Treppen führen zu Absturzgefahr

Im Schreibt!-Raum 11 habe ich ja vorgeschlagen, Treppengedichte zu schreiben. Um dann selbst festzustellen, dass 1. das Anschläge zählen mühsam ist und den Schreibfluss nicht unbedingt begünstigt und dass 2. die Form den Inhalt sehr beeinflusst.
Nun habe ich eine Mail bekommen von einer, die ’s ausprobiert hat. Auch Ihr kam wohl vor allem „abgründiges, abstürzendes in den Sinn“. Da frage ich mich: Warum geht es eher treppab als treppauf? Sollte man generell Treppen lieber meiden oder liegt es daran, dass wir von oben nach unten lesen? Vielleicht haben Treppen einfach immer eine immense Stolpergefahr, egal in welcher Richtung man sie begeht, auch wenn sie komplett normgerecht gebaut sind.
Ob es sich lohnt, einmal ein Treppengedicht von unten nach oben zu schreiben, also mit der langen Zeile anzufangen und zu sehen, auf welches einzelne Wort der Text dann am Ende zuläuft? Denn Aufstieg ist immer besser als Abstieg und Schreiben speziell soll doch positive Effekte auf allerlei haben. Hat es gewöhnlich auch.

Bis ich dies in Ruhe erforscht habe, habe ich mich noch einmal an einem Bulldozer-Gedicht versucht. Und als nächstes zähle ich mal wieder Silben statt Anschläge und sage: Siebzehn Silben für ein Haikuluja.

Schreibt!-Raum 11: Treppengedichte

Das Bulldozer-Gedicht zu entwickeln hat Spaß gemacht und wurde schon von Lucia (und auch von anderen?) aufgegriffen. Und da der Druck, dringend etwas schreiben zu müssen Kreativität freisetzt, habe ich mir heute noch eine weitere Gedichtform ausgedacht: das Treppengedicht.

Treppen kann man in zwei Richtungen gehen, nach oben oder nach unten. Je nachdem ob der Treppentext links- oder rechtsbündig geschrieben ist, wird die eine oder andere Richtung betont, möglich bleiben immer beide. Deshalb kann auch das Treppengedicht in zwei Richtungen gelesen werden.
Damit eine Treppe gut zu begehen ist, müssen die Stufen gleichmäßig sein. Dazu gibt es Normwerte, die zwar Normmenschen nicht kennen, aber jeder spürt es sofort, wenn sie nicht eingehalten wurden. Beim Treppengedicht ist die Treppensteigung durch die Schriftgröße und den Zeilenabstand festgelegt und bleibt immer gleich (wenn man nicht zwischendrin die Formatierung wechselt). Die Treppentiefe, also wieviel Platz der Fuß zum Draufsteigen hat, hängt von der Zeichenanzahl ab – und natürlich davon, wie breite Zeichen, außer man verwendet eine nicht-proportionale Schrift wie Courier; das vernachlässige ich im Weiteren.

Wer baut eine Treppe mit möglichst gleich breiten Stufen? Erster Schritt: die Schritttiefe = Zeilenlänge festlegen. Bei echten Treppen 23 – 37 cm, im Treppengedicht 5 – 10 Zeichen (Leerzeichen zählen natürlich mit). Zweiter Schritt: Stufenanzahl festlegen. Nach spätestens 18 Stufen braucht eine Treppe ein Podest, also 5 – 18 Zeilen. Und nun die Zeilen so mit Wörtern füllen, dass die nächste Zeile immer um die festgelegte Zeichenzahl länger ist. Und vor allem, dass die Treppe sinnvoll in beide Richtungen begangen werden kann und sich sowohl Auf- als auch Abstieg lohnen.

Alles klar? Mit meiner Lieblingszahl sieben sieht das ganze dann so aus:

XXXX XX
XXX XXXXX XXXX
XXXXXXX XXXXX XXXX XX
XXXXXX XXXX XXXXX XXXXXX XXX
XXXXXXXX XXXXX XXXXXXX XXXXXXXX XXX
XXXX XXXXX XXX XXXXXXXX XXXX XXXXX XXXX XX
XX XXXXX XXXX XXXXXXX XXXX XXXXX XXXXXX XXXXX XXX

Und jetzt mit richtigen Wörtern!

Schreib!-Raum 10: Bulldozer-Gedicht

Mit einer Freundin kam ich in den Ferientagen auf die Idee, eine eigene Gedichtform zu kreieren, statt immer nur Elfchen, Zevenaare und Co. von anderen zu schreiben. Spontan entstand der Bauplan für ein Bulldozer-Gedicht. Vielleicht lässt sich mit dieser Form was anfangen. Wer probiert es aus?

Das Zentrale am Bulldozer-Gedicht ist das Bulldozer-Wort. Dies kann ein richtiges Wort oder auch ein Lautwort sein und steht rechtsbündig in der vierten Zeile. Zeile 1 bis 3 antworten auf die Fragen 1. Wo?, 2. Was? und 3. Wer? In Zeile fünf bis sieben werden die ersten drei Zeilen wiederholt, eventuell wird das ganze in eine andere Zeitform gesetzt.

Als Beispiel zwei Versuche, die noch Ende des letzten Jahres im Zug entstanden. Und dann bin ich gespannt auf andere Bulldozer-Gedichte.

