Mittwochs-Gedicht: Verhärtet

Überschuss von Wut
Tropfen alter Verletzungen
An der Wand
Nicht-gerichtetes Fließen

Dies ist das „Fenster-zur-Kunst-am-Bau-Gedicht“. Es entstand im Dezember 2008 und gehört somit zu den ersten meiner Gehversuche als Dichterin. Spannend ist, dass ich bei dieser Schreibmethode kaum eigene Worte hinzufüge, sondern mit so wenig Zusatzmaterial wie möglich die mir gegebenen Worte zu einem Ganzen verbinde.

 

Tanzimprovisation und Kreatives Schreiben …

zu verbinden, das führte zu dem Text „Getanzte Worte“, der hier jetzt so lange ganz oben stehen durfte. Nun will ich die Erklärung, wie es dazu kam, noch nachreichen. Denn möglicherweise gibt es noch mehr Menschen, die in ihrer Freizeit beides gerne machen.

Wir verbanden eine Aufgabe aus der Tanzimpro – eine tanzt, ohne Musik, „ihren“ Tanz, eine andere beobachtet, nimmt teil und wahr – mit einer Aufgabe aus dem Kreativen Schreiben. Als Methode „Fenster zur Kunst“ habe ich das von Claus Mischon kennengelernt und so schon zu einer Kunst-am-Bau-Wand geschrieben. Ob das gleichnamige Buch genau das selbe Vorgehen vorschlägt, habe ich nie nachgelesen. Wir jedenfalls haben, während die Partnerin tanzte, vor uns hingekritzelt, versucht das Beobachtete mit Linien, Bild und Worten festzuhalten. Danach hat die Beobachterin der Tänzerin aus dem Wortmaterial fünf Worte oder Satzteile als Material angeboten, aus der diese einen freien Text zum eigenen Tanz schrieb.

Spannende Texte sind dabei entstanden, die Atmosphäre war so intensiv, dass es fast unheimlich war. Mehr Gedichte entstanden, aber auch kurze Prosa, teils bestanden sie großteils aus Bewegungs- und Raumworten, teils waren sie reich an Bildern. Alle haben sie uns so inspiriert, dass wir die Texte mit in eine folgende Improvisation in der Gruppe genommen haben, die gleichermaßen sprachgewaltig und tanzbetont war und vor allem riesig viel Spaß machte.

Immer wieder

Ob ich schreibe oder nicht schreibe, es lässt mich nicht los, das Schreiben. Nachdem ich nun seit Wochen pausiert und den Mai-Frapalymo habe vorbeiziehen lassen, nachdem die WordPress-Software aktualisiert ist und dann auch wieder Deutsch gelernt hat, nachdem ich bei einem Schreibweiberwochenende Schreibluft schnuppern durfte, Gedanken sowie Beine bewegte und Finger und Zehen in kreative Bergbäche tauchte, bin ich wieder da. Zumindest bis zum Sommerurlaub. Und immer wieder.

Getanzte Worte

Am Tag, an dem der erste große Frühlingsregenschauer niederging, lief eine Zicke, Schlüsselbein voraus, durchs matschige Gras. Bespaßt wollte sie werden, nach nackten Männern hielt sie Ausschau, doch außer einer Wiege mit Baby war nichts zu sehen. So ein Betrug, so fehlgeleitete Kraft. Doch die letzte Regel gilt immer: Der Siegelring ist auf dem Ball zu tragen.

Danke an B., die mir Wortmaterial für diesen Text lieferte.

Schreibend reisen mit dem Segeberger Kreis

Den Text „Fluss ohne Brücke“ habe ich Ende März bei der Jahrestagung des Segeberger Kreises im Elsass geschrieben, bei der das Thema „Unterwegs – Reisen in die Welt und zu sich selbst“ hieß. Für alle, die den Segeberger Kreis nicht kennen: Diese „Gesellschaft für Kreatives Schreiben“ ist ein Verein von SchreibpädagogInnen, -didaktikerInnen und (kreativ) Schreibenden, die bei der jährlich im Frühjahr stattfindenden Tagung in Gruppen miteinander Schreibaufgaben bzw. -anregungen entwickeln, ausprobieren, reflektieren und darüber neue Impulse für ihre Arbeit bekommen und das Kreative Schreiben weiter entwickeln. Nebenbei entstehen schöne Texte und man lernt interessante Menschen kennen, die auch für das Kreative Schreiben brennen.

