Schreiben auf Reisen und offline

Rechtzeitig vor Urlaubsbeginn hat mich Lucia noch einmal auf dieses Buch aufmerksam gemacht: Schreiben auf Reisen in der Reihe „Kreatives Schreiben“ von Hanns-Josef Ortheil. Ich habe noch nicht reingeschaut und kann deshalb gar nichts dazu sagen. Doch ich habe es bestellt und hoffe, es kommt noch rechtzeitig vor Abreise an. Damit es im Gepäck ist und mir eine tägliche Ermahnung, dass ich mich schreibend erholen möchte. Ziemlich sicher wird es mir darüberhinaus konkrete Ideen liefern, wie ich das machen kann.

Hier im Blog bin ich dann Anfang September wieder zu lesen. Ich bringe Euch ein paar Reisetexte mit.

Irgendwas mit Schreiben

Die Blogparade Und was machen Sie so beruflich? hat es mal wieder gezeigt: Sehr viele Menschen machen „irgendwas mit Schreiben“. Eine breite Palette von modernen Schreibberufen stellen Susanne Diehm und Michael Firnkes in ihrem Buch „Die Macht der Worte. Schreiben als Beruf“ (2013 bei mitp) vor, wobei sie alle Klassiker wie Journalismus oder SchriftstellerIn auslassen. Von „Texten für Onlineshops“ bis „Wissenschaftliche Schreibberatung und -training“, von „Buch-PR“ bis „Schreibtherapie“ werden in Interviews 20 Menschen und ihre Schreibtätigkeit vorgestellt. Jedes Interview wird nachbereitet, indem zu einem thematischen Aspekt daraus weitere Informationen gegeben werden, um die Einzelerfahrungen der InterviewpartnerInnen zu verallgemeinern. Denn eins wird deutlich: Es gibt nicht den einen Weg zu dem einen konkreten Schreibberuf. Jede interviewte Person ist ihren ganz eigenen Weg gegangen, bis sie dort landete, wo sie im Moment steht.

Manchmal frage ich mich beim Lesen, ob die Auswahl der InterviewpartnerInnen und damit der vorgestellten Berufsbildern nicht sehr zufällig nur damit begründet ist, wen die beiden AutorInnen kannten. Doch in der Summe entsteht ein buntes Bild von Möglichkeiten, das Schreiben zum Beruf zu machen. Ob man in jedem Fall davon leben kann, ist eine andere Frage, die nicht ausgeklammert wird. Deshalb enthält das Buch auch zahlreiche Hinweise, wie man nicht nur der Leidenschaft des Schreibens frönen, sondern auch ein Geschäftsmodell daraus entwickeln kann. Am Ende muss sich jeder Schreibwütige selbst durchschlagen, nicht aber ohne vorher einen Erkundungsgang durch die Welt der neuen Schreibberufe gemacht zu haben.

Von lyrischem Fasten und Künstlertreffs

Schon einige Jahre kenne ich die Idee eines „Künstlertreffs“ oder eines „künstlerischen Stelldicheins“ von Julia Cameron. Um dauerhaft ein kreatives Leben leben zu können, schlägt sie zwei Grundtechniken vor: die „Morgenseiten“ und eben den „Künstlertreff“ (beispielsweise in ihrem Buch „Der Weg des Künstlers“, das ich in einer Ausgabe des Knaur Verlags von 2000 vorliegen habe). Dieser Künstlertreff ist eine Verabredung mit sich selbst, die dazu dient, den eigenen Brunnen wieder zu füllen. Wichtig dabei ist, allein etwas für sich zu unternehmen, das einen selbst nährt, ganz ohne Ablenkung durch andere Menschen, mit denen man gemeinsam unterwegs ist.

So einen Künstlertreff halte ich theoretisch, seit ich davon gelesen habe, für eine gute Idee, gemacht habe ich es bisher immer nur sporadisch. Doch seit gestern spüre ich, wie der Frapalymo (und all die anderen Dinge, die ich zur Zeit so mache) mich auslaugt, wie ich mich leer gefischt fühle. In mir rumort es: Ich brauche Futter. Es ist sicherlich normal, dass nach einer superproduktiven Phase, wie es der Frapalymo ist, eine weniger produktive kommt, in der erst einmal wenig oder gar nicht mehr geschrieben wird, in der Rückzug und Auftanken angesagt ist statt Weiterpowern. Doch für mich bestätigt sich gerade: Wenn ich wirklich schreiben will, reicht es nicht aus, Schreibzeiten zu reservieren. Ich muss auch regelmäßig auf Empfang schalten, aufnehmen und genießen.

