Sonntags-Gedicht: Erntedank
Erbsen
Rosenkohl
Nektarinen
Trauben
Endivie
Dinkel
Apfel
Naturtrüber Saft
Kraut
oder:
Ernte reicht natürlich, Tausende essen
dankbar, aber nur kurz
Erbsen
Rosenkohl
Nektarinen
Trauben
Endivie
Dinkel
Apfel
Naturtrüber Saft
Kraut
oder:
Ernte reicht natürlich, Tausende essen
dankbar, aber nur kurz
Wenn auch Hermann Hesse angeblich einmal gesagt hat: „Das Machen schlechter Gedichte ist viel beglückender als das Lesen der allerschönsten“ – und ganz häufig halte ich mich genau daran – halte ich dagegen: Statt am Zusammenstöpseln von Worten und Bildern zu gedichtähnlichen Texten beglückige ich mich mindestens einmal die Woche lieber am Poetryletter.
Heute war es wieder so weit. Immer am Montag oder Dienstag flattert ganz unverhofft zwischen all die seriöse Computerpost eine Insel der Poesie, eine Gelegenheit zum Durchatmen, Anschauen, Lesen und Genießen. Die Wochenpost von Fixpoetry enthält als Herzstück ein Gedicht mit Bild – oder ein Bild mit Gedicht. Wunderschön gestaltet. Als „Experiment“ bezeichnet Julietta Fix, die Macherin dieses Projekts, die Poetryletter, als „abenteuerlicher Transport von Worten und Bildern, in den wir uns kopfüber stürzen und nie wissen, wie er ausgeht, wie er ankommt, ob er verstanden wird“ (Fixpoetry Wochenpost 200 vom 13.09.2011). Ein Begegnung aus Wort- und Bildkunst, die nun schon 202 mal stattgefunden hat.
Wer mehr Zeit der aktuellen Lyrik widmen will, wird auf der Homepage von Fixpoetry fündig: Vor allem die Autorenbücher mit biografischen und bibliografischen Angaben und einer Auswahl von Gedichten laden mich immer wieder zum Schmökern ein. Und wer mehr als einmal pro Woche eine Dosis Poesie wünscht, findet sie beim Gedicht des Tages auf der Startseite.
Die längste Geschichte, die ich je geschrieben habe, war fünf oder sechs Seiten lang; wenn eine Geschichte abgetippt auf zwei Seiten kommt, bin ich schon über dem Durchschnitt. Nun habe ich vor längerem beschlossen, ich bin halt keine Geschichtenschreiberin und Gedichte sind meine Welt.
Irgendwo in meinem Hinterkopf schlummert dennoch der Gedanke, erzählen, Geschichten schreiben zu wollen. Und so kam mir das Buch „Literatur in 5 Minuten. Ein Schnellkurs“ von Roberta Allen gerade recht. Es ist 2002 bei Zweitausendeins in deutscher Übersetzung erschienen und nur noch antiquarisch erhältlich.
Roberta Allen ist Schriftstellerin und bildende Künstlerin sowie Dozentin für Creative Writing. Sie schlägt vor, Küzestgeschichten zu schreiben, wobei sie eine Reihe Kürzestgeschichten als Beispiele vorstellt und versucht, die Kürzestgeschichte zu definieren und zu erläutern.
Für mich ist nicht wesentlich, was genau eine Geschichte zu einer Kürzestgeschichte macht. Ich will einen Ansatz finden, wieder ins Erzählen zu kommen. Dafür gibt mir Roberta Allen eine genaue Anleitung. Innerhalb von fünf Minuten soll die Geschichte aufs Papier fließen. Ohne Anstrengung, ohne Zensur, ohne Ablenkung. Fünf Minuten lang ist es möglich, die ganze innere Energie aufs Schreiben zu verwenden, so dass das, was erzählt werden will, von der ganz eigenen Stimme erzählt wird. Fünf Minuten reichen nicht aus, um darüber nachzudenken, ob die Geschichte gut ist, um sich zu sorgen, Fragen zu stellen, großen Vorbildern nachzueifern. Wenn es gelingt, steht nach fünf Minuten eine komplette Geschichte auf dem Papier – kaum mehr Zeit als fürs morgendliche Zähneputzen. Gelingt es nicht, sind nur fünf Minuten vergangen und ich kann mich der nächsten Übung zuwenden.
