Raum zum Schreiben – ein Buchtipp

Das Pantun findet sich als Schreibanregung im Buch Raum zum Schreiben von Bonni Goldberg. Trotz gleichem Familiennamen hat sie wohl nichts mit Natalie Goldberg zu tun, zumindest ist sie eine andere, auch wenn ihr Buch eine ähnliche Wirkung für mich hat wie das bereits vorgestellte Schreiben in Cafés.

Der Untertitel des Buches heißt Creative Writing in 200 genialen Lektionen. Ob sie wirklich genial sind, sei mal dahingestellt. Es sind auf jeden Fall 200 ganz konkrete Anregungen, die einen dazu bringen können, den Stift in die Hand zu nehmen – sei es eine Anregung zur Form wie beim Pantun oder eine inhaltliche Anregung wie zum Beispiel zum Thema „Verstecke“ oder „Jahreszeiten“ zu schreiben. Jede Lektion endet mit einem Zitat von irgendjemandem – das fügt der Anregung meist noch einen weiteren Aspekt hinzu und ist ein Schatz für einen Zitateliebehaber wie mich.

Das allerbeste an dem Buch ist aber, dass jede Schreibanregung nur eine knappe Seite lang ist. So lässt es sich – der Reihe nach oder irgendwo – aufschlagen, in weniger als zwei Minuten eine Lektion lesen und dann loslegen mit Schreiben. Damit wird es leicht, dem ersten Grundsatz des Schreibens zu folgen, den Bonni Goldberg in der Einleitung benennt: „Das Wichtigste ist, füllen Sie die Seiten. Schreiben Sie.“

Das Buch ist im Original 1996, in deutscher Übersetzung 2004 im Autorenhaus Verlag, Berlin erschienen. 2009 gab es mit einigen der Lektionen aus dem Buch einen Sommer-Schreibworkshop, die eingestellten Beiträge sind hier noch abzurufen – aber erst nach dem Schreiben 😉

Schreibt!-Raum 9: Adventspantun

Ich bin immer noch und in verschiedenen Zusammenhängen mit Gedichtschreiben beschäftigt und habe mich dabei heute wieder an das Pantun erinnert. Ein Pantun ist ein Gedicht, bei dem jede Zeile in der nächsten Strophe wiederholt wird. Das ist zunächst einmal praktisch, denn um ein Pantun mit vier Strophen à vier Zeilen zu dichten, wie es üblich ist, muss man sich nur acht Zeilen ausdenken. Dadurch entsteht automatisch großer inhaltlicher Zusammenhalt zwischen den Strophen, die Aussage der einzelnen Zeilen wird durch die Wiederholung verstärkt.

Die Advents- und Weihnachtszeit zeichnet sich besonders dadurch aus, dass sich Dinge wiederholen, immer gleich ablaufen. Daher passt das Pantun gut in die Zeit. Schreiben Sie doch heute mal Ihr persönliches Adventspantun. Gehen Sie dabei so vor:

Schreiben Sie folgende Zahlen untereinander auf ein Blatt Papier: 1, 2, 3, 4 – 2, 5, 4, 6 – 5, 7, 6, 8 – 7, 1, 8, 3. Jede Zahl steht nun für eine Zeile, jeweils vier Zeilen bilden eine Strophe. Zeile 1 und 3 aus der ersten Strophe werden in der letzten Strophe wiederholt und sind sozusagen die wichtigsten Zeilen. Mit Zeile 3 endet das Gedicht.
Ein Pantun klingt besonders gut, wenn es durchgetaktet ist, sich also runterleiern lässt: Dichten Sie gleich lange Zeilen, bei denen sich betonte und unbetonte Silben abwechseln. Ob Sie mit oder ohne Betonung beginnen, legen Sie bei der ersten Zeile fest. Wenn das Pantun sich reimen soll, müssen sich die Zeilen kreuzweise reimen, also 1 mit 3, 2 mit 4 usw. Meiner Meinung nach muss es nicht gereimt sein und wie sich das in der Ursprungssprache des Pantun, dem Malaiischen verhält, weiß ich nicht. Machen Sie es so, wie Sie am meisten Spaß daran haben.
Wenn Sie die erste Strophe gedichtet haben, können Sie die Zeilen direkt an die Stelle übertragen, wo sie wiederholt werden. Dann können Sie Zeile für Zeile die Lücken füllen und darauf achten, dass es sich inhaltlich gut zusammenfügt. Manchmal lässt sich die Wirkung des Gedichts noch steigern durch eine kleine Veränderung bei der Wiederholung, z.B. ein einzelnes vertauschtes Wort oder Satzzeichen. Spielen Sie mit der Form und lassen Sie sich überraschen, welche Inhalte sich in Ihr Adventspantun drängen.