Trotzdem bin ich wild entschlossen, den restlichen Frapalymo mitzudichten. Schon allein der tollen Impulse wegen, die Sophie sich Tag für Tag einfallen lässt. Bewundernswert: Wie machst Du das nur, Sophie. Ich warte schon die ganze Zeit darauf, dass sich irgendwas einmal wiederholt, aber jeder Impuls ist überraschend anders. Ich bin auch unheimlich stolz auf mich, dass ich diesen Monat nicht nur zwanzig Gedichte geschrieben, sondern diese auch noch alle – wie unfertig oder phantasielos sich manche von ihnen auch angefühlt haben – hier hochgeladen habe. Außerdem fühlt es sich gut an, einmal leergeschrieben zu sein. Mal Durchfall statt Verstopfung. Positiver ausgedrückt könnte man sagen: Der Frapalymo ist lyrisches Heilfasten. Damit es aber keine Jo-Jo-Effekte gibt, ist eine dauerhafte Umstellung zum Gesunden sinnvoll. Dies so deutlich zu spüren, ist eine wertvolle Erfahrung.

Monologisierendes Notat

Sophie hat vor Kurzem das Buch „Schreiben dicht am Leben. Notieren und Skizzieren“ von Hanns-Joseph Ortheil entdeckt und in ihrem Blog vorgestellt. Das hat mich erinnert, dass ich im Frühsommer ganz angeregt davon mit meinem Notizbuch durch die Stadt lief und schrieb, bevor andere Dinge meine Notierwut wieder in Vergessenheit geraten ließen. Jetzt ist es zwar kalt geworden, aber ich sollte mich mal wieder mit Stift und Heft auf den Weg machen – sind ja nicht alle Notat-Anregungen für draußen gedacht. Bevor ich aber durch die Nacht renne, hier ein Notat aus meinem Heft, angeregt von Kapitel 5, Notieren als Monologisieren, das den Notizen von Rolf-Dieter Brinkmann 1972/73 in Rom nachgeht.

16:07
Kaiserbrunnen, datiert auf 1897,
die Reisegruppe davor hat annähernd dasselbe Alter.
Seltsam hässliches Alles,
bis auf die Seehasen.
Ob die sich später dazugesellten?
Babylonisches Stimmengewirr.
Ein Junge, vielleicht neun,
verkauft mit Wasserfarben pastellig bemalte Steine.
Auch eine Verbindung von Ewigkeit und jetzt.
Warum der Gaul acht Beine hat,
habe ich all die Jahre nicht herausgefunden.

Übrigens: Mittlerweile habe ich das Rätsel um die acht Beine gelöst. Auf diesem Pferd ritt Friedrich II von Italien nach Konstanz und er musste schnell sein, schneller als Otto IV, der ihm den Thron streitig machen wollte. Da er es geschafft hat, gibt es nur eine Erklärung: Er hatte einen superschnellen Gaul mit acht Beinen.

Frei geschrieben – ein Buchtipp

Eins der ersten Bücher, die ich zum wissenschaftlichen Schreiben gelesen habe, ist das von Judith Wolfsberger. „Frei geschrieben. Mut, Freiheit & Strategie für wissenschaftliche Abschlussarbeiten“ ist in der Erstauflage 2007 erschienen. Der Titel ist Programm: Wolfsberger will in erster Linie Mut machen zum Schreiben, „Chuzpe“ ist eines ihrer Lieblingswörter, ein Wort das vorher nicht in meinem aktiven Wortschatz enthalten war.

Das Buch leitet Studierende einmal durch den gesamten Prozess des Schreibens einer wissenschaftlichen Abschlussarbeit – vom Einstieg über die Ermutigung „There ist hope“ bis zum Ende, an dem vielleicht „Die Lust, weiter zu schreiben“ steht. Dazwischen erläutert die Autorin, warum es sich trotz der unbefriedigenden Situation mit der Anleitung beim Schreiben an Unis lohnt, eine Abschlussarbeit anzugehen, und vor allem, wie dies gelingt. Dabei ist sie an vielen Stellen sehr pragmatisch, kocht die Ansprüche runter und gibt gleichzeitig brauchbare und nützliche Tipps, worauf es ankommt und wie das Schreiben gelingt. Da stört es auch nicht, dass sie bei Abschlussarbeiten noch von den alten Diplom- oder Magisterarbeiten ausgeht, es lässt sich alles auf die kürzeren Bachelorarbeiten übertragen.

Durch das Einstiegskapitel mit Situationsbeschreibungen eignet sich das Buch dafür, gezielt nur die Kapitel zu lesen, die für einen selbst relevant sind. Dann ist jedes kurze Kapitel gleich aufgebaut: Zuerst die Erklärung, um was es geht und wie es zu meistern ist, danach konkrete Übungen unter der Überschrift „Jetzt bist du dran“ und Literaturempfehlungen zum Weiterlesen. Dazwischen, passend an das jeweilige Kapitel angeschlossen, werden Schreibmethoden kurz und prägnant vorgestellt – neun Stück an der Zahl, von „Morgenseiten“ über „Forschungsfrage“ und „SQR-Lesemethode“ bis „Beautycase zur Überarbeitung von Rohtexten“.

