Schreiben in Cafes – ein Buchtipp

Jetzt liegt der halbfertige Beitrag zu diesem Buch schon zehn Tage da und irgendwie kriege ich den Dreh nicht, etwas „richtiges“ dazu zu schreiben. Deshalb nun einfach so:

Das 1986 von Natalie Goldberg geschriebene Buch „Schreiben in Cafes“ ist ein Klassiker des Kreativen Schreibens, im Autorenhaus-Verlag 2009 neu erschienen. Ich habe es vor Kurzem wieder zur Hand genommen und die halbe Nacht durchgeschmökert. Ich will es empfehlen, weil es mir etwas gibt, ohne dass ich ganz greifen kann was.
Es ist keine Gebrauchsanweisung a la „wie sie einen Bestseller schreiben“, enthält keine starren Regeln oder „du musst“, dafür eine Fülle an Anregungen, Gedanken, Ideen. Mit jeder Zeile ruft es: Los, schreib, trau dich und vertrau dir, schreibe.
Natalie Goldberg behauptet nicht, dass alles gut ist, was geschrieben wird, aber sie ruft dazu auf, zu schreiben und zu schreiben, dabei besser zu werden und dann, immer wieder, die Perlen zwischen den Wortmassen zu finden. Schreiben ist für die Zen-Buddhistin Meditation, es ist ein Weg, das eigene Leben zu verstehen.
Lassen wir uns auf den Prozess des Schreibens ein, probieren wir einen der unterschiedlichen Wege, die sie vorstellt. Das Buch lässt sich an jeder beliebigen Stelle aufschlagen, jedes kurze Kapitel gibt eine Schreibanregung, einen Anstoß. Also schreiben wir!

Arbeitsteilung beim Schreiben

Ist kreatives Schreiben nur kreativ und wissenschaftliches oder berufliches Schreiben gar nicht? So zugespitzt sagt wahrscheinlich jeder nein, doch im Schreiballtag fühlt es sich manchmal anders an.

Ich gehe davon aus, dass jeder Schreibprozess beides braucht, das kreative und das formale. Kreativ geschriebene Texte profitieren von klarer Struktur und Überarbeitungen auf allen Ebenen genauso wie ein Sachtext Neues, Lebendiges, Ungewöhnliches verdient. Deshalb gelingt Schreiben immer dann, wenn der Autor/ die Autorin zwei entgegengesetzte Haltungen einnimmt: die Haltung des Künstlers und die des Kritikers.

Der Künstler in Ihnen produziert viele Ideen, stellt auch ungewöhnliche Verbindungen her, kann ansprechend und schön gestalten und ist manchmal ein wenig verrückt. Der Kritiker schaut ganz genau hin, verwirft, verbessert, strukturiert; er hat die Regeln im Kopf und verliert das Ziel und den Rahmen nicht aus den Augen. Die beiden kommen nicht gut miteinander aus, weil sie so verschieden sind, und können sich gegenseitig blockieren. Dann wird Schreiben schwer. Deshalb geht es darum klar zu haben, wer wann ans Ruder darf und wer in der aktuellen Schreibphase besser einen Kaffee trinken gehen soll.

Der Kritiker mit seinem Perfektionismus verhindert oft, dass wir überhaupt anfangen zu schreiben. Ist der Künstler zu aktiv, findet kaum ein Leser Zugang zu unserem Text, hält er sich ganz raus beim Schreiben, kann es sein, dass wir selbst vor Langeweile einschlafen. Also sollten wir Künstler und Kritiker zu einer produktiven Zusammenarbeit bewegen. Manchmal hilft es, dem zurückhaltenderen von beiden einen bestärkenden Brief zu schreiben, oder die beiden in einem Dialog ihre Zusammenarbeit selbst miteinander aushandeln zu lassen.
Und dann entstehen Texte, die klar und einfallsreich, anschaulich und strukturiert, korrekt und überraschend sind.

Schreib-Kick: Lustige Fotos

Hier bei mir steht der Wetter-Umschwung unmittelbar bevor. Regen, kalt, Herbst – Zeit zum Schreiben, Zeit zum Lachen.

Auf der Homepage von einem Robert Hartl habe ich eine Sammlung von „lustigen Fotos“ entdeckt. Diese sollen hier einen Schreibkick geben, der trübe Herbstgedanken wegfegt. Nach dem Zufallsprinzip (auf der zweiten Seite, in der dritten Reihe das vorletzte Bild) kann ein Motiv ausgewählt werden.

