Monologisierendes Notat

Sophie hat vor Kurzem das Buch „Schreiben dicht am Leben. Notieren und Skizzieren“ von Hanns-Joseph Ortheil entdeckt und in ihrem Blog vorgestellt. Das hat mich erinnert, dass ich im Frühsommer ganz angeregt davon mit meinem Notizbuch durch die Stadt lief und schrieb, bevor andere Dinge meine Notierwut wieder in Vergessenheit geraten ließen. Jetzt ist es zwar kalt geworden, aber ich sollte mich mal wieder mit Stift und Heft auf den Weg machen – sind ja nicht alle Notat-Anregungen für draußen gedacht. Bevor ich aber durch die Nacht renne, hier ein Notat aus meinem Heft, angeregt von Kapitel 5, Notieren als Monologisieren, das den Notizen von Rolf-Dieter Brinkmann 1972/73 in Rom nachgeht.

16:07
Kaiserbrunnen, datiert auf 1897,
die Reisegruppe davor hat annähernd dasselbe Alter.
Seltsam hässliches Alles,
bis auf die Seehasen.
Ob die sich später dazugesellten?
Babylonisches Stimmengewirr.
Ein Junge, vielleicht neun,
verkauft mit Wasserfarben pastellig bemalte Steine.
Auch eine Verbindung von Ewigkeit und jetzt.
Warum der Gaul acht Beine hat,
habe ich all die Jahre nicht herausgefunden.

Übrigens: Mittlerweile habe ich das Rätsel um die acht Beine gelöst. Auf diesem Pferd ritt Friedrich II von Italien nach Konstanz und er musste schnell sein, schneller als Otto IV, der ihm den Thron streitig machen wollte. Da er es geschafft hat, gibt es nur eine Erklärung: Er hatte einen superschnellen Gaul mit acht Beinen.

Nach-Ruf

Hallo!
Schreibt da wer?
Schreibt da noch wer?

Ich weiß
der da schrieb
schreibt nicht mehr
kann nicht mehr schreiben
hätte sicher noch Ideen gehabt
hätte er die Gelegenheit noch gehabt.

Doch auch
wenn ich weiß
da kommt nichts mehr
wenn ich weiß
der der da schrieb
der ist nicht mehr.

Klicke ich doch
immer und immer wieder
auf das eine Lesezeichen
das ich nicht löschen kann oder will

Ein Teil
ist Nicht-kapieren-wollen
da war doch immer Neues
immer Anregendes
der war immer aktiv
Darum kann nicht sein
dass nichts mehr kommt
Kann nicht sein
dass er nicht mehr ist
Solange der Link noch funktioniert.

Ein Teil
ist Neugier
was passiert wohl
mit einem Blog
einer Homepage
einem Profil
wenn einer der schrieb
nicht mehr ist

Ein Teil ist Angst

Was ist
wenn alles verschwindet
Was bleibt
von dem was er schrieb
Was bleibt
von dem was ich schrieb

Wislawa Szymborska über das Dichten

Die polnische Dichterin Wislawa Szymborska habe ich – trotz Nobelpreis für Literatur 1996 – erst nach ihrem Tod im Februar diesen Jahres kennengelernt. Sofort sprachen mich ihre Gedichte sehr an. Schade nur, dass ich kein Polnisch kann und deshalb darauf angewiesen bin, dass die Übersetzungen gut sind.

Szymborska hat einige Gedichte veröffentlich, in denen es um das Dichten selbst geht. In „Manche mögen Poesie“ fragt sie, „was aber ist Poesie“, in „Lampenfieber“ schließt sie aus der gängigen Formulierung „die Schriftsteller und die Dichter“, dass Dichter also keine Schriftsteller seien, „sondern?“ und in „Einfall“ hat sie zwar eine Idee, aber „schließlich gibt es andere Dichter“.

Dennoch hat sie geschrieben, hat sie gedichtet. Viel gedichtet. Ich will meine Schreibversuche nicht mit ihren Texten vergleichen. Aber gerne würde ich es wagen, mich hinzustellen und laut heraus zu posaunen, was Szymborska in „Möglichkeiten“ schreibt:

„Mir ist die Lächerlichkeit, Gedichte zu schreiben, lieber
als die Lächerlichkeit, keine zu schreiben.“

Sonntags-Gedicht: Alltag in Konstanz

Jeden Morgen bei der Fahrt zur Arbeit
jeden Abend bei der Fahrt von der Arbeit
ein automatischer Blick
nach rechts bzw. links
vom Gipfel der Brücke über den See

– ein Glück, dass ich nicht mit dem Auto unterwegs bin –

Ob die Alpen zu sehen
wie die Alpen zu sehen
welche Farben oder nur Grau

Der eine Blick entscheidet
über den Tag
der andere Blick entscheidet
auch

 

Dieser Text ist angeregt von dem wahrlich goldenen Oktober in der letzten Woche und von Lucias Heimatgedanken.

Weise Worte zum Schreiben

Heute schreibe ich ausnahmsweise nicht selbst, sondern zitiere meine liebe Freundin C., die mir die Tage in einer E-Mail weise Worte zum Schreiben zukommen ließ, die mich zum Nachdenken bringen. Und zum Schreiben.

Und was würde passieren, wenn du das Schreiben einfach sein ließest? Wenn du gar nichts mehr schriebst? Nie mehr? Kein Wort?

Gar nichts. Gar nichts würde passieren, wenn ich das Schreiben sein ließe. Überhaupt nichts. Deshalb schreibe ich ja.

Schreibmonat November

Noch ist Oktober, doch ab einem gewissen Alter rasen die Tage nur so vorbei und so wird es höchste Zeit, sich gedanklich auf den November vorzubereiten: Der NaNoWriMo steht an und mit ihm auch die Ableger AcWriMo und Frapalymo. Über ersten habe ich hier schon einmal geschrieben, die anderen beiden sind mir im letzten Jahr neu begegnet.

Beim AcWriMo geht es um das Verfassen akademischer Texte – etwas das mindestens genauso viel Zuspruch und Ermutigung braucht wie Romanschreiben. Während beim NaNoWriMo eine festgelegte Wortzahl von 50 000 angestrebt wird, kann beim AcWriMo die Wortzahl selbst festgelegt oder auch ein anderes Ziel (z.B. bestimmte Schreibzeiten) angestrebt werden. Hauptsache die Herausforderung ist groß genug, dass es möglich wird, das Unmögliche zu erreichen.

Frau Paulchens Lyrikmonat Frapalymo ist der NaNoWriMo-Ableger für die Dichterinnen und Dichter unter uns. Das Motto lautet hier: „30 tage, 30 gedichte, no excuses“. Sophie Paulchen stellt jeden Abend eine Anregung für ein Gedicht auf ihren Blog. Dort kann auch, wer möchte, seine Gedichte posten.

Die Idee ist immer dieselbe: Ich entscheide mich zu schreiben und setze mir ein großes Ziel, ich verkünde dies laut, ich fange am 1.11. an zu schreiben, lasse mich durch die Gemeinschaft der Schreibenden beflügeln und … schreibe endlich. Auch/ gerade wenn keine Zeit ist. Die einzige Frage, die bleibt: Welcher Schreibmonat solls denn sein?