Roberta Allen belässt es in diesem Buch nicht bei der Anleitung für die 5-Minuten-Übungen, sondern macht auch Vorschläge, wie mit den entstandenen Texten weiter gearbeitet werden kann, um sie zu überarbeiten und zu schleifen. Außerdem stellt sie Möglichkeiten vor, wie 5-Minuten-Übungen beim Schreiben von längeren Geschichten bis hin zu Romanen eingesetzt werden können. Sehr gut gefällt mir, dass sie die Übungstexte danach bewertet, wie viel Energie sie enthalten: Auf einer Skala von 1 bis 10 soll die Intensität der Geschichte – zunächst unabhängig von sprachlichem – eingeschätzt werden. Lieber eine neue 5-Minuten-Übung schreiben, als stundenlang an totem Material herumzudoktern.
Das beste an dem Buch ist aber der Mittelteil, der über 300 Themen für die Übungen liefert. Und bevor ich hier nun noch weitere Minuten tippe, schlage ich irgendwo blind das Buch auf, nehme das Thema rechts in der achten Zeile von unten und schreibe. Ob ich in fünf Minuten eine Geschichte mit Energie vor mir habe?
Aus gegebenen Anlass ein Zevenaar zu diesem September-Sonntag:
Mainau
Auf der Insel
suche ich blinzelnd die Sonne
Erblicke die Fähre,
die ganz neue schwimmt
Baut Brücken zwischen Alltag und Urlaub.
Auf der Insel
suche ich blinzelnd die Sonne
Der Kidsville-Schreibkick-Automat (und die Mail einer lieben Freundin) haben mich auf eine Idee gebracht: Hier soll es auch Schreibkicks geben. Für Erwachsene und solche, die es werden wollen, für Menschen, die gerne schreiben und trotzdem nie dazu kommen, die eben einen Kick brauchen.
Eine kurze Gedichtform, die ich gerade sehr gerne habe, ist das Zevenaar (Siebenzeiler, aus dem Niederländischen zeven = sieben). Die sieben Zeilen sind so aufgeteilt:
1. Zeile: ein Ort
2. Zeile: ein Ich-Satz mit einer Tätigkeit
3. Zeile: ein Detail
4. Zeile: eine Erweiterung des Details
5. Zeile: eine Frage oder ein Vergleich
6. Zeile: Wiederholung der 1. Zeile
7. Zeile: Wiederholung der 2. Zeile
Sie müssen sich also nur fünf Zeilen ausdenken, die noch nicht mal lang sein müssen (Gedicht = Text, bei dem die Zeilen nicht voll geschrieben sind), und reimen muss sich ein Zevenaar auch nicht. Investieren Sie doch fünf Minuten für ein Gedicht zu dem Ort, an dem Sie jetzt gerade am liebsten wären. Und wer möchte, kann das Gedicht als Kommentar hier hochladen.
Auf verschlungenen Wegen kam ich heute nach Kidsville, der „Mitmachstadt für Kinder im Internet“. Hier gibt es das Atelier Schreibspaß, bei dem Kinder selbst geschriebene Geschichten und Gedichte hochladen und die von anderen Kindern kommentieren können. Doch damit nicht genug: Der Schreibkurs gibt die wichtigsten Tipps zum Schreiben, von Notizbüchern über Figurenentwicklung und Dialoge bis hin zum Lesen. Man kann durch „Lücken bestücken“ vom Computer eine Geschichte schreiben lassen oder Quatscherklärungen zu Fußballbegriffen einsenden bzw. lesen.
Was für Kinder gut ist, kann für Erwachsene nicht schlecht sein. Natürlich will ich nicht dazu aufrufen zu versuchen, die Kinderseiten mit Erwachsenentexten zu unterwandern. Aber warum nicht morgens, so lange alle Kinder in der Schule sind, oder nachts, wenn sie schlafen, mit dem Tipp-Trainer selbst das 10-Finger-System üben? Und gute Ideen zum Schreiben finden auch Erwachsene bei den „Schreib-Kicks„. Nach dem Zufallsprinzip spuckt der Schreib-Kick Automat wahlweise Ideen für Geschichten oder Gedichte, Anfangssätze, Wörter, Schreibspiele oder Übungen aus. Vielleicht auch für mich eine Anregung, mal wieder etwas zu schreiben.
Sonntag
Ein Gedicht
schreibt sich allein
Wenn ich den Stift
ergriffe.