Zu welchem Text regt dieses Foto an? Erzählt es eine Geschichte, verlangt es nach einer Zeitungsmeldung der Rubrik Vermischtes oder gibt es eine Stimmung wieder, die nur in einem Gedicht eingefangen werden kann? Vielleicht reicht allein das Bild, um den Schreibfluss ins Laufen zu bringen (äh, können Flüsse laufen?). Wenn nicht hier ein paar Fragen, die weiter helfen könnten:

  • Wer hat das Foto gemacht und wozu?
  • Wer ist die Person auf dem Bild und wie kam sie in diese Situation?
  • Wenn es richtig schief läuft, wie geht es dann weiter?
  • Wer lacht hier und wie kann man ihn/sie zum Ernstwerden bringen?
  • Was geht hier eigentlich vor?

Ob der Text nachher lustig wird oder ernst? Egal. Hauptsache am Ende eines dunklen Herbsttages steht ein bunter Text auf dem Papier.

Literatur in 5 Minuten – ein Buchtipp

Die längste Geschichte, die ich je geschrieben habe, war fünf oder sechs Seiten lang; wenn eine Geschichte abgetippt auf zwei Seiten kommt, bin ich schon über dem Durchschnitt. Nun habe ich vor längerem beschlossen, ich bin halt keine Geschichtenschreiberin und Gedichte sind meine Welt.
Irgendwo in meinem Hinterkopf schlummert dennoch der Gedanke, erzählen, Geschichten schreiben zu wollen. Und so kam mir das Buch „Literatur in 5 Minuten. Ein Schnellkurs“ von Roberta Allen gerade recht. Es ist 2002 bei Zweitausendeins in deutscher Übersetzung erschienen und nur noch antiquarisch erhältlich.
Roberta Allen ist Schriftstellerin und bildende Künstlerin sowie Dozentin für Creative Writing. Sie schlägt vor, Küzestgeschichten zu schreiben, wobei sie eine Reihe Kürzestgeschichten als Beispiele vorstellt und versucht, die Kürzestgeschichte zu definieren und zu erläutern.
Für mich ist nicht wesentlich, was genau eine Geschichte zu einer Kürzestgeschichte macht. Ich will einen Ansatz finden, wieder ins Erzählen zu kommen. Dafür gibt mir Roberta Allen eine genaue Anleitung. Innerhalb von fünf Minuten soll die Geschichte aufs Papier fließen. Ohne Anstrengung, ohne Zensur, ohne Ablenkung. Fünf Minuten lang ist es möglich, die ganze innere Energie aufs Schreiben zu verwenden, so dass das, was erzählt werden will, von der ganz eigenen Stimme erzählt wird. Fünf Minuten reichen nicht aus, um darüber nachzudenken, ob die Geschichte gut ist, um sich zu sorgen, Fragen zu stellen, großen Vorbildern nachzueifern. Wenn es gelingt, steht nach fünf Minuten eine komplette Geschichte auf dem Papier – kaum mehr Zeit als fürs morgendliche Zähneputzen. Gelingt es nicht, sind nur fünf Minuten vergangen und ich kann mich der nächsten Übung zuwenden.
Roberta Allen belässt es in diesem Buch nicht bei der Anleitung für die 5-Minuten-Übungen, sondern macht auch Vorschläge, wie mit den entstandenen Texten weiter gearbeitet werden kann, um sie zu überarbeiten und zu schleifen. Außerdem stellt sie Möglichkeiten vor, wie 5-Minuten-Übungen beim Schreiben von längeren Geschichten bis hin zu Romanen eingesetzt werden können. Sehr gut gefällt mir, dass sie die Übungstexte danach bewertet, wie viel Energie sie enthalten: Auf einer Skala von 1 bis 10 soll die Intensität der Geschichte – zunächst unabhängig von sprachlichem – eingeschätzt werden. Lieber eine neue 5-Minuten-Übung schreiben, als stundenlang an totem Material herumzudoktern.
Das beste an dem Buch ist aber der Mittelteil, der über 300 Themen für die Übungen liefert. Und bevor ich hier nun noch weitere Minuten tippe, schlage ich irgendwo blind das Buch auf, nehme das Thema rechts in der achten Zeile von unten und schreibe. Ob ich in fünf Minuten eine Geschichte mit Energie vor mir habe?

