Es gibt verschiedene Schreibtypen, das ist mittlerweile Allgemeingut unter den SchreibdidaktikerInnen. Exzessive Planer und Drauflosschreiber sind die beiden Extremvarianten einer Einteilung in verschieden viele solcher Typen, Näheres habe ich hier schon einmal erläutert.
Nun fiel mir aber noch ein anderer Unterschied zwischen Schreibenden auf, der nicht das Vorgehen betrifft, sondern eher den Ausgangspunkt: All die Dichter und Lyrikerinnen, die ich letzte Woche in ihrem Schaffen und mit ihren Texten kennengelernt habe, scheinen sich in zwei Gruppen einteilen zu lassen: diejenigen, deren Schreiben irgendwie aus ihrem Leben kommt, und die anderen, die sich aus der Beschäftigung mit Literatur heraus dem Selberschreiben zuwenden. Mir fiel das deshalb auf, weil für mich die Werke großer Literaten eher einschüchternd wirken, so dass ich dann gar nicht mehr zu schreiben wage. Erst im zweiten Schritt, nachdem ich schon eine Reihe von Gedichten verfasst hatte, habe ich damit begonnen, mich auch mit der schon bestehenden Lyrik zu beschäftigen.
Andere machen es anders, sie sagen: Ich habe immer schon sehr viel gelesen. Die Sprache von X, die Gedichte von Y haben mich so fasziniert, dass ich selbst das Dichten probieren wollte. Spannend, dass es so auch funktionieren kann. Ich nämlich tue mir schon schwer zu schreiben, wenn ich als Anregung ein Gedicht vorgelegt bekomme, weil ich dieses Gedicht als Vorbild wahrnehme, dem ich sowieso nicht nacheifern kann. Doch offensichtlich gibt es LyrikerInnen, die auch durch das Lesen der Werke anderer zu ihrem eigenen Stil und Inhalt finden.
Um nicht missverstanden zu werden: Selbstverständlich finde ich es wichtig, die Tradition zu kennen, in der man dichtet, und seinen eigenen lyrischen Horizont durch das Lesen vieler unterschiedlicher DichterInnen zu erweitern. Ebenso wenig sage ich, meine Gedichte und die von anderen, die denselben Ausgangspunkt genommen haben wie ich, sind biografisch – zumindest nicht biografischer als alle Gedichte, denn Lyrik hat wohl immer was mit dem eigenen Erleben zu tun. Wahrscheinlich nähern sich die beiden Wege im Laufe der Zeit einander an. Doch für das Unterrichten scheint es mir hilfreich zu wissen, dass unterschiedliche Herangehensweisen zum eigenen Gedicht (vielleicht auch zu eigenen Geschichten?) führen.