Lesevergnügen digital – wer hätte das gedacht

Vor ein paar Wochen habe ich mir nach langem Hin und Her einen E-Book-Reader gegönnt, und zwar den. Es war nicht ganz einfach, denn ADE und Linux vertragen sich nur leidlich, und zwischendurch habe ich den Eindruck gewonnen, E-Books sollen nicht gelesen werden. Doch ich habe mich durchgebissen und bin jetzt sehr froh drum.

Die erste Feststellung: Es liest sich hervorragend auf dem Pocketbook. Meine Augen merken keinen Unterschied zwischen Papier und E-Inc und, falls sie mal schlechter werden, kann ich jederzeit die Schrift vergrößern. Abends im Bett lese ich mit eingeschaltetem Licht und niemand kann sich mehr beschweren, dass die Deckenlampe noch leuchtet – ich liege in meiner dunklen Höhle und nur mein Buch leuchtet für mich. Beim Zugfahren sind mir Tunnels egal. Dass das Ding Strom braucht, hat bisher zu keinerlei Einschränkungen geführt, ich habe das Gefühl, der Akku reicht ewig, und die Bedienung ist relativ einfach.

Die zweite Feststellung: Ich lese viel mehr und wähle ganz anders aus. Da ich sparsame Schwäbin bin, habe ich mich bisher vor allem auf Bücher aus der Onleihe gestürzt. Da sind leider nicht allzu viele verfügbar. Doch was sich zuerst wie eine Einschränkung anhört, hat mir einige Entdeckungen gebracht. Ich suche einfach alle Romane, die verfügbar sind, und leihe die aus, die sich irgendwie interessant anhören. Da ich das zu jeder Tages- und Nachtzeit machen kann und ich keine Bücher nach Hause und wieder zurück in die Stadtbücherei schleppen muss, leihe ich so weniger ausgewählt aus – bisher habe ich alles auch mit Interesse fertig gelesen. Während mich die langen und vollen Regale oft überfordern und ich für Einkäufe auf Verdacht zu geizig bin, komme ich so ganz einfach an Lesefutter.

Die dritte Feststellung: Lesen mit dem E-Book-Reader ist etwas anderes. Mein Gefühl: Es ist Text pur. Egal was ich lese, ich habe immer dasselbe Ding in der Hand (was zu neugierigen Fragen von Zuschauenden führt). Auch wenn das Cover mit abgespeichert ist, nehme ich es doch gar nicht richtig wahr. Ich werfe keinen Blick auf den Klappentext oder das Inhaltsverzeichnis, spüre nicht in den Händen, ob ich am Anfang, in der Mitte oder schon kurz vor dem Ende bin. Ich schalte ein und steige auf genau der Seite ein, bei der ich das letzte Mal ausgeschaltet habe. Das verändert die Textwahrnehmung, auch wenn ich noch nicht genau fassen kann, in welcher Weise. Möglicherweise schreibt es sich auch anders für einen Reader (so denn speziell für Reader oder Print geschrieben würde) – es könnte fast eine Gegenbewegung sein in Zeiten, in denen Layout und Illustration immer einfacher und damit auch notwendiger werden.

Jetzt werde ich erst einmal zweieinhalb Tausend Seiten Unterhaltungsliteratur mit in den Urlaub nehmen, ohne dass es im Gepäck auffällt. Ich bin gespannt, wie sich meine E-Book-Lese-Biografie weiterentwickelt.

Irgendwas mit Schreiben

Die Blogparade Und was machen Sie so beruflich? hat es mal wieder gezeigt: Sehr viele Menschen machen „irgendwas mit Schreiben“. Eine breite Palette von modernen Schreibberufen stellen Susanne Diehm und Michael Firnkes in ihrem Buch „Die Macht der Worte. Schreiben als Beruf“ (2013 bei mitp) vor, wobei sie alle Klassiker wie Journalismus oder SchriftstellerIn auslassen. Von „Texten für Onlineshops“ bis „Wissenschaftliche Schreibberatung und -training“, von „Buch-PR“ bis „Schreibtherapie“ werden in Interviews 20 Menschen und ihre Schreibtätigkeit vorgestellt. Jedes Interview wird nachbereitet, indem zu einem thematischen Aspekt daraus weitere Informationen gegeben werden, um die Einzelerfahrungen der InterviewpartnerInnen zu verallgemeinern. Denn eins wird deutlich: Es gibt nicht den einen Weg zu dem einen konkreten Schreibberuf. Jede interviewte Person ist ihren ganz eigenen Weg gegangen, bis sie dort landete, wo sie im Moment steht.

