Meisterschülerin. Ich!

Ich merke, ich mache es spannend. Für mich selbst am meisten. Seit ein paar Tagen verstecke ich das Schlagwort „Kunstsommer Irsee“ unter manchen Beiträgen, gestern schrieb ich, dass ich dort weilte. Jetzt werde ich deutlich, mir scheint, ich bin es jemandem schuldig:

Vom 4. bis 12. August war ich Meisterschülerin bei der Sommerakademie der schönen Künste in Kloster Irsee. Was genau es damit auf sich hat, lässt sich auf der Homepage oder im gestern verlinkten Blog von Sophie Paulchen nachlesen – aus zwei unterschiedlichen Perspektiven. Ich wurde aufgrund meiner Bewerbung mit zehn meiner Gedichte für die Klasse von Nora Gomringer zugelassen, die unter dem Motto „Alle Lyrik ist Mundwerk“ stand.

„Meisterschülerin, Lyrikerin, Werk, Dichterin, Künstlerin“ – alles Worte, die nur schwer aus meinem Mund kommen. Und doch war es das. Ich habe in dieser Woche unendlich viel gelernt. Übers Schreiben und Lesen, über Lyrik und Dichtung, über Sprechen, In-Szene-Setzen und Passieren-Lassen, über Worte und Raum. Ich habe von Nora gelernt (ganz herzlichen Dank für Dein riesiges Engagement und dass Du Dein Wissen und Erleben so bereitwillig mit uns geteilt hast), von den anderen neun LyrikerInnen und von den MeisterInnen und SchülerInnen der anderen Klassen. Nun weiß ich, dass in der Fotografie, der abstrakten Malerei oder anderen Künsten vieles ganz ähnlich ist wie beim Dichten.

Noch bin ich damit beschäftigt, alles Erlebte zu ordnen, nachwirken zu lassen, die unzähligen Impulse festzuhalten. Mir scheint, mir ist eine Poetisierung geschehen. Nun gilt es dran zu bleiben und aus einigen Gedanken, Ideen, Sprachbildern Gedichte zu bauen, die funktionieren. Daneben zeigt sich unscharf ein Weg, mein Weg. Ich hoffe, ich habe den Mut, ihn zu betreten, zu erkunden, weiter zu gehen. Gestern las ich wenig überzeugt Gedichte im Slam-Poeten-Treffen vor, heute kaufte ich mir spontan entschieden ein neues Kleid.

 

Der Wurm fraß den Geburtstag auf und macht Urlaub

Irgendwie ist der Wurm drin, in meinem Blogschreiben. So ein fettes, schwarzes Ding, das über die Tage zieht und eine Spur von unsichtbar verschmierten Worten hinterlässt. Die Wochen glibschen dahin und lassen sogar den Bloggeburtstag in Vergessenheit geraten.

Am 20 Juli wurde dieser Blog, der meinen Schreibtraum greifbar machen sollte, ein Jahr alt. Aus dem Gröbsten ist er also raus. In den 366 ersten Tagen sind 187 veröffentlichte Artikel entstanden, etwas mehr als jeden zweiten Tag einer. Das ist nicht wenig bei einer, bei der immer wieder der Wurm drin ist. Ich bin stolz darauf.

Nun beginnen die Kleinkindjahre meines Bloggerinnendaseins. Da gibts sicherlich noch viele Entwicklungsmöglichkeiten, zwischen einer Einjährigen und einer Dreijährigen ist ein Riesenunterschied, wie man weiß. Auch Trotzphasen sind zu erwarten. Ich bin gespannt, wie die sich zeigen. Die meisten Kleinkinder ekeln sich vor nichts und neigen dazu, herumkriechende Würmer genau zu untersuchen. Also wird es weitergehen mit schreib-t-raum. Irgendwie.

Jetzt sind allerdings Ferienzeiten mit allem, was die so mit sich bringen. Der Blog hat schon, kurz nachdem er das Licht der Welt erblickte, zunächst eine sechwöchige Pause eingelegt, bevor er dann richtig loslegte. Nur damit keine falschen Erwartungen geschürt werden. Mich gibts noch, es wird weiter was von mir zu lesen geben. Und wenn immer wieder längere Pausen entstehen, genieße ich mit und ohne Familie den Sommer am See und anderswo. Auf bald!