Wie genau die Schreibaufgabe war, die wir uns stellten und bei der ich den surrealen Prosatext geschrieben habe, will ich hier nicht darstellen. Das und noch viel mehr können Interessierte im Segeberger Brief nachlesen, der wohl im Spätsommer/ Herbst erscheinen wird. Was für mich besonders spannend war: Bei diesem (und auch anderen) Texten während der Tagung ist mir noch einmal bewusster geworden, wie mein Kreatives Schreiben im Bewegung kommt und bleibt:

Zuerst umkreise ich ein Thema bzw. einen Schreibauftrag, in dem ich irgendwie das Wortfeld erkunde. Beispielsweise mache ich ein Cluster oder eine Wortliste oder ich konjungiere ein Verb erst einmal durch oder ähnliches. Dabei formt sich in meinem Kopf eine Schreibidee, die ich zwar nicht benennen kann, die aber dennoch klar genug ist, um den Anfang des eigentlichen Textes zu finden. Ab da nutze ich einen zweiten Mechanismus: Ich stelle mir, wenn sie nicht sowieso schon vorhanden ist, eine formale Aufgabe. Beim Fluss ohne Brücke war dies die Aufgabe, möglichst nie zu einem Subjekt ein real passendes Prädikat zu finden, sondern jedes Mal zu versuchen, den Sinneskanal zu wechseln oder sonst auf irgendeine Weise ungewöhnliche Verbindungen zu schaffen. Andere formale Aufgaben können sein: eine streng festgelegte Textform zu verwenden, bestimmte Buchstaben auszulassen oder ähnliches.

Was andere vielleicht einengend oder unkreativ finden, hilft mir, den Schreibprozess laufen zu lassen und Ideen zu bekommen. Deshalb liebe ich formale Vorgaben oder klare Schreibaufgaben. Sie sind mir Wegweiser, Brücken und Hindernisse gleichzeitig auf meinen Schreibreisen. Andere reisen schreibend auf andere Weise besser oder lieber: mich interessiert wie.

Fluss ohne Brücke

Der Fluss bildet die natürliche Grenze zwischen gestern und Sommer. Am Wasser entlang dem Weg folgen, der am Eigentlichen vorbei geht. Grün werden die Gedanken beim Erwachen und Verspeisen der Schranken, die meine Lungen ausfüllen, während ich male. Die Musik der Elfengleichen erlaubt mir zu sitzen im Rat des Berges, von wo der samtene Reiter sich stählt. Im Arm des Kapierens liegen Steine des Anstoßes, die mir erlaubten zu treiben. Doch ich bleibe lockend und packe die Wurzeln, entreiße ihm Flügel, um das Säumen zu umgehen. Es ist eine Traube.
Der Fluss bildet die natürliche Grenze zwischen gestern und Sonntag. Sie humpelt taub, ertastet das Licht, will ins Süß zurück, das aus dem Tal entschwindet. Ein Mosaik der Verwirrung erstaunt das Getier, die Pflanzen schweigen betreten. Sie isst. Im Morgengrau der Kühle wollen Birnen erklingen; sie erstarren geblendet von ihr. Gewesene Grenzen erschlagen den Nebel, bis er amüsiert.
Aus seinem Rucksack fliegt dem Reiter das Leben, er bietet es feil und ihr Ich fasst durch. Wieder elf Töne verschlingen die fehlbaren Farben des Gefährten. Mich erschaudern die Grenzen; das Wasser verwest. Keine Brücke am Anfang, das Wort verstreicht. Zwischen Sommer und Sonntag nur sirrendes Grün.

Irgendwas mit Schreiben

Die Blogparade Und was machen Sie so beruflich? hat es mal wieder gezeigt: Sehr viele Menschen machen „irgendwas mit Schreiben“. Eine breite Palette von modernen Schreibberufen stellen Susanne Diehm und Michael Firnkes in ihrem Buch „Die Macht der Worte. Schreiben als Beruf“ (2013 bei mitp) vor, wobei sie alle Klassiker wie Journalismus oder SchriftstellerIn auslassen. Von „Texten für Onlineshops“ bis „Wissenschaftliche Schreibberatung und -training“, von „Buch-PR“ bis „Schreibtherapie“ werden in Interviews 20 Menschen und ihre Schreibtätigkeit vorgestellt. Jedes Interview wird nachbereitet, indem zu einem thematischen Aspekt daraus weitere Informationen gegeben werden, um die Einzelerfahrungen der InterviewpartnerInnen zu verallgemeinern. Denn eins wird deutlich: Es gibt nicht den einen Weg zu dem einen konkreten Schreibberuf. Jede interviewte Person ist ihren ganz eigenen Weg gegangen, bis sie dort landete, wo sie im Moment steht.

Manchmal frage ich mich beim Lesen, ob die Auswahl der InterviewpartnerInnen und damit der vorgestellten Berufsbildern nicht sehr zufällig nur damit begründet ist, wen die beiden AutorInnen kannten. Doch in der Summe entsteht ein buntes Bild von Möglichkeiten, das Schreiben zum Beruf zu machen. Ob man in jedem Fall davon leben kann, ist eine andere Frage, die nicht ausgeklammert wird. Deshalb enthält das Buch auch zahlreiche Hinweise, wie man nicht nur der Leidenschaft des Schreibens frönen, sondern auch ein Geschäftsmodell daraus entwickeln kann. Am Ende muss sich jeder Schreibwütige selbst durchschlagen, nicht aber ohne vorher einen Erkundungsgang durch die Welt der neuen Schreibberufe gemacht zu haben.