Über das Wetter schreiben
Neben dem gestern vorgestellten 10-Jahresbuch von arsEdition gibt es ein ähnliches Buch auch vom Präsenz-Verlag. Hier fällt auf: Es gibt eine extra Spalte mit Wettersymbolen zum Ankreuzen und Platz für die Tagestemperatur. Ist das Wetter so zentral, dass es Platz finden sollte in jeder 10-Jahres-Chronik?
Das Wetter ist schon eine wichtige Sache. Fast jeder, der in der frühen Jugend erste Tagebucherfahrungen gesammelt hat – in den schönen Büchlein mit Schloss dran – hat notiert, wie das Wetter war und was es zum Mittagessen gab. Das Wetter ist das Smalltalk-Thema Nummer eins, bietet sich an für lockere, aber nicht zu gewagte E-Mail-Grußformeln, mit nebligen Grüßen vom Bodensee oder ähnliches, und auch in Geschichten und Filmen wird es gezielt eingesetzt und beschrieben. Das Wetter bietet darüberhinaus eine wichtige Begründung für so vieles im Leben, was man gemacht oder eben nicht gemacht hat. Es ist schuld an Kopfschmerzen, bestimmt das Freizeitprogramm und erklärt, warum man nicht schreiben konnte – wenn es gut ist, weil man lieber rausgehen wollte, wenn es schlecht ist, weil man nicht die richtige Stimmung dafür hatte.
Und dennoch: Warum sollte ich, Tag für Tag, 10 Jahre lang, jeden Tag das Wetter notieren? Will ich neben meinem persönlichen Lebensverlauf auch die Klimakatastrophe abbilden? Oder ist es einfach ein Trick, damit ich durch ein schnell zu setzendes Kreuzchen leicht mit dem Schreiben beginnen kann, und danach flutschen die freien Zeilen nur so aufs Papier? Vielleicht ist es das wert, ausprobiert zu werden. Oder ich nehme es symbolisch, kreuze mein inneres Wetter an und notiere die Gradzahl meines Wohlbefindens.