Selbst schreiben als Gruppenleiterin

Kurse in Kreativem Schreiben zu geben, macht mir viel Freude. Nur eine Hoffnung hat sich dabei nicht erfüllt: selbst in den Kursstunden auch zu schreiben.
Ja, ich bin brav. Ich habe gelernt, dass beim Kreativen Schreiben die KursleiterIn immer mitschreibt, also mache ich es. Es leuchtet mir sogar ein, dass das so richtig ist. Es entsteht eine Schreibgemeinschaft, bei der alle beteiligt sind; beim Vorlesen und damit Sich-Zeigen verstecke ich mich nicht hinter meiner Rolle. Ich erfahre die von mir entwickelten Übungen am eigenen Leib, und zwar nicht zu Hause beim Ausprobieren, sondern in dem selben Setting wie die KursteilnehmerInnen. Dazu kann ich, wenn es gelingt, mit „anderen“ Texten den Schreibenden Mut machen, selbst zu experimentieren, auszuprobieren, mit Sprache und den Schreibanregungen zu spielen. Das erweitert Grenzen, bei mir wie – darum geht es hier – bei anderen.

Allein ich merke, es funktioniert so nicht. Ich bin und bleibe in einer anderen Rolle und werde auch anders wahrgenommen. Vielleicht wird das Problem verschärft, wenn ich mit Studierenden arbeite, denen gegenüber ich Lehrperson bin – mit allen Rechten und Pflichten. Vielleicht auch dadurch, dass ich doppelt so alt bin wie die anderen oder noch älter.
Ein zweites: Für die Schreibenden in der Gruppe sind die Schreibaufgaben (meistens) neu und überraschend. Ich kenne sie, habe sie mit gutem Grund so geplant und mindestens einmal, wenn nicht mehrfach, bereits ausprobiert. Da gehe ich anders an die Aufgaben heran, manchmal vielleicht routiniert, weniger neugierig. Manchmal sogar mit Vorbehalten, denn wissend, dass Schreiben individuell sehr verschieden funktioniert, schlage ich nicht nur meine Lieblingsaufgaben vor.
Das dritte ist aber wohl das Wichtigste: Ich bin so mit meiner Aufgabe der Gruppenleitung beschäftigt, dass ich wenig Kapazität fürs eigene Schreiben übrig habe. Selbst wenn alles läuft, wenn bei längeren Schreibeinheiten die gesamte Gruppe vertieft in ihre Texte ist, bin ich immer mindestens zur Hälfte mit Nachspüren und Gucken beschäftigt. Dazu muss ich die Zeit im Blick behalten, die Gruppe rechtzeitig an das Ende der Schreibzeit erinnern, dafür sorgen, dass SchnellschreiberInnen ihre gute Laune behalten, so lange die Langsam-schreibenden noch mittendrin sind, und ab und zu auch Fragen beantworten. Der Rest der Energie reicht nur selten, um ein Stück weit in meinen Text abtauchen zu können.

So lange ich Elfchen oder Zevenaare schreibe oder bei Reihumtexten mitmache, ist dies kein Problem. Dafür habe ich mittlerweile Schreibroutine genug, dass ich bei allen spielerischen Formen schnell und unzensiert schreibe. Das macht mir Spaß und diesen Spaß und die damit einhergehende Unbefangenheit kann ich wohl auch weitergeben. Längere Texte oder solche, bei denen ich den Eindruck habe, ich möchte mich weiter mit ihnen beschäftigen, sie überarbeiten und ausbauen, entstehen allerdings keine. Das ist nicht schlimm, bin ich doch in diesen Kursstunden in erster Linie Leiterin und erst an zweiter Stelle Schreibende. Ein wenig schade ist es trotzdem. Denn genau diese Hoffnung hatte ich.
Die Lösung liegt auf der Hand: Es geht darum, weitere Schreibräume für mich neben der Gruppenleitungstätigkeit zu nutzen, zu etablieren, zu erweitern. Interessieren würde mich trotzdem, wie andere SchreibgruppenleiterInnen mit der Frage umgehen und ob es nur bei mir so ist. Vielleicht liest ja jemand hier mit und berichtet.

Zitate zum Schreiben: zwölf

„Lesen macht vielseitig, Verhandeln geistesgegenwärtig und Schreiben genau.“

sagte der englische Philosoph Francis Bacon. Genauigkeit ist in der Wissenschaft besonders gefragt. Ein guter Grund für häufiges wissenschaftliches Schreiben.

Durch Clustern zu runden Texten

Mir ist aufgefallen, dass ich das Cluster schon mehrfach erwähnt habe, aber noch nie erklärt. So will ich das nachholen und diese Standardmethode der Schreibpädagogik erläutern, die ich selbst auch zu vielen verschiedenen Gelegenheiten einsetze. Das Schöne daran ist, dass es nur fünf Minuten dauert und man so ganz schnell erste Textideen auf dem Papier stehen hat.

Das Cluster ist eine assoziative Schreibmethode, die auf Gabriele L. Rico zurück geht. Grundidee ist, dass beide Gehirnhälften aktiviert werden und dadurch die Grundlage für ganzheitliches Denken und runde Texte gelegt wird. Optisch erinnert das Cluster an ein Mindmap, es ist allerdings weniger strukturiert. Ein spontanes Ideennetz wird entwickelt.

