Fahndungshilfe für formsache feigl

Formsache feigl hat ein neues Projekt gestartet mit einem Aufruf: Wer kennt diesen Mann? – Scheiße, von dem habe ich gehört. Da muss ich mithelfen. Sachdienliche Hinweise von mir an Wer kennt Jean Paul?:

Der Name
entfernt bekannt
irgendwas läutet

Wahrscheinlich Schulerinnerung

Dann im März d. J.
eine Dame
wichtig
sie sagt es ehrfürchtig
heilig
eindringlich

Will mich nach Franken locken
wohin genau vergessen
wegen ihm
Jean Paul
Geburtstag
wichtig
großer Geburtstag
wie viel genau vergessen
Franken

Nicht nur mich
viele
sehr viele
an diesen Ort
oder daneben
Spurensuche schreibend
und wandernd
vielleicht imitierend
nur weil es sich anböte

Wer
um Himmels willen
ist dieser Jean Paul
und wer
ist die Frau
die ihn so verehrt

Ich will da nicht hin
die anderen auch nicht
kennt keiner ihn
liebt keiner ihn
wer hat ihn gelesen
sie?
sie

Wäre sie nicht
wie sie ist
vielleicht läse ich
Jean Paul
aber sie ist
zu penetrant
zu heilig

Ich vergesse den Namen
das Werk
Franken

Zum Schreiben
will ich lieber
ins Elsass
wie die anderen
andere Spuren
suchen
wandern und reisen
in meinen Worten

(Wer sich über den für mich ungewöhnlichen Schreibstil wundert: Der kommt wohl von feigl, nicht von JP. Oder?)

Gedichte, Lyrik, Poesie

Was ist ein Gedicht? Ist es dasselbe wie Lyrik? Sind Gedichte poetisch?
Ich kann es nicht klar definieren, doch mache ich bei meinen eigenen Texten feine Unterschiede – nicht lachen, Ihr, die Ihr mich an der Stelle bereits kennt.

Im Rahmen von Kursen in Kreativen Schreiben sage ich, was ich von irgendjemand geklaut habe, ohne noch zu wissen von wem: Ein Gedicht ist ein Text, bei dem die Zeilen nicht vollgeschrieben worden sind. Das dient dazu, die Scheu vor dem Dichten zu nehmen, auch wenn ich weiß, so einfach funktioniert es nicht. Obwohl: Zeilenumbrüche sind schon ein sehr wichtiges Merkmal von Gedichten. Bei meinen eigenen Gedichten nehme ich mir für diese Frage sehr viel Zeit: Die Zeilenumbrüche sollten rhythmisch stimmen, mit einer Sprechpause einhergehen, dazu soll das Gedicht „schön“ und „richtig“ aussehen und manchmal kann man es sogar schaffen, durch geschickte Umbrüche Doppeldeutigkeiten entstehen zu lassen.

Trotz der Genauigkeit an der Stelle, ist „Gedicht“ für mich der profanere Ausdruck, die „höhere“ Form nenne ich „Lyrik“. Lyrik ist in der Regel ungereimt, immer ernst, vielleicht sogar tiefsinnig. Und poetisch, wobei ich Poesie am allerwenigsten greifen kann. Gedichte schreiben bekomme ich hin, im Zweifel veröffentliche ich sie unter „Spielerisches“, wenn mir selbst der Begriff Gedicht zu groß erscheint. Zur Lyrikerin würde ich gerne werden.

Aber vielleicht … Was ist ein Gedicht? Was ist Lyrik? Und ist es vielleicht doch ein und dasselbe? Meine Erkundungen gehen weiter.

Warum schreiben? – Kurzbemerkung

Man kann ein Bild auch tot malen, habe ich letztens gehört.

Deshalb schreibe ich.

Solange ich beim Experimentieren, Ändern, Überarbeiten häufig genug speichere, kann ich jederzeit wieder auf eine vorherige, lebendigere Version zurückkommen. Speicherplatz kostet ja kaum noch etwas.

Nur merken muss ich es, wenn ich einen Text tot geschrieben habe.

Sonntags-Gedicht: Selbstanamnese einer Lyrikerin

Agoraphobie
Borreliose
Cholera

Depression, Demenz, Dekubitus
Erregungsstörungen
Fibromatose
Gelbsucht
Hysterie

Irritierbarkeit
Ja-Sage-Tendenz
Karies

Lippenherpes
Masern und Mumps
Nierenbeckenentzündung
Ohrenweh

Prosopagnosie
Querulanz
Rastlosigkeit
Sakrokoxalgie

Tollwut
Urteilsvermögen, eingeschränkt
Verdauungsinsuffizienz
Wassereinlagerungen
X-Beine
Y-Wort-Findungs- und
Zwangsstörung.

(Dieses Gedicht von letzter Woche hier, weils grad irgendwie so gut zum Beitrag von gestern passt.)

