schreiben – ein Buchtipp

Auch wenn es sich noch nicht überall herumgesprochen hat: Schreiben ist ein Handwerk, das man lernen und üben kann. Nicht jeder ist vielleicht Goethe oder Thomas Mann, aber wir alle können professioneller schreiben lernen – und sollten es auch in einer Welt, in der durch Computer und Internet Texte und Texten für alle immer wichtiger werden.

Für dieses Handwerk hat Roy Peter Clark einen Werkzeugkasten zusammengestellt. Das Buch stellt in vier großen Kapiteln 50 Werkzeuge vor. Beispiele aus verschiedensten Textarten – Romane, Sachtexte, Lyrik, Journalismus, … – illustrieren die Theorie und der Workshop am Ende jedes Werkzeugs lädt zum Ausprobieren ein.
Das Buch eignet sich für alle, die schreiben wollen oder müssen, egal was sie schreiben. Und für diejenigen, die bessere Texte produzieren wollen. Jede Woche des Jahres („Zwei Wochen schenke ich Ihnen als Urlaub“, S. 19) kann ein Werkzeug entdeckt werden. Dabei beginnt es mit einfachen Tipps zum Satzbau „Beginnen Sie … mit Subjekt und Prädikat!“, geht weiter über „Spezialeffekte“ und „Pläne“ und endet mit übergeordneten „Nützlichen Gewohnheiten“ bis hin zum Umgang mit Kritik. Ich nutze es als Nachschlagewerk, das mich immer wieder daran erinnert, was noch möglich ist.
Das Schöne an dem Buch: Es ist 1. undogmatisch („Seien Sie nicht überrascht, gute Texte dort zu finden, wo der Autor alle Ratschläge, die hier beschrieben werden, missachtet“, S. 15) und 2. beherrscht der Autor sein Handwerk und den Umgang mit seinen Werkzeugen selbst, leider keine Selbstverständlichkeit bei Büchern übers Schreiben.

„50 Werkzeuge für gutes Schreiben“ ist in der deutschen Übersetzung 2009 im Autorenhaus Verlag, Berlin erschienen (amerikanisches Original „Writing Tools“, 2006).

Lautes Lesen macht Texte gut

Klar: Texte müssen überarbeitet werden, bevor sie „rausgehen“. Wie lange und wie intensiv, hängt von vielen Faktoren ab, doch wenigstens einmal gehe ich über jeden Text noch mal drüber, bevor ich ihn abschicke, sogar über kurze und unproblematische E-Mails. Eine ganz einfache, schnelle und dabei sehr wirkungsvolle Methode dazu habe ich mit lautem Lesen entdeckt.

Die frisch geschriebenen Texte laut in der Gruppe vorzulesen, ist in Schreibwerkstätten üblich. So habe ich erfahren: Ob mit oder ohne Feedback, in kleiner oder großer Gruppe, mit viel oder wenig Zeit, allein das Vorlesen lässt mich meinen Text anders wahrnehmen. Statt ihn zu sehen, höre ich ihn nun. Ich bin wacher, als wenn ich nur mit den Augen lese, sogar Tippfehler fallen mir so plötzlich auf. Ich höre Holperer und manchmal ändere ich direkt beim Vorlesen einzelne Formulierungen, weil sie so, wie ich sie geschrieben habe, nicht aus meinem Mund kommen wollen.

Nachdem ich nur wenige Male das Vorlesen in der Gruppe erlebt habe, habe ich begonnen, mir alle meine Texte selbst laut vorzulesen. Und auch ohne Rückmeldung von anderen ist dies ein großer Gewinn. Ich bekomme Distanz zum Text und wechsle den Kanal. So sorge ich dafür, dass der Ton stimmt, dass der Text fließt, der Rhythmus passt. Zu lange Sätze machen mich atemlos, unübersichtliche Satzstrukturen lassen mich stottern, Füllwörter oder unschöne Wiederholungen klingeln in meinen Ohren. Und selbst, wenn all diese Dinge nicht eintreten, lese ich aufmerksamer und bemerke Fehler, für die ich zwar blind, aber wohl nicht taub bin.

Eine andere Möglichkeit: Ich lasse mir meinen Text vorlesen. Das braucht mehr Mut und eine Person, die bereit ist mitzumachen. Hier sehe ich zwar keine Fehler, doch ich kann mich beim Zuhören ganz auf den Inhalt konzentrieren. Der Text ist noch weiter von mir weg, ich kann ihm wie eine Fremde lauschen und spüre, wo ich der Argumentation des Textes folge und wo ich aussteige. Da die vorlesende Person nicht weiß, was eigentlich auf dem Blatt stehen sollte, kann sie Unschärfen nicht durch eine geschickte Betonung ausgleichen. All die Stellen, an der mein Vorleser stolpert, merke ich mir und schaue sie mir hinterher ganz genau an: Sehr wahrscheinlich stimmt da irgendetwas noch nicht.

So ist lautes Lesen zwar noch keine Textüberarbeitung, aber für mich mittlerweile ein ganz wesentlicher Schritt dazu. Und wenn ich das, was ich beim Lesen bemerkt habe, verändere, liest sich mein Text auch für andere Leser besser und leichter.