Schreibt!-Raum 17:Märchen umschreiben

Zur Zeit wird viel diskutiert über veraltete und diskriminierende Begriffe in Kinderliteratur und wie damit umgegangen werden soll. Auf Schwierigkeiten, die mich an diese Diskussion erinnern, bin ich letztens gestoßen, als ich das Märchen „Die kleine Meerjungfrau“ vorgelesen habe. Mir war schon klar, dass das Märchen problematisch ist – so wie das Frauenbild in Märchen allgemein, sagen wir mal, schwierig ist – dass es allerdings so fürchterlich ist, merkte ich erst, als ich beim Ende ankam und meine Tochter aufmerksam lauschte. (Wer die Geschichte auch nicht richtig im Kopf hat, hier die Version, wie ich sie gelesen habe: Die Meerjungfrau muss sterben, weil der Prinz nicht sie gewählt, sondern eine andere geheiratet hat. Sie könnte ihr Leben jedoch retten und ins Meer zurückkehren, indem sie den Prinzen tötet. Doch sie liebt ihn so sehr, dass sie lieber das Messer ins Meer wirft und sich deshalb in Meerschaum auflöst).

Was tun? Spontan sagte ich sofort, dass ich das Märchen blöd finde und dass das eigene Leben immer wichtiger ist als irgendein Prinz. Klar, eigentlich hätte ich die Geschichte vorher allein lesen und dann verschwinden lassen müssen, doch dafür war es ja zu spät. Dann sind wir kreativ schreibend damit umgegangen und haben begonnen, unser eigenes Meerjungfrauen-Märchen zu schreiben, mit einer jüngsten Tochter, die die Mutter rettet und ihren eigenen Weg geht. Noch ist das Märchen nicht fertig, aber vielleicht darf ich es dann hier veröffentlichen. Und Märchen umschreiben, so dass uns die Aussage in der heutigen Zeit passt, dass eine Botschaft vermittelt wird, die Mädchen und Jungs stärkt statt klein macht, ist vielleicht eine gute Idee für viele Gelegenheiten im Grimm-Jahr 2013 – auch wenn die Grimmschen Märchen viel eher gehen als das genannte von Hans Christian Andersen.

Schreibt!-Raum 16: Random Hits

Bei Stephan Poromka (Schreiben unter Strom. Experimentieren mit Twitter, Blogs, Facebook & Co. Mannheim, 2012, S.25f) fand ich den Hinweis zu einem Schreibspiel der modernen Art: Plattencover gestalten per Zufallstreffer. Hier lässt sich das ganze automatisiert als kreative Pause ausprobieren.

Meine, für die Einheit copy and remix im Kurs Kreatives Schreiben an der Uni übersetzte und leicht veränderte Anweisung lautete:

  1. Sie öffnen ein Programm, mit dem Sie Bildgestaltung machen können – Photoshop, Präsentationsprogramm im Office oder pixlr.com .
  2. Sie wählen ein Bild als Cover aus: Nehmen Sie das vierte Bild unter Entdeckungen der letzten 7 Tage bei Flickr.
  3. Nun brauchen Sie einen Namen für Ihre Band. Gehen Sie auf Wikipedia, suchen Sie sich die Sprache aus und nehmen Sie den Titel des ersten Zufallstreffers als Bandnamen.
  4. Als letztes braucht Ihr Debutalbum noch einen Titel. Den finden Sie bei www.quotationspage.com. Unter „zufällige Zitate“ wählen Sie die letzten vier oder fünf Wörter des allerletzten Zitats auf der Seite.
  5. Nun packen Sie alles in Ihrer Bilddatei zusammen und können das Ergebnis speichern, auf der Lernplattform oder im Netz hochladen.

So kreativ kann kopieren sein!

Schreibt!-Raum 15: Fernsehgeschichten

Jetzt ist es so weit: Seit gestern können alle, die trotz monatelangem Spruchband über dem Programm und unzähliger Hinweise in der Presse die Umstellung auf digital verschlafen haben, nicht mehr fernsehen. Wahrscheinlich sind Menschen, die so was von hinterm Mond leben, auch nicht im Internet unterwegs, geschweige denn dass sie diesen Blog lesen. Doch für die zwei, drei Betroffenen, die das hier lesen, bzw. für diejenigen, die mal einen Moment Freizeit haben, in dem das Fernsehprogramm seltsamerweise nicht so überzeugend ist, eine Schreibanregung.