Bulldozer-Beispiele

 

Stürmisches Schreiben

Heute Nachmittag wollte ich mit einer Gruppe Studierender kreativ „auf der Gass“ schreiben. Mit Feuchtigkeit hatte ich gerechnet und Bleistifte empfohlen, verschiedene warme Orte für eisige Temperaturen auf der Strecke vorgesehen. Alles war bereit, bis genau fünfzehn Minuten vor Schreibbeginn ein wilder Sturm losbrach, gleichzeitig flossen Bäche vom Himmel. Einige Regenschirme gingen kaputt.
Also musste das Programm umgestellt werden. Um uns neu zu orientieren, haben wir erst einmal Sturmtexte geschrieben. Also so etwas:

Dschumm pok pok pok
Buwummmm
tschiiiie tschiiie
Krawak krawak krak krak krak
Huijjjj
Dschwumm bum bum
knortz, knortz
Scheiße

Schreiben auf der Gass ist ein störanfälliges Vorhaben. Es könnte, denke ich, dennoch sehr inspirierend sein. Wir probieren es an einem anderen Tag.

Schreibt!-Raum 9: Adventspantun

Ich bin immer noch und in verschiedenen Zusammenhängen mit Gedichtschreiben beschäftigt und habe mich dabei heute wieder an das Pantun erinnert. Ein Pantun ist ein Gedicht, bei dem jede Zeile in der nächsten Strophe wiederholt wird. Das ist zunächst einmal praktisch, denn um ein Pantun mit vier Strophen à vier Zeilen zu dichten, wie es üblich ist, muss man sich nur acht Zeilen ausdenken. Dadurch entsteht automatisch großer inhaltlicher Zusammenhalt zwischen den Strophen, die Aussage der einzelnen Zeilen wird durch die Wiederholung verstärkt.

Die Advents- und Weihnachtszeit zeichnet sich besonders dadurch aus, dass sich Dinge wiederholen, immer gleich ablaufen. Daher passt das Pantun gut in die Zeit. Schreiben Sie doch heute mal Ihr persönliches Adventspantun. Gehen Sie dabei so vor:

Schreiben Sie folgende Zahlen untereinander auf ein Blatt Papier: 1, 2, 3, 4 – 2, 5, 4, 6 – 5, 7, 6, 8 – 7, 1, 8, 3. Jede Zahl steht nun für eine Zeile, jeweils vier Zeilen bilden eine Strophe. Zeile 1 und 3 aus der ersten Strophe werden in der letzten Strophe wiederholt und sind sozusagen die wichtigsten Zeilen. Mit Zeile 3 endet das Gedicht.
Ein Pantun klingt besonders gut, wenn es durchgetaktet ist, sich also runterleiern lässt: Dichten Sie gleich lange Zeilen, bei denen sich betonte und unbetonte Silben abwechseln. Ob Sie mit oder ohne Betonung beginnen, legen Sie bei der ersten Zeile fest. Wenn das Pantun sich reimen soll, müssen sich die Zeilen kreuzweise reimen, also 1 mit 3, 2 mit 4 usw. Meiner Meinung nach muss es nicht gereimt sein und wie sich das in der Ursprungssprache des Pantun, dem Malaiischen verhält, weiß ich nicht. Machen Sie es so, wie Sie am meisten Spaß daran haben.
Wenn Sie die erste Strophe gedichtet haben, können Sie die Zeilen direkt an die Stelle übertragen, wo sie wiederholt werden. Dann können Sie Zeile für Zeile die Lücken füllen und darauf achten, dass es sich inhaltlich gut zusammenfügt. Manchmal lässt sich die Wirkung des Gedichts noch steigern durch eine kleine Veränderung bei der Wiederholung, z.B. ein einzelnes vertauschtes Wort oder Satzzeichen. Spielen Sie mit der Form und lassen Sie sich überraschen, welche Inhalte sich in Ihr Adventspantun drängen.

Wer mehr über das Pantun erfahren möchte oder Beispiele dafür sucht, wird auf der Pantun-Seite von Renate Golpon fündig.

Schreibt!-Raum 8: Elfchen

Jetzt habe ich den Klassiker des Kreativen Schreibens schon mehrfach erwähnt und vorgeführt, aber niemals erklärt, wie es geht. Da Elfchen aufgrund des märchenhaften Namens gut in die Adventszeit passen, heute also die Anregung, selbst eins zu schreiben: übers Wetter, über Advent, über heute oder über irgendwas. Es geht so:

1. Zeile: 1 Wort = eine Farbe oder Eigenschaft
2. Zeile:  2 Wörter = ein Gegenstand, der diese Eigenschaft hat
3. Zeile: 3 Wörter = eine nähere Beschreibung, etwas Konkretes, ein Detail
4. Zeile: 4 Wörter = ein Satz mit einer Tätigkeit
5. Zeile: 1 Wort = Schlusspunkt, manchmal auch Wende, Pointe

Ein Elfchen kann eine Sache ganz auf den Punkt bringen, ist aber auch einfach spielerisches Schreiben zwischendurch. Fest gelegt ist, dass es elf Wörter hat, deshalb heißt das Elfchen so, verteilt auf fünf Zeilen. Beim Inhalt der Zeilen darf ruhig variiert und experimentiert werden.