Wer mehr über das Pantun erfahren möchte oder Beispiele dafür sucht, wird auf der Pantun-Seite von Renate Golpon fündig.

Schreibt!-Raum 8: Elfchen

Jetzt habe ich den Klassiker des Kreativen Schreibens schon mehrfach erwähnt und vorgeführt, aber niemals erklärt, wie es geht. Da Elfchen aufgrund des märchenhaften Namens gut in die Adventszeit passen, heute also die Anregung, selbst eins zu schreiben: übers Wetter, über Advent, über heute oder über irgendwas. Es geht so:

1. Zeile: 1 Wort = eine Farbe oder Eigenschaft
2. Zeile:  2 Wörter = ein Gegenstand, der diese Eigenschaft hat
3. Zeile: 3 Wörter = eine nähere Beschreibung, etwas Konkretes, ein Detail
4. Zeile: 4 Wörter = ein Satz mit einer Tätigkeit
5. Zeile: 1 Wort = Schlusspunkt, manchmal auch Wende, Pointe

Ein Elfchen kann eine Sache ganz auf den Punkt bringen, ist aber auch einfach spielerisches Schreiben zwischendurch. Fest gelegt ist, dass es elf Wörter hat, deshalb heißt das Elfchen so, verteilt auf fünf Zeilen. Beim Inhalt der Zeilen darf ruhig variiert und experimentiert werden.

Schreibt!-Raum 7: Mein Tag als wildes Tier

An manchen Adventstagen könnte man zum Tier werden: Wer wissen will, wie er dann aussieht, kann unter http://www.buildyourwildself.com/ den Zufall ein wildes Selbst kreieren lassen. Oder man wählt von A wie Arme bis Z wie Zunge allerlei tierische Komponenten aus, die einen gerade ansprechen, und baut daraus das maßgeschneiderte Wildtier. Meins sieht heute so aus:

Nun kommt der Schreibt!-Raum: Wenn man fertig kreiert hat, bekommt man Infos zu den einzelnen Bauteilen, z.B. dass die Kakerlakenfühler auch schmecken können. Diese Informationen sollten reichen, um sich ganz in das wilde Selbst einzufühlen. Dann ist es ein einfaches, sich den heutigen Tag vorzustellen, wie er verlaufen wäre, wenn man am Morgen so aus dem Bett gekrochen wäre. Ein Tagebucheintrag der besonderen Art entsteht.

Schreibt!-Raum 4: Frederick-Listen

Nach dem sonnig-warmen Wochenende ist es wieder nass, kalt und dunkel hier am Bodensee. Nun ist die Zeit des Erntens und Einweckens vorbei, es geht darum sich winterfest einzumümmeln.
Hier kommt Frederick ins Spiel, der vermeintlich faule Feldmäuserich von Leo Lionni, der statt Nüssen und Körnern lieber Sonnenstrahlen, Farben und Wörter sammelt und damit auf seine Weise zum Überleben der Mäuse im Winter beiträgt. Um mit dem Sammeln zu beginnen, ist es schon zu spät im Jahr. Aber bestimmt hat sich ganz von allein ein großer Haufen Vorräte angesammelt. Es lohnt sich, diese zu sichten, zu ordnen und so einzulagern, dass sie bei Bedarf auch gefunden werden. Deshalb schlage ich vor, „Frederick-Listen“ zu schreiben:

Liste 1: Meine Sonnenstrahlen für den Winter
Welchen Menschen bin ich begegnet, welche Momente von Verbundenheit habe ich erlebt, die es mir warm und hell machen, wenn ich mich daran erinnere?