Manchmal frage ich mich beim Lesen, ob die Auswahl der InterviewpartnerInnen und damit der vorgestellten Berufsbildern nicht sehr zufällig nur damit begründet ist, wen die beiden AutorInnen kannten. Doch in der Summe entsteht ein buntes Bild von Möglichkeiten, das Schreiben zum Beruf zu machen. Ob man in jedem Fall davon leben kann, ist eine andere Frage, die nicht ausgeklammert wird. Deshalb enthält das Buch auch zahlreiche Hinweise, wie man nicht nur der Leidenschaft des Schreibens frönen, sondern auch ein Geschäftsmodell daraus entwickeln kann. Am Ende muss sich jeder Schreibwütige selbst durchschlagen, nicht aber ohne vorher einen Erkundungsgang durch die Welt der neuen Schreibberufe gemacht zu haben.

Frei geschrieben – ein Buchtipp

Eins der ersten Bücher, die ich zum wissenschaftlichen Schreiben gelesen habe, ist das von Judith Wolfsberger. „Frei geschrieben. Mut, Freiheit & Strategie für wissenschaftliche Abschlussarbeiten“ ist in der Erstauflage 2007 erschienen. Der Titel ist Programm: Wolfsberger will in erster Linie Mut machen zum Schreiben, „Chuzpe“ ist eines ihrer Lieblingswörter, ein Wort das vorher nicht in meinem aktiven Wortschatz enthalten war.

Das Buch leitet Studierende einmal durch den gesamten Prozess des Schreibens einer wissenschaftlichen Abschlussarbeit – vom Einstieg über die Ermutigung „There ist hope“ bis zum Ende, an dem vielleicht „Die Lust, weiter zu schreiben“ steht. Dazwischen erläutert die Autorin, warum es sich trotz der unbefriedigenden Situation mit der Anleitung beim Schreiben an Unis lohnt, eine Abschlussarbeit anzugehen, und vor allem, wie dies gelingt. Dabei ist sie an vielen Stellen sehr pragmatisch, kocht die Ansprüche runter und gibt gleichzeitig brauchbare und nützliche Tipps, worauf es ankommt und wie das Schreiben gelingt. Da stört es auch nicht, dass sie bei Abschlussarbeiten noch von den alten Diplom- oder Magisterarbeiten ausgeht, es lässt sich alles auf die kürzeren Bachelorarbeiten übertragen.

Durch das Einstiegskapitel mit Situationsbeschreibungen eignet sich das Buch dafür, gezielt nur die Kapitel zu lesen, die für einen selbst relevant sind. Dann ist jedes kurze Kapitel gleich aufgebaut: Zuerst die Erklärung, um was es geht und wie es zu meistern ist, danach konkrete Übungen unter der Überschrift „Jetzt bist du dran“ und Literaturempfehlungen zum Weiterlesen. Dazwischen, passend an das jeweilige Kapitel angeschlossen, werden Schreibmethoden kurz und prägnant vorgestellt – neun Stück an der Zahl, von „Morgenseiten“ über „Forschungsfrage“ und „SQR-Lesemethode“ bis „Beautycase zur Überarbeitung von Rohtexten“.

Judith Wolfsberger duzt die LeserInnen konsequent und hat einen flotten, manchmal ein wenig aufdringlichen Schreibstil, der nicht so ganz mein Fall ist. Inhaltlich gefällt mir das Buch aber sehr gut. Und zwischen all den großen Fragen wie beispielsweise der, was eigentlich Wissenschaftlichkeit ausmacht, stecken viele kleine, nützliche Tipps und Ideen, wie man sich die Arbeit leichter machen kann und sie gleichzeitig so gestaltet, dass man auch wirklich etwas davon hat.

Judith Wolfsberger: Frei geschrieben. Mut, Freiheit & Strategie für wissenschaftliche Abschlussarbeiten. Böhlau Verlag, Wien u.a., 2009², ISBN 978-3-205-78349-7

Leichter im Text – ein Buchtipp

Das Buch ist weder neu (erschienen im August 2001), noch angesagt in der Schreibszene oder im auf solche Art Bücher spezialisierten Autorenhaus-Verlag erschienen. Doch es begleitet mich sehr zuverlässig durch mein Schreiberinnen-Leben, gerade habe ich es wieder hervorgeholt:

Leichter im Text. Ein Schreibtraining von dem Schweizer Ehepaar Christa und Emil Zopfi ist aus der Praxis von Schreibseminaren entwickelt worden. Man kann damit alleine im stillen Kämmerlein seine Schreibkompetenz weiter entwickeln, viele Anregungen lassen sich aber auch in Schreibgruppen oder -seminaren verwenden. Es deckt von „aufbrechen“ und „fließen“ über „spielen“, „formen“, „dichten“, „erzählen“, … bis zu „bearbeiten“ und „ankommen“ ein riesiges Spektrum von Schreiben ab. Man kann es von vorne nach hinten durcharbeiten, irgendwo aufschlagen und zehn Minuten zum Fund schreiben oder es immer wieder hervorziehen und damit spielen. Jedes Kapitel enthält eine Einführung, Hintergundtexte, Übungen und Beispieltexte, alles ist ansprechend illustriert und gestaltet.

