Beim wissenschaftlichen Schreiben hat man nie ausgelernt

Gerade bin ich dabei, mich auf meine Schreibwerkstatt für wissenschaftliches Schreiben an der Uni Konstanz einzustimmen, die morgen wieder beginnt. Dabei bin ich erneut über ein Zitat von Gabriele Ruhman, der Leiterin des Schreibzentrums der Ruhr Universität Bochum gestolpert. Sie sagt, man müsse beim wissenschaftlichen Schreiben vor allem lernen, dass man dabei nie auslerne.

Dieser Satz kann ziemlich demotivierend wirken, kann man ihn doch so verstehen, dass das wissenschaftliche Schreiben eben so schwer ist, dass man es nie richtig beherrscht. Ich finde den Satz in zweierlei Hinsicht tröstlich:
1. entlastet mich das, denn ich muss nicht glauben, dass es mein persönliches Versagen ist, wenn meine wissenschaftlichen Texte noch nicht optimal gelingen. Es gilt weiterzulernen, zu wachsen; es gibt ein Recht, zu üben und sich zu entwickeln.
2. wissenschaftliches Schreiben bleibt spannend, denn ich kann mich und meine Texte immer weiter verbessern. Ich muss nicht fürchten, irgendwann in ermüdende Routine zu verfallen, das Schreibenmüssen als lästige Pflicht anzusehen. Es bleibt eine Herausforderung, die Neues aus mir herauskitzelt.

Besonders schön illustriert ist diese Aussage in den Podcasts des Schreiblabors der Uni Bielefeld. Hier erzählen WissenschaftlerInnen von Ihrem Schreiben, den Schwierigkeiten, vor denen sie dabei stehen, und den Lösungen, die sie für sich gefunden haben. Die Tipps, die sie geben, kommen direkt aus der Schreibpraxis und sind nicht nur für wissenschaftlich Schreibende interessant. Nur schade, dass der Blog nicht weitergeführt worden ist.

Schreiben in Cafes – ein Buchtipp

Jetzt liegt der halbfertige Beitrag zu diesem Buch schon zehn Tage da und irgendwie kriege ich den Dreh nicht, etwas „richtiges“ dazu zu schreiben. Deshalb nun einfach so:

Das 1986 von Natalie Goldberg geschriebene Buch „Schreiben in Cafes“ ist ein Klassiker des Kreativen Schreibens, im Autorenhaus-Verlag 2009 neu erschienen. Ich habe es vor Kurzem wieder zur Hand genommen und die halbe Nacht durchgeschmökert. Ich will es empfehlen, weil es mir etwas gibt, ohne dass ich ganz greifen kann was.
Es ist keine Gebrauchsanweisung a la „wie sie einen Bestseller schreiben“, enthält keine starren Regeln oder „du musst“, dafür eine Fülle an Anregungen, Gedanken, Ideen. Mit jeder Zeile ruft es: Los, schreib, trau dich und vertrau dir, schreibe.
Natalie Goldberg behauptet nicht, dass alles gut ist, was geschrieben wird, aber sie ruft dazu auf, zu schreiben und zu schreiben, dabei besser zu werden und dann, immer wieder, die Perlen zwischen den Wortmassen zu finden. Schreiben ist für die Zen-Buddhistin Meditation, es ist ein Weg, das eigene Leben zu verstehen.
Lassen wir uns auf den Prozess des Schreibens ein, probieren wir einen der unterschiedlichen Wege, die sie vorstellt. Das Buch lässt sich an jeder beliebigen Stelle aufschlagen, jedes kurze Kapitel gibt eine Schreibanregung, einen Anstoß. Also schreiben wir!

