Schreibt!-Raum 4: Frederick-Listen

Nach dem sonnig-warmen Wochenende ist es wieder nass, kalt und dunkel hier am Bodensee. Nun ist die Zeit des Erntens und Einweckens vorbei, es geht darum sich winterfest einzumümmeln.
Hier kommt Frederick ins Spiel, der vermeintlich faule Feldmäuserich von Leo Lionni, der statt Nüssen und Körnern lieber Sonnenstrahlen, Farben und Wörter sammelt und damit auf seine Weise zum Überleben der Mäuse im Winter beiträgt. Um mit dem Sammeln zu beginnen, ist es schon zu spät im Jahr. Aber bestimmt hat sich ganz von allein ein großer Haufen Vorräte angesammelt. Es lohnt sich, diese zu sichten, zu ordnen und so einzulagern, dass sie bei Bedarf auch gefunden werden. Deshalb schlage ich vor, „Frederick-Listen“ zu schreiben:

Liste 1: Meine Sonnenstrahlen für den Winter
Welchen Menschen bin ich begegnet, welche Momente von Verbundenheit habe ich erlebt, die es mir warm und hell machen, wenn ich mich daran erinnere?

Liste 2: Meine Farben für den Winter
Welche Bilder, welche Muster und Farbkleckse habe ich mit meiner Kopf-Kamera aufgenommen, die mein Leben bunt und reich machen, wenn ich sie mir ansehe?

Liste 3: Meine Wörter für den Winter
Welche Geschichten habe ich erlebt oder gehört, welche Episoden und Anekdoten, die mein Leben spannend und interessant machen, wenn ich sie erzähle?

Damit der Ansporn nach ganz kleinen Erlebnissen Ausschau zu halten groß genug ist und damit die Vorräte für 3 lange Wintermonate reichen, darf jede Liste 30 Punkte enthalten – das sind gleichzeitig 90 Ideen für Texte, Gedichte und Geschichten, die an den langen Winterabenden geschrieben werden können. Und wenn Sie den einen oder anderen Vorrat mit anderen teilen, sagt irgendwer im Frühjahr zu Ihnen: „Frederick*, Du bist ja ein Dichter!“ – und Sie wissen, wie Sie darauf antworten müssen.

*eigenen Namen einsetzen

Ich heiße Heike

Heute startete mein Kurs Kreatives Schreiben für Studis der Uni Konstanz, auf den ich mich schon sehr gefreut habe. Gerade an der Uni lustvoll und persönlich schreiben zu dürfen, ist ein großer Gewinn.
Wir haben direkt losgeschrieben und eine Menge toller Texte entstanden in kurzer Zeit. Mir scheint, es gab und gibt eine Menge an Texten, die geschrieben werden wollen und für die es im sonstigen Studiumsalltag keinen Raum gibt. Natürlich kann man fragen, ob dem kreativen Schreiben ein Platz in einem wissenschaftlichen Studium eingeräumt werden soll. Aber mir fallen eine Menge Argumente ein, warum ja, die ich hier nicht einzeln aufzählen möchte. Zum Glück muss ich ja niemanden überzeugen, dass es diesen Kurs geben darf.
Damit wir uns in der Gruppe ein wenig kennenlernen, haben wir Texte zu unseren Namen geschrieben. Und haben über die Inhalte der Texte sowie über die Form und Sprache schon viel voneinander erfahren. Weil ich es so spannend fand, diese Texte zu hören – und weil ich wegen der großen Teilnehmerzahl darauf verzichtet habe, meinen Text vorzulesen, –  folgt der jetzt hier:

Heike heiße ich, Heike Meyer, und das schon mein ganzes Leben. Meyer ist nicht sonderlich einfallsreich, aber nur weil ich heirate, werde ich ja kein anderer Mensch.
Heike Meyer, ganz schön viel Ei. Ich habe mich daran gewöhnt. „ei-e, ei-e“ – Gleichklang, Geleier. Ob ich deshalb manchmal ein bisschen langsam bin?
Geschickt ist der Name im World Wide Web. Wer „Heike Meyer“ bei Google eingibt, bekommt ziemlich viele Treffer. Die wenigsten haben mit mir zu tun. Außerdem ist Heike praktisch – alle Heikes dieser Welt, oder zumindest Deutschlands, sind ungefähr gleich alt. Nur für Auslandsreisen ist mein Name nicht geeignet: Heike kann keiner aussprechen. Mein Schicksal ist wohl in Schwaben zu bleiben.

Schreiben in einem Zug

Das Cafe als Schreibort wird regelmäßig propagiert und wohl auch genutzt. Auch ich habe schon in Cafes geschrieben und finde, das hat was – auch wenn ich nicht gleichzeitig schreiben und Milchschaum löffeln kann. Noch viel besser und lieber schreibe ich allerdings in der Bahn.