Drei Minuten für 26 Ideen

Klare Vorgaben, Regeln und Zeitdruck ermöglichen Kreativität. Jeder kennt es: Will ich irgendwann einmal in meinem Leben einen Roman schreiben, beginne ich wahrscheinlich nie damit – außer ich erfahre, ich habe nur noch X Wochen zu leben? Muss aber in zwei Stunden das Papier mit meinen Vorschlägen zur Projektgestaltung abgegeben werden, das über eine eventuelle Bonuszahlung für dieses Jahr mitentscheidet, fließen die Worte nur so. Klare, wenn auch vielleicht unsinnige Regeln helfen dabei, die Ideen erst einmal unzensiert aufzuschreiben. Denn der innere Kritiker oder Zensor ist damit beschäftigt, die Einhaltung der Regeln zu überwachen, und kann deshalb nicht bei jeder Idee sein vernichtendes Urteil abgeben.
Eine Möglichkeit schnell viele Ideen oder Gedanken zu sammeln, ist es, ein ABCdarium zu schreiben: Zu jedem Buchstaben des Alphabets wird ein Wort oder Satz gesucht, der damit beginnt. Solche ABCdarien können Schreibideen liefern, Vorwissen oder Vorurteile bewusst machen, Lösungen für Probleme anbieten oder zu einem Listengedicht werden. Um den Zeitfaktor mit einzubauen, kann man sich den Wecker auf drei Minuten stellen oder mit jemand anderem um die Wette schreiben oder auch jedes Mal die Zeit stoppen, wie lange man braucht, um seine persönliche Bestzeit immer wieder zu übertreffen (nach spätestens 10 Minuten würde ich jedoch auf jeden Fall aufhören).
Kommen in drei Minuten zwanzig bis sechsundzwanzig Ideen zusammen und ist eine einzige dabei, die so gut ist, dass sie weiter verwendet werden kann, ist die Produktivität dieser Methode schon besser als sie normalerweise so ist. Und wenn alles nichts hilft, kann man immer noch ein Schimpfwörter-ABCdarium schreiben.

Heute schon geschrieben?

Wer schreiben will, muss schreiben. Immer wieder, immer öfter, egal was. Wer nicht schreiben will, sondern muss, darf schreiben: Tag für Tag. Schreiben Sie bei jeder sich bietenden und jeder sich nicht bietenden Gelegenheit. Schreiben Sie am Computer und mit dem Stift auf Papier, langes und kurzes, einzelne Wörter und zusammenhängende Sätze, offizielles und höchst persönliches. Schreiben Sie in Linien oder spiralförmig, morgens, mittags oder abends. Erlauben Sie sich, schreibend herauszufinden, was Sie denken, Fragen schreibend zu beantworten, von denen Sie nicht wussten, dass sie sich stellen.

Kennen Sie Freewriting? Probieren Sie es aus:

Nehmen Sie ein Blatt Papier und den nächstliegenden Stift. Stellen Sie den Wecker Ihres Handys auf 7 Minuten. Legen Sie los: Schreiben Sie auf, was immer Ihnen in den Sinn kommt, schreiben Sie es direkt aufs Papier, heben Sie den Stift nicht ab. Lassen Sie Buchstaben aufs Papier fließen und denken Sie nicht darüber nach, ob Ihre Rechtschreibung korrekt ist oder ob Ihre Gedanken sinnvoll sind. Vielleicht lassen Sie alle Satzzeichen weg oder schreiben Sie alle Wörter klein, um sich von solchen Lappalien nicht von Wichtigem ablenken zu lassen. Wenn Ihnen nichts einfällt, schreiben Sie genau dies hin: Mir fällt nichts ein. Oder wiederholen Sie so lange das letzte Wort, bis Ihre Hand etwas Neues schreibt. Komme, was da wolle, Sie bewegen den Stift übers Papier, bis der Wecker klingelt. Dann machen Sie einen Punkt.

Danach können Sie entscheiden, ob Sie Ihren Text gleich nochmals durchlesen, ihn für ein anderes Mal zur Seite legen oder direkt schreddern. Machen Sie es so, wie Sie selbst es für richtig halten, sorgen Sie aber dafür, dass kein anderer Mensch diesen Text zu Gesicht bekommt. Wenn Sie bei diesem Freewriting eine Idee für einen Text bekommen haben, den Sie schreiben müssen oder wollen, legen Sie am besten sofort damit los. Und wenn Sie mit dieser Übung überhaupt nichts anfangen konnten, investieren Sie doch morgen oder übermorgen nochmals 7 Minuten, bevor Sie abschließend feststellen, dass das nichts für Sie ist.

Ein 7-Minuten-Freewriting bietet sich an, wenn Sie neue Ideen entwickeln wollen, wenn Sie etwas für sich klären wollen, wenn Sie ganz unverkrampft ins Schreiben oder vom Denken ins Handeln kommen wollen, wenn Sie Schreibfluss erleben wollen, wenn Sie ganz nebenbei Ihre Formulierungskünste vergrößern wollen … Statt 7 Minuten können auch 5 oder 10 Minuten eingestellt werden, von einer Schreibzeit von mehr als 20 Minuten wird jedoch abgeraten.

Schreiben bei jeder Gelegenheit muss nicht zwangsläufig ein Freewriting sein. Weitere Ideen dazu in Kürze.