Zitate zum Schreiben: dreizehn

„Ich brauche nichts weiter als ein Stück Papier und ein Schreibwerkzeug, und ich werde die Welt aus den Angeln heben“

soll Friedrich Nietzsche gesagt haben. Versuchen wir es auch. Und hoffen, dass sie sich dabei zum Guten verändert.

Zitate zum Schreiben: zwölf

„Lesen macht vielseitig, Verhandeln geistesgegenwärtig und Schreiben genau.“

sagte der englische Philosoph Francis Bacon. Genauigkeit ist in der Wissenschaft besonders gefragt. Ein guter Grund für häufiges wissenschaftliches Schreiben.

Schreiben und Schreiben – zwei paar Stiefel

Es gibt so Zeiten, da passiert allerhand. Mensch ist abgelenkt, schafft vor sich hin und plötzlich sind Wochen vorbeigerannt, in denen kein Wort geschrieben wurde. So ging es mir mit Beginn der Osterferien, so dass hier im Blog seit langem das Ostereigedicht bunt vor sich hinleuchtet. Doch nicht nur beim Blogschreiben passiert das, auch bei anderem Kreativen Schreiben.

Natürlich habe ich nicht kein Wort geschrieben: Es entstanden viele E-Mails, ein Protokoll, Kursunterlagen, offizielle Briefe, Einkaufszettel und vieles mehr, dazu habe ich die zwei Wörter meines Namens unzählige Male von Hand auf Papiere aller Art gesetzt. Doch all dies meine ich nicht, wenn ich sage: Ich habe geschrieben. Nach Geschrieben-Haben fühlt es sich an, wenn ich ein Gedicht schreibe, einen Slam-Text, einen Blog-Beitrag, … Auch wenn ich einen Sachtext schreibe einfach nur, weil es mich interessiert.

Schreiben heißt für mich kreativ werden und aus einem inneren Antrieb heraus Wörter setzen. Texte, die ich aus irgendeinem Grund irgendwo abliefern muss, fallen nicht darunter. Auch nicht, wenn mir das Schreiben Spaß macht, und obwohl jedes Schreiben auch kreativ ist, wie ich es hier einmal beschrieben habe. Schreiben heißt, mich ausdrücken und dafür auch die jeweilige passende Form wählen. Irgendwie gibt es Schreiben und Schreiben. Das eine passiert automatisch immer wieder, ohne das andere fühle ich mich auf Dauer nicht wohl.

Doch weil dieses andere Schreiben eben nicht automatisch passiert, kommt es immer wieder mal zu kurz. Rituale schaffen, Gewohnheiten bilden ist hilfreich, damit das nicht zu oft passiert. Sich selbst ein wenig Druck oder Außenkontrolle aufzubauen auch – z.B. mit Gruppentreffen, bei denen man einen Text mitbringen „muss“, oder mit einem Blog, wo jeder sieht, wenn es nichts Neues gibt. Aber das Wichtigste ist wohl: Irgendwann merke ich, dass etwas fehlt. Irgendwann sehne ich mich wieder danach zu sagen, ich habe etwas geschrieben. Dann heißt es nicht zaudern oder mich mit Selbstvorwürfen weiter abzulenken. Dann ist es am besten, ich schreibe sofort.

Klöppeln, malen, reimen – das Kreative Schreiben

Kreatives Schreiben hat ja manchmal den Ruf, ein Kaffeeklatschtreffen für frustrierte oder gelangweilte Hausfrauen zu sein, ein Volkshochschulkurs neben Klöppeln für Fortgeschrittene, Italienisch für die Reise oder Bauernmalerei leicht gemacht. Ja, so ist Kreatives Schreiben. Es ist ein wundervolles Hobby, das von mehr Frauen als Männern ausgeübt wird, es ist geselliges Zusammensein, Spiel, Kreativität und Phantasie. Es kann lustiges Reihumreimen sein, Wörter aus Zeitschriften ausschneiden und zusammenkleben oder aus vorgegebenen Stichwörtern absurde Geschichten basteln. Oft findet es in der Gruppe statt, Schreibwerkstatt genannt. Kreatives Schreiben hat viel mit Freude am Tun zu tun, heißt Schreibprozesse anstoßen, laufen lassen und sich vom Ergebnis überraschen lassen. Das ist gut.

