NaNoWriMo – Start morgen

Für alle, die davon träumen, einen Roman zu schreiben, aber irgendwie nicht in die Pötte kommen, fällt heute um Mitternacht der ultimative Startschuss. Der National Novel Writing Month, der schon lange ein international writing month ist, läuft vom 1. bis 30. November. Welcher Monat des Jahres könnte besser geeignet sein, um einen 50 000-Wörter-Roman zu schreiben, als der trübe November?
Spielregel ist, am 1.11. etwas neues zu beginnen und die besagten 50 000 Wörter dazu zu schreiben. Der innere Kritiker hat bei so einem Vorhaben nichts zu melden. Um bei der Stange zu bleiben gibt es virtuelle und reale Unterstützung, in der deutschen NaNoWriMo-Gemeinschaft von Regina, Karin und Micha.

Hätte ich in einem Jahr einmal Zeit, einen Monat lang dem Schreiben Vorrang vor allem anderen zu geben, würde ich vielleicht auch einmal einen Roman schreiben. So wird es wohl bei Gedichten, Blogbeiträgen und Kurztexten bleiben.

Arbeitsteilung beim Schreiben

Ist kreatives Schreiben nur kreativ und wissenschaftliches oder berufliches Schreiben gar nicht? So zugespitzt sagt wahrscheinlich jeder nein, doch im Schreiballtag fühlt es sich manchmal anders an.

Ich gehe davon aus, dass jeder Schreibprozess beides braucht, das kreative und das formale. Kreativ geschriebene Texte profitieren von klarer Struktur und Überarbeitungen auf allen Ebenen genauso wie ein Sachtext Neues, Lebendiges, Ungewöhnliches verdient. Deshalb gelingt Schreiben immer dann, wenn der Autor/ die Autorin zwei entgegengesetzte Haltungen einnimmt: die Haltung des Künstlers und die des Kritikers.

Der Künstler in Ihnen produziert viele Ideen, stellt auch ungewöhnliche Verbindungen her, kann ansprechend und schön gestalten und ist manchmal ein wenig verrückt. Der Kritiker schaut ganz genau hin, verwirft, verbessert, strukturiert; er hat die Regeln im Kopf und verliert das Ziel und den Rahmen nicht aus den Augen. Die beiden kommen nicht gut miteinander aus, weil sie so verschieden sind, und können sich gegenseitig blockieren. Dann wird Schreiben schwer. Deshalb geht es darum klar zu haben, wer wann ans Ruder darf und wer in der aktuellen Schreibphase besser einen Kaffee trinken gehen soll.

Der Kritiker mit seinem Perfektionismus verhindert oft, dass wir überhaupt anfangen zu schreiben. Ist der Künstler zu aktiv, findet kaum ein Leser Zugang zu unserem Text, hält er sich ganz raus beim Schreiben, kann es sein, dass wir selbst vor Langeweile einschlafen. Also sollten wir Künstler und Kritiker zu einer produktiven Zusammenarbeit bewegen. Manchmal hilft es, dem zurückhaltenderen von beiden einen bestärkenden Brief zu schreiben, oder die beiden in einem Dialog ihre Zusammenarbeit selbst miteinander aushandeln zu lassen.
Und dann entstehen Texte, die klar und einfallsreich, anschaulich und strukturiert, korrekt und überraschend sind.