Ausgangspunkt für das Cluster bildet ein Kernwort, das in die Mitte eines Blatts Papier (mind. Din A4, damit genug Platz ist) geschrieben und eingekreist wird. Davon ausgehend werden Assoziationsketten gebildet: Das Wort, das Ihnen als nächstes einfällt, schreiben Sie daneben, umkreisen es ebenso und verbinden die beiden Kreise mit einer Linie. Weiter mit dem neuen Wort, so lange, bis Ihnen nichts mehr einfällt. Dann gehen Sie zurück in die Mitte und beginnen von neuem. Das Ganze sieht so aus:

Abbildung eines ClustersDas Einkreisen und Verbinden beim Clustern dient dazu, dass die Schreibhand immer in Bewegung bleibt (wie beim Freewriting). Dadurch wird erreicht, dass frei assoziiert wird, eine Bewertung der Ideen und Wörter wird vermieden. Es muss also nicht strukturiert, bewertet oder geordnet werden beim Clustern, es gibt keine Hierarchie und keine falschen Ideen. Jede Assoziation, die sich einstellt, wird an der Stelle notiert, wo sie auftaucht. Lassen Sie Ihren Ideen, Ihrer Phantasie und Kreativität freien Lauf.

Das Clustern endet, wenn das Blatt voll ist oder – so ist es von v. Rico gedacht – wenn man einen Schreibimpuls spürt. Dann schreibt man den Text zügig auf, so wie er beim Clustern im Kopf entstanden ist. Es müssen nicht zwingend alle Begriffe, die im Cluster stehen, auch im Text vorkommen.

Auch wenn Sie nicht direkt einen Rohtext schreiben wollen, können Sie das Cluster verwenden: zum Aktivieren Ihres Vorwissens zu einem Thema, zum schnellen Mitschreiben beim Zuhören oder Lesen oder als erster Schritt zum Strukturieren eines späteren Textes. Dann können Sie nach dem Cluster die wesentlichen Punkte farbig markieren und durch das Anbringen von Nummern in eine sinnvolle Reihenfolge bringen.

Ein letzter Hinweis: Gerade Menschen, die gewöhnlich sehr strukturiert und geplant vorgehen, fällt das ganz assoziative Clustern manchmal anfangs schwer. Probieren Sie ruhig öfter aus, ob es für Sie eine hilfreiche Methode ist. Andererseits macht es ja auch nichts aus, wenn spontan und assoziativ ein geordnetes Ideennetz entsteht.

Schreibtagebücher begleiten Schreibprojekte

Wer sein Schreiben und Tun in einem Journal oder Schreibtagebuch reflektiert, bringt die eigenen (Schreib-)Projekte voran. Dies wird in manchem Ratgeber und von vielen Schreiblehrern warm empfohlen, Lucia macht es mit ihrem Blog öffentlich vor. Besonders nahegelegt wird das Führen eines solchen Journals Studierenden begleitend zu einer wissenschaftlichen Arbeit, zu einem Praktikum oder zu einem besonderen Studienabschnitt. Doch es ist dazu geeignet, (längere) Schreibprojekte aller Art zu unterstützen bzw. die eigene Schreibentwicklung allgemein zu dokumentieren und voranzubringen.

Ein Journal ist ein persönlicher Text, der hilft, das eigene Projekt erfolgreich abzuschließen, und aus dem sich auch für weitere Projekte lernen lässt. Ein zentraler Punkt dabei ist, dass die Aufzeichnungen nur für die eigenen Augen bestimmt sind. Das gibt Raum, den eigenen Zugang zum Thema zu finden sowie mit seiner eigenen Sprache und ohne Rücksicht auf Konventionen und Erwartungen von anderen zu schreiben, was über dieses konkrete Projekt hinaus die Entwicklung der eigenen Schreibstimme fördert.
Ein zweiter wichtiger Punkt, der für das Führen eines Schreibjournals spricht: Von Anfang an, gleich wenn die ersten vagen Ideen zum Thema auftauchen oder ein Schreibauftrag sich abzeichnet, beginnt man mit dem Schreiben. So gehen keine Ideen verloren, man gönnt sich sogar die Möglichkeit, beim Schreiben den Text zu entwickeln und auf gute Gedanken zu kommen. Außerdem hat man direkt die Anfangshürde überwunden und ist schon im Schreiben drin, wenn es mit dem Text richtig losgeht.

Möglichkeiten, was in ein Schreibjournal aufgenommen wird, gibt es viele. Dies lädt ein zu experimentieren, was einem selbst bei seinen Schreibprojekten am meisten weiterhilft. Neben inhaltlichen Teilen wie Freewritings zu verschiedenen Aspekten des Themas, Materialsammlungen, Literaturhinweisen und Zitaten, Alltagsbeobachtungen, die das geschriebene veranschaulichen können, und vielem mehr, halte ich das Schreiben über das Schreiben für besonders wertvoll. Wie ist mein Zeitplan und halte ich ihn durch? Welche Gefühle begleiten mein Schreibprojekt? Welche Schwierigkeiten treten beim Schreiben auf und welche Ideen habe ich, damit umzugehen? Zu solchen und ähnlichen Fragen lassen sich Freewritings oder Cluster erschreiben, Tabellen anlegen, Listen sammeln, Dialoge oder Briefe formulieren und vieles mehr.