Aber Kreatives Schreiben ist gleichzeitig noch viel mehr, kann mehr sein, wenn Schreib-werkstätten von Menschen geleitet werden, die wissen, was sie tun und warum, wenn diejenigen, die kreativ schreiben, eben mehr wollen als nett  mit Gleichgesinnten beisammen sein(was allein jedoch durchaus seinen Wert hat). Was alles Kreatives Schreiben ist und sein kann, sehe ich zur Zeit besonders deutlich, wenn ich die Textmappen und dazugehörenden Reflexionen der Studierenden lese, die im vergangenen Semester an meinem Kurs an der Uni Konstanz teilgenommen haben. Teils in deren Worten (als anonymisierte Zitate), teils in meinen Worten ist Kreatives Schreiben:

  • Ein Experiment mit Worten, mit Sprache und mit Texten. Das unterschiedliche Herangehen an die Texte kann als Teil des Experiments angesehen werden.
  • Langsam entstehen tintenblaue Worte vor mir auf dem Papier, als würden stumme Töne die weiße Stille verdrängen.
  • Die Motivation für die Texte rührt aus den verschiedensten Winkeln der Seele.
  • Puzzelt man verschiedene Erfahrungsschnipsel zusammen, wird daraus etwas aufregend Neues.
  • Es tut mehr als gut, mal beim Schreiben nicht gezwungen nachdenken zu müssen.
  • Bei kaum einer anderen Tätigkeit macht man sich über so viele (sinnlose?) Sachen ernsthaft Gedanken.
  • Das Schreiben zeigt mir selbst immer in gewisser Weise einen Teil meiner Seele und meiner Ängste, wie ich sie ohne das Schreiben nicht erkennen würde.
  • Und ganz nebenbei lernen die Leser mich durch meine Texte irgendwie besser kennen.
  • Ein Kurs im Kreativen Schreiben setzt Kreativität frei, die später, wie auch immer, genutzt werden kann.
  • Wenn ich schreibe, bin ich nicht mehr ich selbst. Eine Welt, die mir zuvor fremd schien, offenbart sich als ganz natürlich und normal. Nichts scheint unmöglich oder verboten, die Gedanken und die Hand sind frei.
  • Kreatives Schreiben übt den Vorgang, das, was im Kopf ist, aufs Papier, in Linienform zu bringen. Immer mehr entwickelt sich eine eigene Stimme, die auch bei anderem (nicht-kreativen?) Schreiben zum Tragen kommt.
  • Warum konnte ich jetzt auf einmal wieder schreiben, als wäre nie etwas gewesen?

Kreatives Schreiben hat viel mit Ausdruck, mit persönlicher Weiterentwicklung, mit größer werdender Schreibkompetenz im Allgemeinen zu tun. Kreatives Schreiben in der Gruppe führt zu intensiven Begegnungen, übt das Wechseln zwischen Autoren- und Leserperspektive, steigert das Sprachgefühl und ist ein Erfahrungsraum für Textfeedback geben und nehmen, es fördert das Gehörtwerden. Beim Kreativen Schreiben steht – in meiner Sicht – der Prozess des Schreibens im Vordergrund. Nichtsdestotrotz entstehen Texte, um die es schade wäre, wenn sie nicht geschrieben worden wären. Deshalb lohnt es sich sehr, auch für Nicht-Hausfrauen, auch für Menschen, die das Schreiben nicht in irgendeiner Weise zu ihrem Beruf machen wollen. Dazu kommt, dass es Spaß macht.

Kreatives Schreiben ist eine Beschäftigung, die an vielen Orten, in vielen Zusammenhängen, mit verschiedenen Beweggründen ausgeführt werden kann. Es ist etwas zutiefst Menschliches. Ich will darauf nicht mehr verzichten. Und Sie?

So dichte ich

Zur Zeit bin ich schreibend stark damit beschäftigt, Gedichte zu schreiben. „Richtige“ Gedichte, was immer das sein könnte, keine Wort- und Schreibspielereien, keine Elfchen, Zevenaare oder Bulldozer-Gedichte. Diese Gedichte sollen wachsen, sich entwickeln dürfen, ich arbeite so lange daran, bis ich glaube, besser kann ich es im Moment nicht ausdrücken, Form und Inhalt passen so gut wie mir möglich zusammen. Deshalb haue ich die neuen Texte nicht einfach so raus, so dass es im Blog ein wenig ruhiger geworden ist.

Immer deutlicher wird mir: Ich unterscheide klar für mich zwischen kreativem Schreiben – schnell, spontan, spielerisch -, wie ich es mit großer Freude in Schreibwerkstätten und manchmal auch für mich allein praktiziere, von Gedichte schreiben im obigen Sinn. Doch wie gehe ich vor, wenn ich dichte?

