Stürmisches Schreiben

Heute Nachmittag wollte ich mit einer Gruppe Studierender kreativ „auf der Gass“ schreiben. Mit Feuchtigkeit hatte ich gerechnet und Bleistifte empfohlen, verschiedene warme Orte für eisige Temperaturen auf der Strecke vorgesehen. Alles war bereit, bis genau fünfzehn Minuten vor Schreibbeginn ein wilder Sturm losbrach, gleichzeitig flossen Bäche vom Himmel. Einige Regenschirme gingen kaputt.
Also musste das Programm umgestellt werden. Um uns neu zu orientieren, haben wir erst einmal Sturmtexte geschrieben. Also so etwas:

Dschumm pok pok pok
Buwummmm
tschiiiie tschiiie
Krawak krawak krak krak krak
Huijjjj
Dschwumm bum bum
knortz, knortz
Scheiße

Schreiben auf der Gass ist ein störanfälliges Vorhaben. Es könnte, denke ich, dennoch sehr inspirierend sein. Wir probieren es an einem anderen Tag.

Raum zum Schreiben – ein Buchtipp

Das Pantun findet sich als Schreibanregung im Buch Raum zum Schreiben von Bonni Goldberg. Trotz gleichem Familiennamen hat sie wohl nichts mit Natalie Goldberg zu tun, zumindest ist sie eine andere, auch wenn ihr Buch eine ähnliche Wirkung für mich hat wie das bereits vorgestellte Schreiben in Cafés.

Der Untertitel des Buches heißt Creative Writing in 200 genialen Lektionen. Ob sie wirklich genial sind, sei mal dahingestellt. Es sind auf jeden Fall 200 ganz konkrete Anregungen, die einen dazu bringen können, den Stift in die Hand zu nehmen – sei es eine Anregung zur Form wie beim Pantun oder eine inhaltliche Anregung wie zum Beispiel zum Thema „Verstecke“ oder „Jahreszeiten“ zu schreiben. Jede Lektion endet mit einem Zitat von irgendjemandem – das fügt der Anregung meist noch einen weiteren Aspekt hinzu und ist ein Schatz für einen Zitateliebehaber wie mich.

Das allerbeste an dem Buch ist aber, dass jede Schreibanregung nur eine knappe Seite lang ist. So lässt es sich – der Reihe nach oder irgendwo – aufschlagen, in weniger als zwei Minuten eine Lektion lesen und dann loslegen mit Schreiben. Damit wird es leicht, dem ersten Grundsatz des Schreibens zu folgen, den Bonni Goldberg in der Einleitung benennt: „Das Wichtigste ist, füllen Sie die Seiten. Schreiben Sie.“

Das Buch ist im Original 1996, in deutscher Übersetzung 2004 im Autorenhaus Verlag, Berlin erschienen. 2009 gab es mit einigen der Lektionen aus dem Buch einen Sommer-Schreibworkshop, die eingestellten Beiträge sind hier noch abzurufen – aber erst nach dem Schreiben 😉

Schreibt!-Raum 9: Adventspantun

Ich bin immer noch und in verschiedenen Zusammenhängen mit Gedichtschreiben beschäftigt und habe mich dabei heute wieder an das Pantun erinnert. Ein Pantun ist ein Gedicht, bei dem jede Zeile in der nächsten Strophe wiederholt wird. Das ist zunächst einmal praktisch, denn um ein Pantun mit vier Strophen à vier Zeilen zu dichten, wie es üblich ist, muss man sich nur acht Zeilen ausdenken. Dadurch entsteht automatisch großer inhaltlicher Zusammenhalt zwischen den Strophen, die Aussage der einzelnen Zeilen wird durch die Wiederholung verstärkt.

Die Advents- und Weihnachtszeit zeichnet sich besonders dadurch aus, dass sich Dinge wiederholen, immer gleich ablaufen. Daher passt das Pantun gut in die Zeit. Schreiben Sie doch heute mal Ihr persönliches Adventspantun. Gehen Sie dabei so vor:

Schreiben Sie folgende Zahlen untereinander auf ein Blatt Papier: 1, 2, 3, 4 – 2, 5, 4, 6 – 5, 7, 6, 8 – 7, 1, 8, 3. Jede Zahl steht nun für eine Zeile, jeweils vier Zeilen bilden eine Strophe. Zeile 1 und 3 aus der ersten Strophe werden in der letzten Strophe wiederholt und sind sozusagen die wichtigsten Zeilen. Mit Zeile 3 endet das Gedicht.
Ein Pantun klingt besonders gut, wenn es durchgetaktet ist, sich also runterleiern lässt: Dichten Sie gleich lange Zeilen, bei denen sich betonte und unbetonte Silben abwechseln. Ob Sie mit oder ohne Betonung beginnen, legen Sie bei der ersten Zeile fest. Wenn das Pantun sich reimen soll, müssen sich die Zeilen kreuzweise reimen, also 1 mit 3, 2 mit 4 usw. Meiner Meinung nach muss es nicht gereimt sein und wie sich das in der Ursprungssprache des Pantun, dem Malaiischen verhält, weiß ich nicht. Machen Sie es so, wie Sie am meisten Spaß daran haben.
Wenn Sie die erste Strophe gedichtet haben, können Sie die Zeilen direkt an die Stelle übertragen, wo sie wiederholt werden. Dann können Sie Zeile für Zeile die Lücken füllen und darauf achten, dass es sich inhaltlich gut zusammenfügt. Manchmal lässt sich die Wirkung des Gedichts noch steigern durch eine kleine Veränderung bei der Wiederholung, z.B. ein einzelnes vertauschtes Wort oder Satzzeichen. Spielen Sie mit der Form und lassen Sie sich überraschen, welche Inhalte sich in Ihr Adventspantun drängen.

Wer mehr über das Pantun erfahren möchte oder Beispiele dafür sucht, wird auf der Pantun-Seite von Renate Golpon fündig.

Sonntags-Gedicht: Kalendertage

Fünf am Morgen
Tag verborgen
Uhren ticken
Federn zwicken
Schritte trippeln
Stühle kippeln
Kinder wispern
Tütchen knistern
Säckchen offen
Eltern hoffen
Türen schlagen
Kinder plagen
Eltern stöhnen
Freunde höhnen
Nicht mehr schlafen
Quietscher strafen
Frühstück richten
Brote schichten

Nur noch dreizehn
Bitte beistehn

Schreibt!-Raum 8: Elfchen

Jetzt habe ich den Klassiker des Kreativen Schreibens schon mehrfach erwähnt und vorgeführt, aber niemals erklärt, wie es geht. Da Elfchen aufgrund des märchenhaften Namens gut in die Adventszeit passen, heute also die Anregung, selbst eins zu schreiben: übers Wetter, über Advent, über heute oder über irgendwas. Es geht so:

1. Zeile: 1 Wort = eine Farbe oder Eigenschaft
2. Zeile:  2 Wörter = ein Gegenstand, der diese Eigenschaft hat
3. Zeile: 3 Wörter = eine nähere Beschreibung, etwas Konkretes, ein Detail
4. Zeile: 4 Wörter = ein Satz mit einer Tätigkeit
5. Zeile: 1 Wort = Schlusspunkt, manchmal auch Wende, Pointe

Ein Elfchen kann eine Sache ganz auf den Punkt bringen, ist aber auch einfach spielerisches Schreiben zwischendurch. Fest gelegt ist, dass es elf Wörter hat, deshalb heißt das Elfchen so, verteilt auf fünf Zeilen. Beim Inhalt der Zeilen darf ruhig variiert und experimentiert werden.

Über das Wetter schreiben

Neben dem gestern vorgestellten 10-Jahresbuch von arsEdition gibt es ein ähnliches Buch auch vom Präsenz-Verlag. Hier fällt auf: Es gibt eine extra Spalte mit Wettersymbolen zum Ankreuzen und Platz für die Tagestemperatur. Ist das Wetter so zentral, dass es Platz finden sollte in jeder 10-Jahres-Chronik?

Das Wetter ist schon eine wichtige Sache. Fast jeder, der in der frühen Jugend erste Tagebucherfahrungen gesammelt hat – in den schönen Büchlein mit Schloss dran – hat notiert, wie das Wetter war und was es zum Mittagessen gab. Das Wetter ist das Smalltalk-Thema Nummer eins, bietet sich an für lockere, aber nicht zu gewagte E-Mail-Grußformeln, mit nebligen Grüßen vom Bodensee oder ähnliches, und auch in Geschichten und Filmen wird es gezielt eingesetzt und beschrieben. Das Wetter bietet darüberhinaus eine wichtige Begründung für so vieles im Leben, was man gemacht oder eben nicht gemacht hat. Es ist schuld an Kopfschmerzen, bestimmt das Freizeitprogramm und erklärt, warum man nicht schreiben konnte – wenn es gut ist, weil man lieber rausgehen wollte, wenn es schlecht ist, weil man nicht die richtige Stimmung dafür hatte.

Und dennoch: Warum sollte ich, Tag für Tag, 10 Jahre lang, jeden Tag das Wetter notieren? Will ich neben meinem persönlichen Lebensverlauf auch die Klimakatastrophe abbilden? Oder ist es einfach ein Trick, damit ich durch ein schnell zu setzendes Kreuzchen leicht mit dem Schreiben beginnen kann, und danach flutschen die freien Zeilen nur so aufs Papier? Vielleicht ist es das wert, ausprobiert zu werden. Oder ich nehme es symbolisch, kreuze mein inneres Wetter an und notiere die Gradzahl meines Wohlbefindens.