Schreiben wir doch einmal Fernsehgeschichten. Biografisch oder erfunden ist hierbei ganz egal. Wer erinnert sich noch an die Waltons, deutsch ausgesprochen, oder den Doktor mit seinem lieben Vieh? Nach welchen Fernsehregeln – vor 17 Uhr darf nicht angeschaltet werden – sehnen wir uns heute zurück? Wieso musste man unendlich lange langweilige Wissensfragen schauen, bevor endlich Wum und Wendelin kamen? Und wie war das mit der Lindenstraße, damals in der WG?

Jeder hat so seine eigenen Fernseherinnerungen und -geschichten. Die nicht mehr ganz so jungen unter uns kann man zuverlässig anhand der Fernsehkenntnisse in Ossis und Wessis einteilen. Also nutzen wir die gezwungenermaßen fernsehfreie Zeit, um eine oder mehrere der Fernsehgeschichten aufzuschreiben. Vielleicht lässt sich sogar eine Montage aus beliebten Zitaten unserer persönlichen Fernsehgeschichte basteln.

Übrigens: Seit kurz vor dem Sommermärchen gucke ich selten, aber digital. Am Bodensee hat die digitale Zimmerantenne aber nach wie vor eine ausgeprägte Ost-Schwäche – Sender aus dem so naheliegenden Österreich oder Bayern sind leider nicht zu empfangen.

Schreibt!-Raum 14: Ostereier

Bei Tinas Tag gibt es einen flotten Artikel zum Thema Ostertage mit Kindern. Da es mir schon schlecht wird, wenn ich nur darüber nachdenke, Eier auszupusten, um sie zu bemalen und an Zweige zu hängen, kam mir die Idee, Ostereier-Gedichte zu schreiben. Das Wetter soll ja ungemütlich sein, also kuscheln wir uns aufs Sofa, zücken den Bleistift und malen mit Buchstaben.

Ostereier-Gedichte heißen normalerweise Schneeball. Das ist ein Gedicht, bei dem erst jede Zeile eine Silbe länger wird als die vorherige, danach wird stetig wieder abgebaut. Da ich Silbenzählen sowieso liebe, kommt mir das entgegen. Der ganze Text muss natürlich noch zentriert gesetzt werden, damit es auch wirklich wie ein Ei aussieht, mit wie vielen Silben man beginnt und bis zu wie vielen Silben man das Gedicht ausbaut, kann man je nach Schriftgröße und Zeilenabstand danach entscheiden, wie es gut aussieht. Wer die Möglichkeiten seines Textverarbeitungsprogramms noch mehr ausnützen will, kann mit verschiedenen Schriftfarben für noch mehr Ostereier-Feeling sorgen.

Also: Mit verklebten Fingern vergeblich versuchen, Wollfäden auf Eierschale anzubringen, die gesamte Wohnung von Farbklecksen befreien oder einfach ein Osterei-Gedicht schreiben? Sie haben die Wahl.

Treppen führen zu Absturzgefahr

Im Schreibt!-Raum 11 habe ich ja vorgeschlagen, Treppengedichte zu schreiben. Um dann selbst festzustellen, dass 1. das Anschläge zählen mühsam ist und den Schreibfluss nicht unbedingt begünstigt und dass 2. die Form den Inhalt sehr beeinflusst.
Nun habe ich eine Mail bekommen von einer, die ’s ausprobiert hat. Auch Ihr kam wohl vor allem „abgründiges, abstürzendes in den Sinn“. Da frage ich mich: Warum geht es eher treppab als treppauf? Sollte man generell Treppen lieber meiden oder liegt es daran, dass wir von oben nach unten lesen? Vielleicht haben Treppen einfach immer eine immense Stolpergefahr, egal in welcher Richtung man sie begeht, auch wenn sie komplett normgerecht gebaut sind.
Ob es sich lohnt, einmal ein Treppengedicht von unten nach oben zu schreiben, also mit der langen Zeile anzufangen und zu sehen, auf welches einzelne Wort der Text dann am Ende zuläuft? Denn Aufstieg ist immer besser als Abstieg und Schreiben speziell soll doch positive Effekte auf allerlei haben. Hat es gewöhnlich auch.

Bis ich dies in Ruhe erforscht habe, habe ich mich noch einmal an einem Bulldozer-Gedicht versucht. Und als nächstes zähle ich mal wieder Silben statt Anschläge und sage: Siebzehn Silben für ein Haikuluja.