Mittwochs-Gedicht: Piano

Unter der Brücke mit Großstadtflair
(Gleich neben dem Radweg, zwischen
Rheinstrand und Pizzadienst)
der Klavierspieler
und ein unbekannter Herr Violinist
Den unvorbereiteten Zuhörern drückt
das Gitter Quadratmuster auf (am Po)
Während der Himmel sich verdunkelt
Wunscherfüllung inklusive vor
während und nach Gewittersturm

 

(Schon wieder eine längere Schreibpause auf diesem Blog. Doch die Zeit unter der Brücke war zu poetisch, um sie nicht festzuhalten.)

Freitags-Gedicht: Bergwanderung

Über mir und dem Tal

kreisen friedlich und bunt

zwölf Gleitschirmflieger

Windstärke 8

Über mir und dem Tal

kreisen friedlich und bunt

drei Gleitschirmflieger

Dieses Bulldozer-Gedicht ist vor genau sechs Tagen in Zusammenarbeit mit anderen Schreiberinnen im Bregenzerwald entstanden.

Mittwochs-Gedicht: Verhärtet

Überschuss von Wut
Tropfen alter Verletzungen
An der Wand
Nicht-gerichtetes Fließen

Dies ist das „Fenster-zur-Kunst-am-Bau-Gedicht“. Es entstand im Dezember 2008 und gehört somit zu den ersten meiner Gehversuche als Dichterin. Spannend ist, dass ich bei dieser Schreibmethode kaum eigene Worte hinzufüge, sondern mit so wenig Zusatzmaterial wie möglich die mir gegebenen Worte zu einem Ganzen verbinde.

 

Montags-Gedicht: Bewegte Frauen

Neun Frauen wollen hüpfen,
neun Frauen woll’n sich drehn.
Was soll das Schreiben nützen,
was wollen sie nur sehn.

In Sophies Reihe „lyrische formen von a bis z“ steht schon seit über einer Woche ein „Clerihew“ aus, also ein vierzeiliges gereimtes Scherzgedicht. Nun ergab es sich spontan, dass bei der Jahrestagung des Segeberger Kreises diese Reime entstanden. Eigentlich ging es darum, ein „Bewegungsgedicht“ zu schreiben, ein Text, dessen innere Bewegung eine vorher festgelegte Form hat. Dies war mir in dem Moment zu schwierig und es entstanden Verse, die sich clerihew-mäßig reimen und scherzhaft sind, wenn sie auch nicht „eine bekannte Person auf die Schippe“ nehmen, wie es für ein Clerihew charakteristisch ist. Ich meine: Das gilt trotzdem.

Montags-Gedicht: Ballade von der unermüdlichen Lyrikerin

Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,
Dass sie nur dichten will;
Die Mitternachtsglocken schon läuten,
Die Muse hält einfach nicht still.

Im Zimmer ists kühl, und sie gähnet,
Doch weiter fließt der Reim;
Bis ihr Gesicht eine Träne
Vor Rührung suchet heim.

Ihr treuester Leser sitzet
Am Laptop irgendwo,
Sein Brusthaar ziemlich schwitzet,
Er traut sich kaum mehr aufs Klo.

Er hängt an ihren Versen
Bezaubert von ihrer Kunst;
Sie hat im hessischen Zersen
Alleine seine Gunst.

Den Leser am anderen Ende
Von Deutschland packt der Neid;
Es kommt zur erschreckenden Wende,
Es kommt zu sehr großem Leid.

Ich glaube, er übt endlich Kritik,
Wirft Laptop und sich vor die Bahn;
Das hat mit poetischer Metrik
Die Lyrikerin ihm getan.

 

Einen Blankvers bzw. mehrere Blankverse hat Sophie Paulchen sich als lyrische Aufgabe für den Buchstaben B gestellt. Doch da dieser Fünfer-Rhythmus sich einfach nicht fügen wollte, habe ich mich an einem B wie Ballade probiert und Heinrich Heines Loreley umgedichtet – war irgendwie passend, da ich bereits einmal ein Rhein-Gedicht geschrieben habe (und noch eins, das steht aber noch nicht hier im Blog).

Montags-Gedicht: abendritual

jeden abend
verweilen, verspielen, verquatschen
jeden abend
aufschieben, hinauszögern
nicht ins bett wollen
– wer abends nicht …
kann morgens auch … –
jeden abend glauben
das leben zu verpassen
das jeden morgen
den ganzen tag
vorbeiziehen darf
jeden abend
statt schlafen zeit
jeden morgen
müde

 

Sophie Paulchen, die Erfinderin des Frapalymo und rege Lyrikerin, hat sich eine neue Aufgabe gestellt: während eines Jahres lyrische Formen von A bis Z zu erkunden. Da sie so freundlich ist, ihre Idee mit anderen zu teilen, und da es mir unendlich gut tut, von irgendwoher „Schreibaufgaben“ zugewiesen zu bekommen – weil ich will ja immer dichten, tu es nur nicht – habe ich mich drangehängt und auch ein A wie Abendgedicht geschrieben. Immer montags oder man wird sehen.

Ein Abendlied bzw. Nachtlied hatte ich übrigens schon einmal geschrieben – ein ganz anderes. hier.