Geschäftsleute machen dies jeden Tag, wenn auch auf den meisten Laptops, die in ICEs aufgeklappt sind, entweder Filme oder Spiele laufen. Ich habe festgestellt, dass für persönliche, biografische Texte, für Themen, die mir nahe gehen, die Bahn ein guter Schreibort ist. Es ist, wie wenn sie dadurch ihre Bedrohlichkeit verlieren, wie wenn ich die Angst nicht haben muss, von meinen inneren Bildern, Erinnerungen und Gefühlen überschwemmt zu werden. Die Realität kommt spätestens beim nächsten Bahnhof oder mit dem Zugbegleiter wieder.

Die Mischung aus Anonymität und Nicht-Alleinsein ist bestimmt ein wichtiger Aspekt, warum es funktioniert: Ich muss mich nicht einsam fühlen, bin unter Leuten und doch irgendwie für mich. Das gilt genauso fürs Cafe.
Dazu kommt die Wartezeitüberbrückung. Normalerweise fahre ich mit dem Zug, um von A nach B zu kommen. Die Zeit, bis ich endlich ankomme, kann ich so sinnvoll nutzen, vor allem wenn ich öfter die gleiche Strecke fahre, für deren landschaftlichen Reiz ich nicht mehr empfänglich bin. Wäre ich Berufspendlerin und säße jeden Morgen 30 Minuten in der Bahn, hätte ich meine tägliche Schreibübung ganz leicht in meinen Alltag integriert. Lesen ist der übliche Zeitvertreib beim Warten, auch beim Arzt oder bei der Stadtverwaltung, doch schreiben ist produktiver.

Eine Sache, die nur für Züge (und Busse und Schiffe) gilt, und nicht für Cafes und Wartezimmer, ist das Unterwegssein. Beim Schreiben bin ich innerlich unterwegs, bewege mich durch meinen Text, egal ob es eine Geschichte oder ein Sachthema ist. Schreiben ist Bewegung, Texte sollen bewegen. Deshalb glaube ich, dass die Tatsache, dass der Zug fährt, dass er mich von einem Ort zum anderen bringt, es mir leichter macht zu schreiben. Bin ich im Schreibfluss, rauschen die Worte aufs Papier wie der ICE über die Gleise. Bleibe ich stecken mit meinem Text, kann ich meinen Blick schweifen lassen und mich von den Bildern, die sich ständig verändern, neu inspirieren lassen. Und in all den Zeiten, in denen ich nicht schreiben kann, weil ich meine Sachen einpacken muss, umsteigen muss oder weil der Schaffner kommt oder mein Sitznachbar aufs Klo muss, arbeitet mein Text in mir weiter.

Bald darf ich wieder eine lange Zugreise machen und werde sehen, wie viel ich dann schreibe. Und so ist es auch nicht schlimm, wenn es leider mal wieder wenige Minuten Verspätung gibt.

schreibschrift – der Blog zur Schreibpädagogik

Seit über drei Jahren bloggt Christof in schreibschrift. Sein „versuch, das web 2.0 für die schreibpädagogik nutzbar zu machen“ (so in der Beschreibung des Blogs) ist vollauf gelungen. Schreibende und an Selbstreflexion Interessierte finden Fragebögen zur Selbstbefragung, Anregungen für Listen aller Art und unendlich viele Schreibideen. AnleiterInnen von Schreibgruppen, Schreibberaterinnen, Schreibpädagogen finden zusätzlich eine Fülle von fundierten Gedanken zu ihrer Arbeit. Die sind meistens aufgeteilt in drei posts: Kreatives Schreiben und Thema, biografisches Schreiben und Thema, Schreibpädagogik und Thema. Dazu kommen Buchempfehlungen, Surftipps, Wortklaubereien und vieles mehr.
Die Fülle an Material hat mittlerweile Ausmaße eines mittleren Ozeans angenommen. Damit man trotzdem findet, was man sucht, bündelt Christof immer wieder die Beiträge und verlinkt sie. Doch am besten den Blog regelmäßig verfolgen und sich davon inspirieren lassen!
Ob ihm irgendwann einmal die Ideen ausgehen werden?
Wer den Blog kennt, der hat auf jeden Fall nie mehr eine Ausrede, dass er nichts zu schreiben weiß. Auf die Frage der aktuellsten Liste: „aktuelle momente, in denen sie die qual der wahl haben?“ kann ich da nur antworten: Zu welcher der 310 Schreibideen schreibe ich nur zuerst?
Danke, Christof!