Literatur in 5 Minuten – ein Buchtipp

Die längste Geschichte, die ich je geschrieben habe, war fünf oder sechs Seiten lang; wenn eine Geschichte abgetippt auf zwei Seiten kommt, bin ich schon über dem Durchschnitt. Nun habe ich vor längerem beschlossen, ich bin halt keine Geschichtenschreiberin und Gedichte sind meine Welt.
Irgendwo in meinem Hinterkopf schlummert dennoch der Gedanke, erzählen, Geschichten schreiben zu wollen. Und so kam mir das Buch „Literatur in 5 Minuten. Ein Schnellkurs“ von Roberta Allen gerade recht. Es ist 2002 bei Zweitausendeins in deutscher Übersetzung erschienen und nur noch antiquarisch erhältlich.
Roberta Allen ist Schriftstellerin und bildende Künstlerin sowie Dozentin für Creative Writing. Sie schlägt vor, Küzestgeschichten zu schreiben, wobei sie eine Reihe Kürzestgeschichten als Beispiele vorstellt und versucht, die Kürzestgeschichte zu definieren und zu erläutern.
Für mich ist nicht wesentlich, was genau eine Geschichte zu einer Kürzestgeschichte macht. Ich will einen Ansatz finden, wieder ins Erzählen zu kommen. Dafür gibt mir Roberta Allen eine genaue Anleitung. Innerhalb von fünf Minuten soll die Geschichte aufs Papier fließen. Ohne Anstrengung, ohne Zensur, ohne Ablenkung. Fünf Minuten lang ist es möglich, die ganze innere Energie aufs Schreiben zu verwenden, so dass das, was erzählt werden will, von der ganz eigenen Stimme erzählt wird. Fünf Minuten reichen nicht aus, um darüber nachzudenken, ob die Geschichte gut ist, um sich zu sorgen, Fragen zu stellen, großen Vorbildern nachzueifern. Wenn es gelingt, steht nach fünf Minuten eine komplette Geschichte auf dem Papier – kaum mehr Zeit als fürs morgendliche Zähneputzen. Gelingt es nicht, sind nur fünf Minuten vergangen und ich kann mich der nächsten Übung zuwenden.
Roberta Allen belässt es in diesem Buch nicht bei der Anleitung für die 5-Minuten-Übungen, sondern macht auch Vorschläge, wie mit den entstandenen Texten weiter gearbeitet werden kann, um sie zu überarbeiten und zu schleifen. Außerdem stellt sie Möglichkeiten vor, wie 5-Minuten-Übungen beim Schreiben von längeren Geschichten bis hin zu Romanen eingesetzt werden können. Sehr gut gefällt mir, dass sie die Übungstexte danach bewertet, wie viel Energie sie enthalten: Auf einer Skala von 1 bis 10 soll die Intensität der Geschichte – zunächst unabhängig von sprachlichem – eingeschätzt werden. Lieber eine neue 5-Minuten-Übung schreiben, als stundenlang an totem Material herumzudoktern.
Das beste an dem Buch ist aber der Mittelteil, der über 300 Themen für die Übungen liefert. Und bevor ich hier nun noch weitere Minuten tippe, schlage ich irgendwo blind das Buch auf, nehme das Thema rechts in der achten Zeile von unten und schreibe. Ob ich in fünf Minuten eine Geschichte mit Energie vor mir habe?

Drei Minuten für 26 Ideen

Klare Vorgaben, Regeln und Zeitdruck ermöglichen Kreativität. Jeder kennt es: Will ich irgendwann einmal in meinem Leben einen Roman schreiben, beginne ich wahrscheinlich nie damit – außer ich erfahre, ich habe nur noch X Wochen zu leben? Muss aber in zwei Stunden das Papier mit meinen Vorschlägen zur Projektgestaltung abgegeben werden, das über eine eventuelle Bonuszahlung für dieses Jahr mitentscheidet, fließen die Worte nur so. Klare, wenn auch vielleicht unsinnige Regeln helfen dabei, die Ideen erst einmal unzensiert aufzuschreiben. Denn der innere Kritiker oder Zensor ist damit beschäftigt, die Einhaltung der Regeln zu überwachen, und kann deshalb nicht bei jeder Idee sein vernichtendes Urteil abgeben.
Eine Möglichkeit schnell viele Ideen oder Gedanken zu sammeln, ist es, ein ABCdarium zu schreiben: Zu jedem Buchstaben des Alphabets wird ein Wort oder Satz gesucht, der damit beginnt. Solche ABCdarien können Schreibideen liefern, Vorwissen oder Vorurteile bewusst machen, Lösungen für Probleme anbieten oder zu einem Listengedicht werden. Um den Zeitfaktor mit einzubauen, kann man sich den Wecker auf drei Minuten stellen oder mit jemand anderem um die Wette schreiben oder auch jedes Mal die Zeit stoppen, wie lange man braucht, um seine persönliche Bestzeit immer wieder zu übertreffen (nach spätestens 10 Minuten würde ich jedoch auf jeden Fall aufhören).
Kommen in drei Minuten zwanzig bis sechsundzwanzig Ideen zusammen und ist eine einzige dabei, die so gut ist, dass sie weiter verwendet werden kann, ist die Produktivität dieser Methode schon besser als sie normalerweise so ist. Und wenn alles nichts hilft, kann man immer noch ein Schimpfwörter-ABCdarium schreiben.