Statt Sonntags-Gedicht: Ein Schreibbericht

Zum Abtippen bin ich noch nicht gekommen, aber geschrieben habe ich sehr viel, alles von Hand. Es gibt Ideensammlungen, Listen, Freewritings zu Schreibfragen und allerlei anderem, aber auch kreative Texte. Die Notizbuchseiten in meinem Kalender sind bis zum heutigen Tag voll geschrieben, dazu noch ein paar große weiße Blatt Papier. Schreiben um zu denken, entwickeln, planen habe ich genauso praktiziert wie Schreiben um mich zu ordnen, zu strukturieren und um mir Dinge zu merken. Und ich habe einfach nur aus Freude am Schreiben geschrieben, Texte bei denen ich sehen werde, ob ich noch weiter daran arbeite.

Die Neuerung des Wochenendes: Ich habe ein SMS-Gedicht geschrieben. Das mag für viele Leute nichts besonderes sein, für mich war es eine Premiere. Es fühlt sich anders an als tippen am Computer, ganz anders als von Hand schreiben. Die korrekte Groß- und Kleinschreibung und das bewusste Setzen von Satzzeichen sind hier unwichtig, da viel zu umständlich. Großes Manko: Meine Gedicht-Definition (ein Gedicht ist ein Text, bei dem die Zeilen nicht voll geschrieben werden müssen) funktioniert nicht. Eine SMS-Zeile ist viel zu kurz, der Zeilensprung beliebig. Dafür ist das Gedicht gereimt.
Aus verschiedenen Gründen werde ich dieses SMS-Gedicht nicht hier veröffentlichen. Aber vielleicht schreibe ich ja nächsten Sonntag ein anderes.

Papier und Bleistift

Vor lauter Tippen am Computer könnte man fast vergessen, dass es auch noch die gute alte Papier-Stift-Methode des Schreibens gibt. Schreibt sich damit anders? Ich finde ja.

Für mein Schreiben kann ich sagen: Je kreativer und je persönlicher, desto handschriftlicher. Aber gerade wenn es mal nicht so läuft, empfiehlt es sich, probehalber umzusteigen. Vielleicht kommt die Gedicht-Idee heute mal an der Tastatur, schreibt sich die schwierige Argumentation leichter mit dem Lieblingsstift in der Hand. Oder je nachdem wo ich mich im Schreibprozess befinde, wechsle ich bei ein und dem selben Text zwischen Computer und Hand ab.

Ich werde die nächsten Tage ausschließlich von Hand schreiben. Das hat den ganz pragmatischen Grund, dass ich unterwegs und immer noch nicht gut genug ausgestattet bin, um im Zug Texte zu tippen. Deshalb ruht der Blog bis nächste Woche.
Wenn ich zurück bin, tippe ich die besten Texte ab, überarbeite sie dabei noch ganz nebenbei und dann sind sie hier vielleicht zu lesen.

Heute ist National Day on Writing

in den USA (siehe hier). Aber das hindert uns ja nicht daran, den heutigen Tag selbst zum Schreibtag zu erklären und dies in die Welt zu posaunen. Doch was soll ein nationaler oder internationaler Tag des Schreibens sein? Drei Ideen dazu von mir:

1. Am heutigen Schreibtag verkünden wir, dass Schreiben nicht nur die zentrale Schlüsselkompetenz im Berufsleben ist, sondern dass es auch ein Handwerk ist, das gelernt werden, eine Fertigkeit, die trainiert, verbessert, optimiert werden kann. Schreiben ist wie Laufen: Wer nach den ersten wackligen Schritten weiter übt und sich die Anleitung von Profis holt, läuft bald allen voraus.

2. Wenn Schreiben so zentral ist, wie man es überall lesen kann, dann fragen wir alle Verantwortlichen im Bildungsbereich, wie dies mehr gefördert und besser unterrichtet werden kann. Von Lehrern und Ausbilderinnen über Verwaltungsangestellte in allen Ebenen bis hin zu Bildungs-, Wissenschafts- und Wirtschaftsministern/-innen sind alle angesprochen: Was tun Sie heute für die Schreibnation Deutschland?