Dichterbekenntnisse

Weder Karl Schimper noch sein Gedicht Bekenntnis kannte ich bis vor ein paar Minuten – da habe ich es im Lyrikkalender gelesen. Hier bekennt er: „Poeterei, die schlichte, lieb‘ ich“*.

Ein schneller Blick in die Wikipedia klärt mich auf: Schimper war kein Schriftsteller oder Literat, er war Naturforscher und Privatgelehrter, der sich mit der Stellung der Blätter an Pflanzen, der Entstehung der Alpen und der Eiszeit beschäftigt hat und dessen Erkenntnisse offensichtlich anderen zugeschrieben wurden, so dass er dafür keinen Ruhm erhielt. Die einzigen beiden Bücher, die er veröffentlichte, waren Gedichtbände, seine wissenschaftlichen Erkenntnisse formulierte er unter anderem als Oden.

Man muss also kein Dichter sein, um das Dichten zu lieben, und Themen für Gedichte finden sich überall, bis zurück zur Eiszeit. So nehme ich mir sein Bekenntnis zum Ansporn und freue mich, wenn ich rückblickend irgendwann mit ihm sagen kann:

„Allein von allem mußt‘ ich dichten,
Und mancherlei Gedichte schrieb ich!“*

*zitiert nach: Shafiq Naz (Hg.): Der deutsche Lyrikkalender 2012. Jeder Tag ein Gedicht. alhambra Publishing, 5. Juli

Öffentlich schreiben

Durch die Weiten des WWW und dann doch wieder vor Ort gelandet: Von Link zu Link bin ich auf dem Blog von Christine Finke gelandet, die unter dem Motto Mama arbeitet „aus dem Leben einer berufstätigen Alleinerziehenden“ berichtet. Obwohl Konstanz ein Dorf ist, glaube ich, wir kennen uns (noch) nicht. Beim Stöbern fallen mir einige Artikel auf, deren Themen mich interessieren, so dass ich sicherlich nun regelmäßig vorbeischauen werde.

Ihr aktueller Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, wie öffentlich darf ein privater Blog sein. Eine Frage, die auch mich immer wieder beschäftigt, obwohl mein Blog hier, der sich rund um mein und das Schreiben an sich dreht, wenig privat ist im Vergleich zu dem einer bloggenden Mutter. Trotzdem: Wie stelle ich mich dar, wie zeige ich mich in dem, was ich schreibe? Und wem? Während ich im übrigen Leben genau differenziere, welche Person welche Texte von mir zu lesen bekommt, habe ich das hier nicht unter Kontrolle. Besser gesagt: Alle sehen dasselbe von mir. Möglicherweise ziehen sie unterschiedliche Schlüsse daraus. Interessant ist, dass ich gegenüber mir völlig Fremden viel weniger Skrupel habe als gegenüber entfernten Bekannten – Nachbarn, Briefträger, Großcousinen, SportlehrerInnen und Co wissen möglicherweise mehr von mir, als ich ahne.

Christine Finke schreibt, sie sei „Überzeugungstäterin: ich schreibe, um mich auszudrücken.“ Damit hat es etwas zu tun, wenn ich es trotzdem tue. Ausdrücken erinnert an pickelige Pubertät: Es muss etwas raus, auch wenn es vielleicht nicht klug ist. Wer wurde nicht vor bleibenden Narben gewarnt und hat weiter gedrückt? Geheimes Tagebuch zu schreiben ist noch einmal etwas anderes, es geht auch um Öffentlichkeit, vielleicht um Öffnung, darum sich mitzuteilen und gelesen zu werden. Wahrscheinlich kommt eine Portion Sendungsbewusstsein dazu, der Glaube, das was einen selbst beschäftigt, könnte auch für andere interessant sein. Zumindest erklärt dies das zufriedene Gefühl bei Zuschriften a la „Deinen Blog zu lesen ist sehr anregend“.

