Mittwochs-Gedicht: Verhärtet

Überschuss von Wut
Tropfen alter Verletzungen
An der Wand
Nicht-gerichtetes Fließen

Dies ist das „Fenster-zur-Kunst-am-Bau-Gedicht“. Es entstand im Dezember 2008 und gehört somit zu den ersten meiner Gehversuche als Dichterin. Spannend ist, dass ich bei dieser Schreibmethode kaum eigene Worte hinzufüge, sondern mit so wenig Zusatzmaterial wie möglich die mir gegebenen Worte zu einem Ganzen verbinde.

 

Getanzte Worte

Am Tag, an dem der erste große Frühlingsregenschauer niederging, lief eine Zicke, Schlüsselbein voraus, durchs matschige Gras. Bespaßt wollte sie werden, nach nackten Männern hielt sie Ausschau, doch außer einer Wiege mit Baby war nichts zu sehen. So ein Betrug, so fehlgeleitete Kraft. Doch die letzte Regel gilt immer: Der Siegelring ist auf dem Ball zu tragen.

Danke an B., die mir Wortmaterial für diesen Text lieferte.

Fluss ohne Brücke

Der Fluss bildet die natürliche Grenze zwischen gestern und Sommer. Am Wasser entlang dem Weg folgen, der am Eigentlichen vorbei geht. Grün werden die Gedanken beim Erwachen und Verspeisen der Schranken, die meine Lungen ausfüllen, während ich male. Die Musik der Elfengleichen erlaubt mir zu sitzen im Rat des Berges, von wo der samtene Reiter sich stählt. Im Arm des Kapierens liegen Steine des Anstoßes, die mir erlaubten zu treiben. Doch ich bleibe lockend und packe die Wurzeln, entreiße ihm Flügel, um das Säumen zu umgehen. Es ist eine Traube.
Der Fluss bildet die natürliche Grenze zwischen gestern und Sonntag. Sie humpelt taub, ertastet das Licht, will ins Süß zurück, das aus dem Tal entschwindet. Ein Mosaik der Verwirrung erstaunt das Getier, die Pflanzen schweigen betreten. Sie isst. Im Morgengrau der Kühle wollen Birnen erklingen; sie erstarren geblendet von ihr. Gewesene Grenzen erschlagen den Nebel, bis er amüsiert.
Aus seinem Rucksack fliegt dem Reiter das Leben, er bietet es feil und ihr Ich fasst durch. Wieder elf Töne verschlingen die fehlbaren Farben des Gefährten. Mich erschaudern die Grenzen; das Wasser verwest. Keine Brücke am Anfang, das Wort verstreicht. Zwischen Sommer und Sonntag nur sirrendes Grün.

Montags-Gedicht: Bewegte Frauen

Neun Frauen wollen hüpfen,
neun Frauen woll’n sich drehn.
Was soll das Schreiben nützen,
was wollen sie nur sehn.

In Sophies Reihe „lyrische formen von a bis z“ steht schon seit über einer Woche ein „Clerihew“ aus, also ein vierzeiliges gereimtes Scherzgedicht. Nun ergab es sich spontan, dass bei der Jahrestagung des Segeberger Kreises diese Reime entstanden. Eigentlich ging es darum, ein „Bewegungsgedicht“ zu schreiben, ein Text, dessen innere Bewegung eine vorher festgelegte Form hat. Dies war mir in dem Moment zu schwierig und es entstanden Verse, die sich clerihew-mäßig reimen und scherzhaft sind, wenn sie auch nicht „eine bekannte Person auf die Schippe“ nehmen, wie es für ein Clerihew charakteristisch ist. Ich meine: Das gilt trotzdem.

Montags-Gedicht: Ballade von der unermüdlichen Lyrikerin

Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,
Dass sie nur dichten will;
Die Mitternachtsglocken schon läuten,
Die Muse hält einfach nicht still.

Im Zimmer ists kühl, und sie gähnet,
Doch weiter fließt der Reim;
Bis ihr Gesicht eine Träne
Vor Rührung suchet heim.

Ihr treuester Leser sitzet
Am Laptop irgendwo,
Sein Brusthaar ziemlich schwitzet,
Er traut sich kaum mehr aufs Klo.

Er hängt an ihren Versen
Bezaubert von ihrer Kunst;
Sie hat im hessischen Zersen
Alleine seine Gunst.

Den Leser am anderen Ende
Von Deutschland packt der Neid;
Es kommt zur erschreckenden Wende,
Es kommt zu sehr großem Leid.

Ich glaube, er übt endlich Kritik,
Wirft Laptop und sich vor die Bahn;
Das hat mit poetischer Metrik
Die Lyrikerin ihm getan.

 

Einen Blankvers bzw. mehrere Blankverse hat Sophie Paulchen sich als lyrische Aufgabe für den Buchstaben B gestellt. Doch da dieser Fünfer-Rhythmus sich einfach nicht fügen wollte, habe ich mich an einem B wie Ballade probiert und Heinrich Heines Loreley umgedichtet – war irgendwie passend, da ich bereits einmal ein Rhein-Gedicht geschrieben habe (und noch eins, das steht aber noch nicht hier im Blog).

Montags-Gedicht: abendritual

jeden abend
verweilen, verspielen, verquatschen
jeden abend
aufschieben, hinauszögern
nicht ins bett wollen
– wer abends nicht …
kann morgens auch … –
jeden abend glauben
das leben zu verpassen
das jeden morgen
den ganzen tag
vorbeiziehen darf
jeden abend
statt schlafen zeit
jeden morgen
müde

 

Sophie Paulchen, die Erfinderin des Frapalymo und rege Lyrikerin, hat sich eine neue Aufgabe gestellt: während eines Jahres lyrische Formen von A bis Z zu erkunden. Da sie so freundlich ist, ihre Idee mit anderen zu teilen, und da es mir unendlich gut tut, von irgendwoher „Schreibaufgaben“ zugewiesen zu bekommen – weil ich will ja immer dichten, tu es nur nicht – habe ich mich drangehängt und auch ein A wie Abendgedicht geschrieben. Immer montags oder man wird sehen.

Ein Abendlied bzw. Nachtlied hatte ich übrigens schon einmal geschrieben – ein ganz anderes. hier.