Verständlichkeit von Texten: Flesch-Wert

Ich bin auf ein neues „Spielzeug“ im Netz gestoßen, mit dem sich Texte überprüfen lassen. Diesmal handelt es sich um leichtlesbar.ch, für das Christian Bachmann verantwortlich ist. Wie im Domainname erkennbar, wird die Verständlichkeit oder Lesbarkeit von Texten beurteilt. Dazu wird die Flesch-Formel verwendet, die die Wort- und Satzlänge berücksichtigt: Je kürzer die Wörter und je kürzer die Sätze, desto höher der Flesch-Wert und desto leichter lesbar. Ein sinnvolles Spielzeug also, das auf Wortwahl und Satzbau aufmerksam macht.

Ich habe mir den Spaß gemacht und den gestrigen Artikel über das Buch von Judith Wolfsberger getestet. Ergebnis: 35. Das heißt, der Text ist etwas schwierig zum Lesen, Mittelschulniveau wird angenommen. Durchschnittliche bis anspruchsvolle Zeitungen haben für ihre Artikel ähnliche Werte. Da das Buch das Schreiben einer Abschlussarbeit an einer Uni erklärt, sollte er also nicht zu schwer sein.

Nun teste ich den Text bis hierhin. Ergebnis 56. Leichter als der andere, immer noch nicht leicht. Ich weiß, dass ich zu langen Sätzen neige. Nun fasse ich mich kurz. Besonders wichtig ist: nur kurze Wörter verwenden. Ob es so leichter wird? Ich teste neu. Dieser Abschnitt hat den Wert 88. Das verstehen Kinder in der fünften Klasse. Klassische Werbesprüche sind genau so. Ich glaube, ein bisschen komplexer darf es sein.

(Gesamttext: 64. Leicht. Wie eingängige Werbebriefe und -texte, schwieriger als Boulevardzeitungen. Das ist o.k. Übrigens: Der Inhalt spielt natürlich keine Rolle.)

Frei geschrieben – ein Buchtipp

Eins der ersten Bücher, die ich zum wissenschaftlichen Schreiben gelesen habe, ist das von Judith Wolfsberger. „Frei geschrieben. Mut, Freiheit & Strategie für wissenschaftliche Abschlussarbeiten“ ist in der Erstauflage 2007 erschienen. Der Titel ist Programm: Wolfsberger will in erster Linie Mut machen zum Schreiben, „Chuzpe“ ist eines ihrer Lieblingswörter, ein Wort das vorher nicht in meinem aktiven Wortschatz enthalten war.

Das Buch leitet Studierende einmal durch den gesamten Prozess des Schreibens einer wissenschaftlichen Abschlussarbeit – vom Einstieg über die Ermutigung „There ist hope“ bis zum Ende, an dem vielleicht „Die Lust, weiter zu schreiben“ steht. Dazwischen erläutert die Autorin, warum es sich trotz der unbefriedigenden Situation mit der Anleitung beim Schreiben an Unis lohnt, eine Abschlussarbeit anzugehen, und vor allem, wie dies gelingt. Dabei ist sie an vielen Stellen sehr pragmatisch, kocht die Ansprüche runter und gibt gleichzeitig brauchbare und nützliche Tipps, worauf es ankommt und wie das Schreiben gelingt. Da stört es auch nicht, dass sie bei Abschlussarbeiten noch von den alten Diplom- oder Magisterarbeiten ausgeht, es lässt sich alles auf die kürzeren Bachelorarbeiten übertragen.

Durch das Einstiegskapitel mit Situationsbeschreibungen eignet sich das Buch dafür, gezielt nur die Kapitel zu lesen, die für einen selbst relevant sind. Dann ist jedes kurze Kapitel gleich aufgebaut: Zuerst die Erklärung, um was es geht und wie es zu meistern ist, danach konkrete Übungen unter der Überschrift „Jetzt bist du dran“ und Literaturempfehlungen zum Weiterlesen. Dazwischen, passend an das jeweilige Kapitel angeschlossen, werden Schreibmethoden kurz und prägnant vorgestellt – neun Stück an der Zahl, von „Morgenseiten“ über „Forschungsfrage“ und „SQR-Lesemethode“ bis „Beautycase zur Überarbeitung von Rohtexten“.