Um das Potential eines Schreibjournals komplett zu nutzen, bietet es sich an, regelmäßig zwischendurch und nach Abschluss des Schreibprojekts die Aufzeichnungen durchzusehen, auszuwerten und Quintessenzen zu formulieren. Das können inhaltliche Kernsätze sein oder Ideen, die das Weiterarbeiten betreffen. Der Bremer Schreibcoach empfiehlt z.B., sich selbst prägnante Aufforderungen zu formulieren, die das zukünftige Schreiben verbessern oder erleichtern. Lucia, die sicherlich nur einen Teil ihres Schreibjournals öffentlich führt, hat am Rand der Schreibtischwelten eine Spalte eingeführt, in der sie zu jeder Woche am Ende ein Motto benennt. So hat sie selbst den Überblick und auch andere können von ihren Erfahrungen und Erkenntnissen lernen.

Neue und alte Mailieder

Der Mai hat es in sich und der Ohrwurm „Der Mai ist gekommen“ hat offensichtlich schon mehr Leute zum Nachdichten animiert. Gestern habe ich meine – schon vor zwei Jahren entstandene – Version „Schöner Mai“ hier hochgeladen, heute blättere ich den deutschen Lyrikkalender 2012 auf das heutige Datum und finde „Neues Mailied. Zum Mitsingen“ von Max Herrmann-Neisse. Ein Glück, dass ich das Gedicht vorher noch nicht kannte, sonst wäre mir mein Dichtversuch vielleicht langweilig oder stümperhaft vorgekommen.

Das neue Mailied von Herrmann-Neisse (1886 – 1941) beginnt mit den Worten „Der Mai ist zum Kotzen“. Nicht nur für mich ist also auch im Wonnemonat nicht alles nur grün. Wer genug hat von knospendem Aufbruch, süßen Düften, lieblichen Winden und Co. kann das Gedicht im Lyrikkalender oder im großen Lesebuch zum Frühling in der Reihe Fischer Klassik nachlesen.

Mittwochs-Gedicht: Schöner Mai

Der Mai ist gekommen,
der Schornstein raucht nicht mehr.
Haben Schwalben vernommen,
die Fabrik ist staubig, leer.

Der Sonne entgegen,
Maiglöckchen – Düftemeer.
Licht und Wärme, welch Segen,
Mutters Sorgen wiegen schwer.

Die Fenster zerbrechen,
die Bäume schlagen aus.
Lasst ein Pils und nun zechen
zum Vatertag zu Haus.

Unsre Lieder ertönen,
Hartz Vier ist bestellt.
Wie bist du doch schön,
du so nahe, kleine Welt.

 

(Nach dem Volksliedtext von Emanuel Geibel.)

Schreibt!-Raum 15: Fernsehgeschichten

Jetzt ist es so weit: Seit gestern können alle, die trotz monatelangem Spruchband über dem Programm und unzähliger Hinweise in der Presse die Umstellung auf digital verschlafen haben, nicht mehr fernsehen. Wahrscheinlich sind Menschen, die so was von hinterm Mond leben, auch nicht im Internet unterwegs, geschweige denn dass sie diesen Blog lesen. Doch für die zwei, drei Betroffenen, die das hier lesen, bzw. für diejenigen, die mal einen Moment Freizeit haben, in dem das Fernsehprogramm seltsamerweise nicht so überzeugend ist, eine Schreibanregung.

Schreiben wir doch einmal Fernsehgeschichten. Biografisch oder erfunden ist hierbei ganz egal. Wer erinnert sich noch an die Waltons, deutsch ausgesprochen, oder den Doktor mit seinem lieben Vieh? Nach welchen Fernsehregeln – vor 17 Uhr darf nicht angeschaltet werden – sehnen wir uns heute zurück? Wieso musste man unendlich lange langweilige Wissensfragen schauen, bevor endlich Wum und Wendelin kamen? Und wie war das mit der Lindenstraße, damals in der WG?

Jeder hat so seine eigenen Fernseherinnerungen und -geschichten. Die nicht mehr ganz so jungen unter uns kann man zuverlässig anhand der Fernsehkenntnisse in Ossis und Wessis einteilen. Also nutzen wir die gezwungenermaßen fernsehfreie Zeit, um eine oder mehrere der Fernsehgeschichten aufzuschreiben. Vielleicht lässt sich sogar eine Montage aus beliebten Zitaten unserer persönlichen Fernsehgeschichte basteln.

Übrigens: Seit kurz vor dem Sommermärchen gucke ich selten, aber digital. Am Bodensee hat die digitale Zimmerantenne aber nach wie vor eine ausgeprägte Ost-Schwäche – Sender aus dem so naheliegenden Österreich oder Bayern sind leider nicht zu empfangen.