Schreibsteine, in den Weg gelegt

Sophie hat es getan und ich merke, wie ich neidisch werde: 8 Tage in Irsee dichten, 8 Tage Inspiration unter Schreibenden, Malenden, Singenden, … 8 Tage dem Alltag entfliehen und in Kunstwelten eintauchen. Ich habe mich nicht beworben, weil mein Urlaub schon geplant war, weil … Ja, warum eigentlich nicht. Nun beschäftige ich mich hier mit Kinderschuhe- und Schulsachen-Kauf, Verwaltungstätigkeiten und Familienurlaubsvorbereitung. Die Poetisierung des Alltags ist weit entfernt. Ob ich mich im nächten Jahr wieder traue? Ob ich mir poetische Inseln inmitten des Anderen schaffe?

Im Bregenzerwald haben wir einer plötzlichen Eingebung folgend Schreibsteine aus der Ach gefischt. Meiner sieht so aus:

Schreibstein
Schreibstein

Das Blatt ist weiß geblieben, der Stein liegt unbeachtet auf dem Notizbuch. Der Stein, der zum Schreiben inspirieren sollte, hat sich dem Schreiben in den Weg gelegt. Beim Wiederentdecken reift der Entschluss: Stein und Notizbuch wandern mit in die Berge. Erholung beim Schreiben steht auf dem Programm. Damit der Neid kein neues Futter erhält.

Mittwochs-Gedicht: Piano

Unter der Brücke mit Großstadtflair
(Gleich neben dem Radweg, zwischen
Rheinstrand und Pizzadienst)
der Klavierspieler
und ein unbekannter Herr Violinist
Den unvorbereiteten Zuhörern drückt
das Gitter Quadratmuster auf (am Po)
Während der Himmel sich verdunkelt
Wunscherfüllung inklusive vor
während und nach Gewittersturm

 

(Schon wieder eine längere Schreibpause auf diesem Blog. Doch die Zeit unter der Brücke war zu poetisch, um sie nicht festzuhalten.)

Freitags-Gedicht: Bergwanderung

Über mir und dem Tal

kreisen friedlich und bunt

zwölf Gleitschirmflieger

Windstärke 8

Über mir und dem Tal

kreisen friedlich und bunt

drei Gleitschirmflieger

Dieses Bulldozer-Gedicht ist vor genau sechs Tagen in Zusammenarbeit mit anderen Schreiberinnen im Bregenzerwald entstanden.

Schreiben fürs Schaufenster – eine Antwort

Schon fast vier Wochen ist es her, dass Lucia ihren Beitrag mit dem Titel „Schreiben fürs Schaufenster“ veröffentlicht hat. Seither denke ich immer wieder darüber nach. Lucia endet mit der Frage: „Reicht mir das Schreiben hier auf dem Blog oder will ich mehr erreichen?“.

Das „mehr erreichen“ lässt mich aufmerken, weckt meinen Widerspruchsgeist. Es scheint, als ob Blogschreiben weniger toll, weniger wertvoll, Spielerei sei. Ob das für Lucia oder andere BloggerInnen gilt oder allein meine Wertung ist, bleibt dabei offen. Nach einigem Grübeln wird mir klar: Für mich geht es nicht um mehr oder weniger. Es geht auch nicht um die Frage, ob ich überhaupt schreiben will. Zentral ist dennoch: Was will ich mit meinem Schreiben erreichen? Wohin soll mich die Schreiberei führen?

Eine endgültige Antwort auf diese Frage habe ich noch nicht gefunden. Aber ich merke, es hat sich etwas geändert. Kreative Schreibwerkstätten, lustige Schreibspiele, Drauflosschreiben auf einen Impuls hin in der Gruppe, Vorleserunde und weiter zum nächsten Text – dies hat mir lange Zeit sehr viel Spaß gemacht. Mittlerweile reicht mir das nicht mehr, will ich anderes. Insofern geht es bei mir vielleicht wie bei Lucia auch um ein wie auch immer geartetes „mehr“.

Mittwochs-Gedicht: Verhärtet

Überschuss von Wut
Tropfen alter Verletzungen
An der Wand
Nicht-gerichtetes Fließen

Dies ist das „Fenster-zur-Kunst-am-Bau-Gedicht“. Es entstand im Dezember 2008 und gehört somit zu den ersten meiner Gehversuche als Dichterin. Spannend ist, dass ich bei dieser Schreibmethode kaum eigene Worte hinzufüge, sondern mit so wenig Zusatzmaterial wie möglich die mir gegebenen Worte zu einem Ganzen verbinde.

 

Tanzimprovisation und Kreatives Schreiben …

zu verbinden, das führte zu dem Text „Getanzte Worte“, der hier jetzt so lange ganz oben stehen durfte. Nun will ich die Erklärung, wie es dazu kam, noch nachreichen. Denn möglicherweise gibt es noch mehr Menschen, die in ihrer Freizeit beides gerne machen.

Wir verbanden eine Aufgabe aus der Tanzimpro – eine tanzt, ohne Musik, „ihren“ Tanz, eine andere beobachtet, nimmt teil und wahr – mit einer Aufgabe aus dem Kreativen Schreiben. Als Methode „Fenster zur Kunst“ habe ich das von Claus Mischon kennengelernt und so schon zu einer Kunst-am-Bau-Wand geschrieben. Ob das gleichnamige Buch genau das selbe Vorgehen vorschlägt, habe ich nie nachgelesen. Wir jedenfalls haben, während die Partnerin tanzte, vor uns hingekritzelt, versucht das Beobachtete mit Linien, Bild und Worten festzuhalten. Danach hat die Beobachterin der Tänzerin aus dem Wortmaterial fünf Worte oder Satzteile als Material angeboten, aus der diese einen freien Text zum eigenen Tanz schrieb.

Spannende Texte sind dabei entstanden, die Atmosphäre war so intensiv, dass es fast unheimlich war. Mehr Gedichte entstanden, aber auch kurze Prosa, teils bestanden sie großteils aus Bewegungs- und Raumworten, teils waren sie reich an Bildern. Alle haben sie uns so inspiriert, dass wir die Texte mit in eine folgende Improvisation in der Gruppe genommen haben, die gleichermaßen sprachgewaltig und tanzbetont war und vor allem riesig viel Spaß machte.

Immer wieder

Ob ich schreibe oder nicht schreibe, es lässt mich nicht los, das Schreiben. Nachdem ich nun seit Wochen pausiert und den Mai-Frapalymo habe vorbeiziehen lassen, nachdem die WordPress-Software aktualisiert ist und dann auch wieder Deutsch gelernt hat, nachdem ich bei einem Schreibweiberwochenende Schreibluft schnuppern durfte, Gedanken sowie Beine bewegte und Finger und Zehen in kreative Bergbäche tauchte, bin ich wieder da. Zumindest bis zum Sommerurlaub. Und immer wieder.