Schreibtypen – mal anders gedacht

Es gibt verschiedene Schreibtypen, das ist mittlerweile Allgemeingut unter den SchreibdidaktikerInnen. Exzessive Planer und Drauflosschreiber sind die beiden Extremvarianten einer Einteilung in verschieden viele solcher Typen, Näheres habe ich hier schon einmal erläutert.

Nun fiel mir aber noch ein anderer Unterschied zwischen Schreibenden auf, der nicht das Vorgehen betrifft, sondern eher den Ausgangspunkt: All die Dichter und Lyrikerinnen, die ich letzte Woche in ihrem Schaffen und mit ihren Texten kennengelernt habe, scheinen sich in zwei Gruppen einteilen zu lassen: diejenigen, deren Schreiben irgendwie aus ihrem Leben kommt, und die anderen, die sich aus der Beschäftigung mit Literatur heraus dem Selberschreiben zuwenden. Mir fiel das deshalb auf, weil für mich die Werke großer Literaten eher einschüchternd wirken, so dass ich dann gar nicht mehr zu schreiben wage. Erst im zweiten Schritt, nachdem ich schon eine Reihe von Gedichten verfasst hatte, habe ich damit begonnen, mich auch mit der schon bestehenden Lyrik zu beschäftigen.

Andere machen es anders, sie sagen: Ich habe immer schon sehr viel gelesen. Die Sprache von X, die Gedichte von Y haben mich so fasziniert, dass ich selbst das Dichten probieren wollte. Spannend, dass es so auch funktionieren kann. Ich nämlich tue mir schon schwer zu schreiben, wenn ich als Anregung ein Gedicht vorgelegt bekomme, weil ich dieses Gedicht als Vorbild wahrnehme, dem ich sowieso nicht nacheifern kann. Doch offensichtlich gibt es LyrikerInnen, die auch durch das Lesen der Werke anderer zu ihrem eigenen Stil und Inhalt finden.

Um nicht missverstanden zu werden: Selbstverständlich finde ich es wichtig, die Tradition zu kennen, in der man dichtet, und seinen eigenen lyrischen Horizont durch das Lesen vieler unterschiedlicher DichterInnen zu erweitern. Ebenso wenig sage ich, meine Gedichte und die von anderen, die denselben Ausgangspunkt genommen haben wie ich, sind biografisch – zumindest nicht biografischer als alle Gedichte, denn Lyrik hat wohl immer was mit dem eigenen Erleben zu tun. Wahrscheinlich nähern sich die beiden Wege im Laufe der Zeit einander an. Doch für das Unterrichten scheint es mir hilfreich zu wissen, dass unterschiedliche Herangehensweisen zum eigenen Gedicht (vielleicht auch zu eigenen Geschichten?) führen.

Meisterschülerin. Ich!

Ich merke, ich mache es spannend. Für mich selbst am meisten. Seit ein paar Tagen verstecke ich das Schlagwort „Kunstsommer Irsee“ unter manchen Beiträgen, gestern schrieb ich, dass ich dort weilte. Jetzt werde ich deutlich, mir scheint, ich bin es jemandem schuldig:

Vom 4. bis 12. August war ich Meisterschülerin bei der Sommerakademie der schönen Künste in Kloster Irsee. Was genau es damit auf sich hat, lässt sich auf der Homepage oder im gestern verlinkten Blog von Sophie Paulchen nachlesen – aus zwei unterschiedlichen Perspektiven. Ich wurde aufgrund meiner Bewerbung mit zehn meiner Gedichte für die Klasse von Nora Gomringer zugelassen, die unter dem Motto „Alle Lyrik ist Mundwerk“ stand.

„Meisterschülerin, Lyrikerin, Werk, Dichterin, Künstlerin“ – alles Worte, die nur schwer aus meinem Mund kommen. Und doch war es das. Ich habe in dieser Woche unendlich viel gelernt. Übers Schreiben und Lesen, über Lyrik und Dichtung, über Sprechen, In-Szene-Setzen und Passieren-Lassen, über Worte und Raum. Ich habe von Nora gelernt (ganz herzlichen Dank für Dein riesiges Engagement und dass Du Dein Wissen und Erleben so bereitwillig mit uns geteilt hast), von den anderen neun LyrikerInnen und von den MeisterInnen und SchülerInnen der anderen Klassen. Nun weiß ich, dass in der Fotografie, der abstrakten Malerei oder anderen Künsten vieles ganz ähnlich ist wie beim Dichten.

Noch bin ich damit beschäftigt, alles Erlebte zu ordnen, nachwirken zu lassen, die unzähligen Impulse festzuhalten. Mir scheint, mir ist eine Poetisierung geschehen. Nun gilt es dran zu bleiben und aus einigen Gedanken, Ideen, Sprachbildern Gedichte zu bauen, die funktionieren. Daneben zeigt sich unscharf ein Weg, mein Weg. Ich hoffe, ich habe den Mut, ihn zu betreten, zu erkunden, weiter zu gehen. Gestern las ich wenig überzeugt Gedichte im Slam-Poeten-Treffen vor, heute kaufte ich mir spontan entschieden ein neues Kleid.