Sonntags-Gedicht: Menstruation
Sofarückwand, schwarzes Leder mit Naht
Kirschkernholzschränkchen
Nachtspeicherofen
Ein Amaryllisblatt ragt durch den Vorhang
warmes Gebläse
ein Buch – ich
Sofarückwand, schwarzes Leder mit Naht
Kirschkernholzschränkchen
Nachtspeicherofen
Ein Amaryllisblatt ragt durch den Vorhang
warmes Gebläse
ein Buch – ich
„Unsagbares sagbar zu machen und damit das Wesentliche zum Schwingen zu bringen, ist das Schöne am Gedicht!“
sagt der Dichter Jo Köhler. Da kann ich nur zustimmen und versuche mich gleich an einem neuen Gedicht. Wer noch?
Gestern: 39,2
Heute: 38,6
Morgen: Hoffentlich gesund
Der Mai hat es in sich und der Ohrwurm „Der Mai ist gekommen“ hat offensichtlich schon mehr Leute zum Nachdichten animiert. Gestern habe ich meine – schon vor zwei Jahren entstandene – Version „Schöner Mai“ hier hochgeladen, heute blättere ich den deutschen Lyrikkalender 2012 auf das heutige Datum und finde „Neues Mailied. Zum Mitsingen“ von Max Herrmann-Neisse. Ein Glück, dass ich das Gedicht vorher noch nicht kannte, sonst wäre mir mein Dichtversuch vielleicht langweilig oder stümperhaft vorgekommen.
Das neue Mailied von Herrmann-Neisse (1886 – 1941) beginnt mit den Worten „Der Mai ist zum Kotzen“. Nicht nur für mich ist also auch im Wonnemonat nicht alles nur grün. Wer genug hat von knospendem Aufbruch, süßen Düften, lieblichen Winden und Co. kann das Gedicht im Lyrikkalender oder im großen Lesebuch zum Frühling in der Reihe Fischer Klassik nachlesen.
Der Mai ist gekommen,
der Schornstein raucht nicht mehr.
Haben Schwalben vernommen,
die Fabrik ist staubig, leer.
Der Sonne entgegen,
Maiglöckchen – Düftemeer.
Licht und Wärme, welch Segen,
Mutters Sorgen wiegen schwer.
Die Fenster zerbrechen,
die Bäume schlagen aus.
Lasst ein Pils und nun zechen
zum Vatertag zu Haus.
Unsre Lieder ertönen,
Hartz Vier ist bestellt.
Wie bist du doch schön,
du so nahe, kleine Welt.
(Nach dem Volksliedtext von Emanuel Geibel.)
Vorsicht: Nachricht
Nach den Nachrichten richten
Nachrichtensperre
Bei einem Glas Rotwein bin ich zufällig darüber gestolpert: Bierglaslyrik – eine „Zeitschrift, bei der jeder mitschreiben kann.“ Angeblich entstanden wegen des Rauchverbots soll die Zeitschrift Stammtischgespräche nachbilden: ein Thema, ein Schluck Bier oder zwei und jedeR kann sagen, was er/sie so denkt. Frei von der Leber sozusagen.
In gedruckter Form habe ich die Bierglaslyrik noch nie gesehen, trotz der Nähe zur Schweiz – die Zeitschrift kommt aus Bern – und obwohl eine der AutorInnen der letzten Ausgabe am liebsten das badische Tannenzäpfle trinkt. Doch zum Lesen lässt es sich auch kostenlos als pdf herunterladen. Und die Städte und Beizen, in denen die Lektüre ausliegt, scheinen mehr zu werden.
Schreiben darf jedeR für die Bierglaslyrik, ob es gedruckt wird, entscheidet die Redaktion ganz subjektiv. Die eingereichten Texte sollen maximal eine Seite lang sein und mit dem aktuellen Thema zu tun haben, alles andere ist frei wählbar. Bis zum 29. Februar gibt es noch die Möglichkeit, für die 12. Ausgabe zu Grossstadt zu schreiben. Vielleicht probiere ich das mal aus.
Übrigens: Ob Texte mit Esszett angenommen werden, dazu steht nichts in den Anforderungen. Aber die Beschäftigung mit der Bierglaslyrik hat meinen Schweizer Wortschatz schon erweitert: Gönnerhumpen, Füdlibürger, Bostitch. Ich bin gespannt auf mehr. Prost!