Judith Wolfsberger duzt die LeserInnen konsequent und hat einen flotten, manchmal ein wenig aufdringlichen Schreibstil, der nicht so ganz mein Fall ist. Inhaltlich gefällt mir das Buch aber sehr gut. Und zwischen all den großen Fragen wie beispielsweise der, was eigentlich Wissenschaftlichkeit ausmacht, stecken viele kleine, nützliche Tipps und Ideen, wie man sich die Arbeit leichter machen kann und sie gleichzeitig so gestaltet, dass man auch wirklich etwas davon hat.

Judith Wolfsberger: Frei geschrieben. Mut, Freiheit & Strategie für wissenschaftliche Abschlussarbeiten. Böhlau Verlag, Wien u.a., 2009², ISBN 978-3-205-78349-7

Leichter im Text – ein Buchtipp

Das Buch ist weder neu (erschienen im August 2001), noch angesagt in der Schreibszene oder im auf solche Art Bücher spezialisierten Autorenhaus-Verlag erschienen. Doch es begleitet mich sehr zuverlässig durch mein Schreiberinnen-Leben, gerade habe ich es wieder hervorgeholt:

Leichter im Text. Ein Schreibtraining von dem Schweizer Ehepaar Christa und Emil Zopfi ist aus der Praxis von Schreibseminaren entwickelt worden. Man kann damit alleine im stillen Kämmerlein seine Schreibkompetenz weiter entwickeln, viele Anregungen lassen sich aber auch in Schreibgruppen oder -seminaren verwenden. Es deckt von „aufbrechen“ und „fließen“ über „spielen“, „formen“, „dichten“, „erzählen“, … bis zu „bearbeiten“ und „ankommen“ ein riesiges Spektrum von Schreiben ab. Man kann es von vorne nach hinten durcharbeiten, irgendwo aufschlagen und zehn Minuten zum Fund schreiben oder es immer wieder hervorziehen und damit spielen. Jedes Kapitel enthält eine Einführung, Hintergundtexte, Übungen und Beispieltexte, alles ist ansprechend illustriert und gestaltet.

Leichter im Text ist kein Training im Sinne von anstrengenden Übungen. Es ist ein Buch, das dazu ermuntert, den Stift in die Hand zu nehmen oder sich an die Tastatur zu setzen. Es macht Lust zu schreiben, zu experimentieren, das eigene Schreiben und die Welt des Geschriebenen zu erforschen. Denn Schreiben lohnt sich. Und es macht Spaß.

Raum zum Schreiben – ein Buchtipp

Das Pantun findet sich als Schreibanregung im Buch Raum zum Schreiben von Bonni Goldberg. Trotz gleichem Familiennamen hat sie wohl nichts mit Natalie Goldberg zu tun, zumindest ist sie eine andere, auch wenn ihr Buch eine ähnliche Wirkung für mich hat wie das bereits vorgestellte Schreiben in Cafés.

Der Untertitel des Buches heißt Creative Writing in 200 genialen Lektionen. Ob sie wirklich genial sind, sei mal dahingestellt. Es sind auf jeden Fall 200 ganz konkrete Anregungen, die einen dazu bringen können, den Stift in die Hand zu nehmen – sei es eine Anregung zur Form wie beim Pantun oder eine inhaltliche Anregung wie zum Beispiel zum Thema „Verstecke“ oder „Jahreszeiten“ zu schreiben. Jede Lektion endet mit einem Zitat von irgendjemandem – das fügt der Anregung meist noch einen weiteren Aspekt hinzu und ist ein Schatz für einen Zitateliebehaber wie mich.

Das allerbeste an dem Buch ist aber, dass jede Schreibanregung nur eine knappe Seite lang ist. So lässt es sich – der Reihe nach oder irgendwo – aufschlagen, in weniger als zwei Minuten eine Lektion lesen und dann loslegen mit Schreiben. Damit wird es leicht, dem ersten Grundsatz des Schreibens zu folgen, den Bonni Goldberg in der Einleitung benennt: „Das Wichtigste ist, füllen Sie die Seiten. Schreiben Sie.“

Das Buch ist im Original 1996, in deutscher Übersetzung 2004 im Autorenhaus Verlag, Berlin erschienen. 2009 gab es mit einigen der Lektionen aus dem Buch einen Sommer-Schreibworkshop, die eingestellten Beiträge sind hier noch abzurufen – aber erst nach dem Schreiben 😉