3. Was ist alle Politik ohne das Tun? Deshalb das wichtigste für den heutigen Schreibtag: Schreiben wir! Briefe, Tagebuch, Zeitungsartikel, Forenbeiträge, Gedichte, Sachtexte, Geschichten, Blogbeiträge, Listen, Dokumentationen, Kommentare, … Heute schreiben wir mit besonders viel Freude und Elan. Wenn der Text geschrieben ist, machen wir ihn Stück für Stück besser. Und danach raus aus der Schublade mit allen Texten.

„Wenn ich schreibe, schreibe ICH“

Verheißung oder Bedrohung oder noch mehr?

Der Satz, den eine Freundin einmal geschrieben hat, lädt mich ein: Komm zu Dir, sei ganz Du selbst, Du schreibst, Deine Geschichte, Deine Gedanken, Deine Stimme. Besonders beim Kreativen Schreiben kann und darf ich Ich sein, muss mich nicht anpassen, nicht Rücksicht nehmen, nicht Rollen entsprechen. Ich schreibe. Doch sogar beim Schreiben von Sachtexten bin ich aktiv: ICH schreibe zu dem Thema, stelle meine Zusammenhänge, meine Gedanken, meine Schwerpunkte auf meine Weise dar, auch wenn ich mich an unzählige Konventionen und Regeln halte.

Andererseits bedeutet dies: In jedem Text, den ich veröffentliche, steckt ein Stück von mir, zeige ich mich, offenbare ich mich. Sogar wenn ich „Termin o.k. HM“ maile, erzähle ich von mir – ich habe gerade wenig Zeit, mir ist der andere unwichtig, ich bin ein kurzangebundener Mensch, ich setze klare Prioritäten … je nach Zusammenhang. Deshalb kann Schreiben auch Angst machen, Angst zu viel oder das Falsche von sich zu zeigen. Und die Strategie, sich hinter Floskeln, Bürokratismus und komplexen Satzstrukturen zu verstecken, hilft nicht weiter.

Wenn ich schreibe, schreibe ICH – schreiben gibt mir die Möglichkeit, zu sein, wie ich bin, und mich so auch zu präsentieren. Wenn ich mich sowieso zeige mit meinen Texten, dann kann ich auch ganz bei mir sein beim Schreiben, mich zunächst mir selbst offen und ehrlich zeigen, mich über mein Schreiben besser kennenlernen. Was ich davon veröffentliche, kann ich später entscheiden.
(… und dass vor der Veröffentlichung das Überarbeiten steht, bei dem der Leser sehr stark in den Vordergrund rückt, das ist eine andere Geschichte, die ich ein ander Mal erzählen möchte.)

Gedanken zu Lyrik

Lyrik wird aus Worten gemacht. Und was ist mit „Schtzngrmm“ (Ernst Jandl) oder gar „Fisches Nachtgesang“ (Christian Morgenstern)? Aus Buchstaben oder Zeichen. Und Visuelle Poesie? Nun gut. Meist werden Gedichte aus Worten gemacht, manchmal eher ungewöhnliche Wörter, solche, die nicht üblich im Sprachgebrauch sind. Häufig Wörter, die klingen oder die sich reimen. Wörter mit Rhythmus und Melodie. Im Idealfall passend zum Inhalt. Der Inhalt ist Gefühl. Oder mindestens fühliges Empfinden. Wahrnehmung auf allen Kanälen. Dazu soll die Melodie passen.
Es muss nicht schön sein, harmonisch. Aber schöner ist es.
Wie wird Lyrik gemacht? Eine Empfindung, eine Sensation. Irgendetwas wichtiges. Das ist der Ausgangspunkt, zu dem muss eine Melodie gefunden werden. Rhythmus, Takt, Tempo, Klang, Ton. Dissonant oder konsonant. Die Konsonanten machen den Ton. Damit ist schtzngrmm wieder dabei. Ottos Mops hopst. Die lyrische Melodie aus Buchstaben zu Basteln ist Arbeit – Dichte-Arbeit. Und Fisches Nachtgesang ist wieder nicht dabei.