1. Ist da eine ganz vage Idee, ein Thema, ein Bild, eine Situation, eine Wendung. Sie kommt von irgendwo her in meinem Kopf, spuckt darin herum und begleitet mich ein paar Stunden oder Tage, je nach dem. Im Geist finde ich Formulierungen, Textfragmente, die ich erprobe.

2. Kommt der Moment, an dem ich weiß, das Gedicht hat eine Gestalt gefunden. Mir ist diese Gestalt noch nicht klar, ich sehe sie noch nicht, spüre nur, dass sie da ist. Dann greife ich zu Bleistift und Papier. Ich schreibe drauf los, aus dem Bauch heraus, lasse die Worte aufs Papier fließen. Die Zeilenumbrüche, der Rhythmus, der Klang ergeben sich von allein.

3. Manchmal reicht ein Anlauf, um das, was sich in meinem Kopf gebildet hat, aufs Papier zu bringen, manchmal setze ich zwei-, drei-, viermal neu an, schreibe mit etwas Abstand einfach weiter. Wenn das Gerüst handschriftlich klar ist, muss es in den Computer übertragen werden: Ich muss sehen, ob es gedruckt „richtig“ aussieht.

4. Beim Abtippen verändert sich automatisch das eine oder andere Wort, mit den Zeilenumbrüchen und der Einteilung in Strophen spiele ich so lange herum, bis es stimmt. Manchmal bekommt das Gedicht dann auch einen ersten Titel, manchmal bleibt es zunächst titellos.

5. Jetzt brauche ich Abstand: Das Gedicht wird gespeichert – wenn es noch keinen Titel hat, ist das Finden eines Dateinamens eine Herausforderung -, der Computer wird ausgeschaltet. In meinem Kopf begleitet mich das Gedicht weiter, aber weniger im Vordergrund, weil es jetzt ja festgehalten ist und nicht mehr verloren gehen kann. Zu dem Zeitpunkt bin ich mir so klar über mein Gedicht, dass ich es auch, wenn es sich ergibt, ausgewählten Menschen zeigen kann. Rückmeldungen höre ich und nehme sie auf: Sie helfen mir, mein Gedicht besser zu verstehen, klarer zu sehen.

6. Nach einer Pause bekomme ich den Drang, das Gedicht zu perfektionieren, fertig zu stellen. Dazu ist es gut, wenn ich es ausdrucke: So kann ich es mitnehmen, habe es immer vor Augen, wenn mir eine Idee kommt. Manchmal kritzle ich viele Alternativformulierungen dazu, manchmal bleibt das allermeiste wie es am Anfang war. Oft probiere ich auch herum, um am Ende doch zu der Ursprungsversion zurückzukehren. Es ist die Erprobungsphase für das Gedicht. Dadurch dass alles auf dem Papier passiert, geht keine Version verloren.

7. Eine Fleißarbeit ist es, die endgültige Version in die Computerdatei einzugeben, denn für mich ist nun alles klar und fertig. Dann bin ich damit durch, warte auf Inspiration oder hatte sie schon und schreibe das nächste Gedicht.

Tagebuch als Wahrnehmungsschulung

Eine ausgedehntere Tagebuchphase hatte ich ja vor einigen Wochen hier im Blog. Unter anderem habe ich mich dabei gefragt, warum das Tagebuchschreiben so schwierig sei. Nun kann ich stolz und zufrieden berichten: Die ersten zwei Monate Glückstagebuch sind komplett. Manche Tage musste ich zwar später nacharbeiten, doch zu jedem Tag stehen zwei Zeilen da.

Je länger man es macht, desto anspruchsvoller wird die Aufgabe. Zu viele Tage laufen immer ähnlich ab, jeden Tag „nichts besonderes“ schreiben ist langweilig. Also zwingt das Tagebuchschreiben zu genauem Hinsehen: Welcher Moment lohnt heute das Festhalten? Wie kann ich Alltägliches für genau jetzt passend notieren? Deshalb ist Tagebuchschreiben, das schon allein als Selbstreflexions- und Erinnerungsmethode genug wäre, mehr als das. Es ist Wahrnehmungs- und Beobachtungsschulung, ist Lebensintensivierer, ist Formulierungsschulung und Schreibroutine. Dazu ist Tagebuchschreiben kreativ oder tägliches kreatives Schreiben.

Die Aufmerksamkeit, die dazu führt, dass jeden Tag zwei Zeilen Glück in meinem Jahresbuch stehen, kann auch die Grundlage für ein Gedicht sein. Dann kommen zur bewussten Beobachtung ein neues, passendes Bild und die gezielt gestaltete Form und Sprache dazu. Ohne die alltägliche Beobachtung im Innern oder Äußern gibt es aber kein Gedicht. Oder?