Leichter im Text ist kein Training im Sinne von anstrengenden Übungen. Es ist ein Buch, das dazu ermuntert, den Stift in die Hand zu nehmen oder sich an die Tastatur zu setzen. Es macht Lust zu schreiben, zu experimentieren, das eigene Schreiben und die Welt des Geschriebenen zu erforschen. Denn Schreiben lohnt sich. Und es macht Spaß.

Die 50 Werkzeuge für gutes Schreiben – ein Buchtipp

Auch wenn es sich noch nicht überall herumgesprochen hat: Schreiben ist ein Handwerk, das man lernen und üben kann. Nicht jeder ist vielleicht Goethe oder Thomas Mann, aber wir alle können professioneller schreiben lernen – und sollten es auch in einer Welt, in der durch Computer und Internet Texte und Texten für alle immer wichtiger werden.

Für dieses Handwerk hat Roy Peter Clark einen Werkzeugkasten zusammengestellt. Das Buch stellt in vier großen Kapiteln 50 Werkzeuge vor. Beispiele aus verschiedensten Textarten – Romane, Sachtexte, Lyrik, Journalismus, … – illustrieren die Theorie und der Workshop am Ende jedes Werkzeugs lädt zum Ausprobieren ein.
Das Buch eignet sich für alle, die schreiben wollen oder müssen, egal was sie schreiben. Und für diejenigen, die bessere Texte produzieren wollen. Jede Woche des Jahres („Zwei Wochen schenke ich Ihnen als Urlaub“, S. 19) kann ein Werkzeug entdeckt werden. Dabei beginnt es mit einfachen Tipps zum Satzbau „Beginnen Sie … mit Subjekt und Prädikat!“, geht weiter über „Spezialeffekte“ und „Pläne“ und endet mit übergeordneten „Nützlichen Gewohnheiten“ bis hin zum Umgang mit Kritik. Ich nutze es als Nachschlagewerk, das mich immer wieder daran erinnert, was noch möglich ist.
Das Schöne an dem Buch: Es ist 1. undogmatisch („Seien Sie nicht überrascht, gute Texte dort zu finden, wo der Autor alle Ratschläge, die hier beschrieben werden, missachtet“, S. 15) und 2. beherrscht der Autor sein Handwerk und den Umgang mit seinen Werkzeugen selbst, leider keine Selbstverständlichkeit bei Büchern übers Schreiben.

„50 Werkzeuge für gutes Schreiben“ ist in der deutschen Übersetzung 2009 im Autorenhaus Verlag, Berlin erschienen (amerikanisches Original „Writing Tools“, 2006).

Schreiben wie … – eine altbekannte Übung

Das Leben ist mal wieder im Kreis gegangen.
Eine Freundin hat den Textanalysator ausprobiert und herausgefunden, sie schreibe wie Thomas Bernhard. Der hat ja einen sehr ich nenne es mal eigenen Stil, so dass ich ziemlich verwundert war. Um mich in meiner Erinnerung zu bestätigen und ihr einen Eindruck davon zu geben, wie sie angeblich schreibt, habe ich direkt ins Buchregal gegriffen – nun gut, ein wenig stöbern und suchen musste ich – und die Erzählung „Gehen“ aufgeschlagen. Dieses Buch wurde mir vor vielen, vielen Jahren von einem Freund geschenkt und ich hatte es gelesen und seither nur noch beim Umziehen in der Hand gehalten.
Wirklich überrascht war ich, als ich 1. die Zeilen entdeckte, die mein Freund mir damals ins Buch geschrieben hatte (der Grund, warum das Buch immer noch im Regal steht?) und 2. als ich da las: „Wenn´s los geht, denkst du an die Schreibphase nach den ersten drei Seiten!?“
Hat er oder habe ich gar damals schon geschrieben? Wussten wir, dass der Stil des Gelesenen auf die eigene Schreibe abfärbt, dass eine beliebte Schreibübung genau darin besteht, zu lesen und in Ressonanz dazu zu schreiben? Hätte ich das Buch von Bernhard schon früher mal aufgeschlagen, hätte ich mir viel studieren sparen können. 😉
Los gehts: Drei Seiten Bernhard lesen oder was auch immer und dann zehn Minuten schreiben. Viel Spaß!