Als ganze Person zu schreiben, sich zu zeigen und damit vielleicht auch verletzlich zu machen, ist wohl authentisch. Das tut gut und ist darüberhinaus gefragt. Mehr Mut, das was ich denke auch aufzuschreiben und unter meinem Namen öffentlich zu machen, habe ich bekommen, als ich letzte Woche bei der Lesung von Wladimir Kaminer im Konstanzer Stadttheater war. Also blogge ich weiter, als Schreibende, als Frau, als Mutter – Sie werden sehen.

Meersburg, verdichtet

Dicker, hartnäckiger Nebel statt der versprochenen Frühlingssonnenwärme hat mich in die Meersburg getrieben, der Höhenweg durch die Weinberge muss warten. Leider konnte die Burg uns nicht aufwärmen, war es zwischen den alten Mauern noch kälter als auf der Uferpromenade. So war es noch winterlich leer überall.

Annette von Droste Hülshoff hat einige Jahre auf der Meersburg geschrieben. Das Gedicht Das alte Schloss erzählt davon. Die Aussicht aus ihrem Arbeitszimmer war an manchen Tagen sicherlich grandios. Gestern war alles nur grau. So schrieb sie denn auch: „Ist mir selber oft nicht deutlich,/ Ob ich lebend, ob begraben!“

Für heute war Regen angekündigt, bisher ist es nur Hochnebel, der uns heimsucht. So herum ist es gar nicht so schlimm. Ein Sonntag, der dazu einlädt nachzuspüren, das Erlebte und Gelesene niederzuschreiben, zu dichten.

Der Frühling ist unterwegs.

Sieben Wochen ohne

falschen Ehrgeiz, heißt die diesjährige Fastenaktion der evangelischen Kirche. Das Motto: „Gut genug!“. Hört sich verheißungsvoll an.
Wenn ich genauer schaue, entdecke ich bei der Erklärung, was Fasten bedeutet: „Fasten kann ein jährlicher kleiner Entwurf sein: Was wäre wenn?“. Was wäre, wenn …? – Diese Frage ist ein Motor für mich beim Schreiben. Womit sich ein Kreis schließt.

Was wäre, wenn ich anderes als Blogbeiträge schriebe? Sieben Wochen ohne falschen Ehrgeiz könnte bedeuten, dass hier eine Zeit lang nur noch sporadisch Neues steht. Mal sehen.

Gehäkelt warme Ohren und viel Liebe

Kein selbst geschriebener Text, trotzdem faszinierende Handarbeit. Erst vor ein paar Tagen habe ich meine Häkelkenntnisse aus der Grundschule ausgepackt – wie war das noch einmal mit den festen Maschen, den Stäbchen und den Topflappen? – nun entdecke ich ganz zufällig, zu spät für Weihnachten, aber passend für windige Tage: alte Liebe

Das Konzept: Zwei junge Designerinnen entwerfen coole Surfer-Mützen – Grundprinzip Klorollenhaube, aber viel schicker – und lassen sie von Seniorinnen häkeln. Die Häklerin schreibt ihren Namen auf eine Karte, die zusammen mit der Mütze an die Käuferin/ den Käufer geht. Wer will, kann einen Postkartengruß an die Dame schicken, die das Unikat produziert hat. Mit dem dabei eingenommenen Geld wird gemeinsam etwas unternommen, z.B. Konzerte oder Ausflüge.
Die Mützen werden in Kassel und online vertrieben, aber auch über Surfshops in Frankreich und auf Lanzarote. Da frage ich mich, ob nicht auch SeglerInnen auf dem Bodensee manchmal kalte Ohren bekommen. Der Maske beraubte Närrinnen und Narren an Aschermittwoch auf alle Fälle.

Die Fotos sehen aus, als ob die alten Damen viel Spaß beim gemeinsamen Häkeln haben, die Mützen sehen toll aus. Da bekomme ich richtig Lust auf Kopfbedeckung – vielleicht auch darauf, mal Topflappen in trendigen Farben zu häkeln.