Liste 2: Meine Farben für den Winter
Welche Bilder, welche Muster und Farbkleckse habe ich mit meiner Kopf-Kamera aufgenommen, die mein Leben bunt und reich machen, wenn ich sie mir ansehe?

Liste 3: Meine Wörter für den Winter
Welche Geschichten habe ich erlebt oder gehört, welche Episoden und Anekdoten, die mein Leben spannend und interessant machen, wenn ich sie erzähle?

Damit der Ansporn nach ganz kleinen Erlebnissen Ausschau zu halten groß genug ist und damit die Vorräte für 3 lange Wintermonate reichen, darf jede Liste 30 Punkte enthalten – das sind gleichzeitig 90 Ideen für Texte, Gedichte und Geschichten, die an den langen Winterabenden geschrieben werden können. Und wenn Sie den einen oder anderen Vorrat mit anderen teilen, sagt irgendwer im Frühjahr zu Ihnen: „Frederick*, Du bist ja ein Dichter!“ – und Sie wissen, wie Sie darauf antworten müssen.

*eigenen Namen einsetzen

Schreibt!-Raum 3: 1667-Wörter-Geschichte

Jetzt bin ich herausgefordert, ich habe gesagt, ich schreibe 50 000 Nicht-Roman-Wörter. Das kann natürlich vieles sein.

Seit ein paar Tagen denke ich, dass es mal wieder Zeit wäre für einen Schreibt!-Raum, einen Schreibanstoß für Blog-LeserInnen – wir wissen ja alle, dass wir uns mit Lesen vor dem Schreiben drücken. Welcher Tag wäre da besser geeignet als der NaNoWriMo-Starttag, der einen Monat besessenen Schreibens einleiten soll?

Beides zusammen ergibt den Schreibt!-Raum 3:
Setzen Sie sich hin, ohne Plan, Netz und doppelten Boden. Schreiben Sie die Geschichte, die jetzt geschrieben werden will. Und hören Sie nicht auf, bevor genau 1667-Wörter (= 50 000 geteilt durch 30 Tage) erreicht sind.

Wer das den ganzen November lang jeden Tag machen will, meldet sich beim NaNoWriMo an und lässt sich von der Energie der Gemeinschaft durch sein Vorhaben tragen. Dann kann die Geschichte von heute morgen einfach weitergehen oder es entsteht ein Roman aus einzelnen Geschichten. Alle anderen wiederholen diesen Schreibt!-Raum einfach so oft sie wollen, auch im Dezember und im neuen Jahr.

Übrigens: Dieser Text hat bis hierhin 158 Wörter. Und jetzt geht es los!

Sonntags-Gedicht: Nachtlied

Hey, Mond, Du stehst
in unserm Eck
Willst nicht mal weiter ziehen?
Mein Freund und ich,
dann, wenn Du gehst,
woll’n uns in Ruhe lieben.

Dein Licht erhellt
die dunkle Nacht
macht jedes Geheimnis weg
Wir woll’n doch nur
dass es vollbracht,
genießen rein und pur.

Mensch, Mond, halt ein,
bist halt ’ne Frau
Du störst im Männerbund!
Sonst könnten wir ja auch mit 3n,
Du weißt schon, ja, genau.

Doch Du mit Deinem großen Rund
lässt uns jetzt wieder warten.
Zwei lange Wochen
machst Du Licht
Ach, schleich Dich in den Garten!

Statt am Sonntag am Montag und mit einer Woche Verspätung traue ich mich nun, mein am letzten Sonntag geschriebenes Nachtlied hier öffentlich zu machen. Es entstand im Rahmen eines Schreib-Treffens im Albertinum in Dresden und wurde vor dem Bild „Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“ von C.D. Friedrich von mir verfasst.