Judith Wolfsberger duzt die LeserInnen konsequent und hat einen flotten, manchmal ein wenig aufdringlichen Schreibstil, der nicht so ganz mein Fall ist. Inhaltlich gefällt mir das Buch aber sehr gut. Und zwischen all den großen Fragen wie beispielsweise der, was eigentlich Wissenschaftlichkeit ausmacht, stecken viele kleine, nützliche Tipps und Ideen, wie man sich die Arbeit leichter machen kann und sie gleichzeitig so gestaltet, dass man auch wirklich etwas davon hat.

Judith Wolfsberger: Frei geschrieben. Mut, Freiheit & Strategie für wissenschaftliche Abschlussarbeiten. Böhlau Verlag, Wien u.a., 2009², ISBN 978-3-205-78349-7

Zitate zum Schreiben: dreizehn

„Ich brauche nichts weiter als ein Stück Papier und ein Schreibwerkzeug, und ich werde die Welt aus den Angeln heben“

soll Friedrich Nietzsche gesagt haben. Versuchen wir es auch. Und hoffen, dass sie sich dabei zum Guten verändert.

Schreibt!-Raum 16: Random Hits

Bei Stephan Poromka (Schreiben unter Strom. Experimentieren mit Twitter, Blogs, Facebook & Co. Mannheim, 2012, S.25f) fand ich den Hinweis zu einem Schreibspiel der modernen Art: Plattencover gestalten per Zufallstreffer. Hier lässt sich das ganze automatisiert als kreative Pause ausprobieren.

Meine, für die Einheit copy and remix im Kurs Kreatives Schreiben an der Uni übersetzte und leicht veränderte Anweisung lautete:

  1. Sie öffnen ein Programm, mit dem Sie Bildgestaltung machen können – Photoshop, Präsentationsprogramm im Office oder pixlr.com .
  2. Sie wählen ein Bild als Cover aus: Nehmen Sie das vierte Bild unter Entdeckungen der letzten 7 Tage bei Flickr.
  3. Nun brauchen Sie einen Namen für Ihre Band. Gehen Sie auf Wikipedia, suchen Sie sich die Sprache aus und nehmen Sie den Titel des ersten Zufallstreffers als Bandnamen.
  4. Als letztes braucht Ihr Debutalbum noch einen Titel. Den finden Sie bei www.quotationspage.com. Unter „zufällige Zitate“ wählen Sie die letzten vier oder fünf Wörter des allerletzten Zitats auf der Seite.
  5. Nun packen Sie alles in Ihrer Bilddatei zusammen und können das Ergebnis speichern, auf der Lernplattform oder im Netz hochladen.

So kreativ kann kopieren sein!

Write or Die – schneller Texte schreiben

Freewriting, Rohtexten, „Don’t get it right, get it written“ – viele Tipps zum Schreiben beruhen darauf, zunächst einmal Text zu produzieren, ohne Rücksicht auf Verluste, und danach zu sehen, was daran schon gelungen ist und wie es überarbeitet, verbessert und ergänzt werden kann. Die Software Write or Die soll dabei helfen.

Die Grundidee leitet sich aus der Lerntheorie ab: Langfristige, vage Belohnungen sind weniger hilfreich bei der Verhaltenssteuerung als kurzfristige, konkrete Bestrafungen. Will heißen: Wenn ich schreiben will, aber vorm Computer sitze und grüble statt zu tippen, passiert nichts schlimmes, außer dass ich halt hinterher ein blödes Gefühl habe, kein Text entsteht oder ich bei Texten, die ich zu einem bestimmten Zeitpunkt abgeben muss, später irgendwann unter Druck komme. So kennt wahrscheinlich jeder, der schreibt, die Situation nicht wirklich voranzukommen.

Bei Write or Die helfen negative Konsequenzen, im Schreibfluss zu bleiben. Es gibt das Programm als kostenlose Online-Version, die ich ausprobiert habe, sowie mit zusätzlichen Features als Download für den Desktop und als App für das iPad. So gehts:
Zuerst legt man die eigenen Schreibziele fest: X Wörter in Y Minuten. Daneben kann die Härte der Konsequenzen und die Dauer der Gnadenfrist in drei Stufen gewählt werden. Nach Ablauf der Frist – ein, zwei bis ungefähr zehn Sekunden – wird zunächst der Hintergrund von weiß über rosa knallrot. Danach stehen zur Wahl 1. eine freundliche Erinnerung weiter zu schreiben, 2. schlimme Musik, die erst endet, wenn man weiter tippt, oder 3. die Kamikaze-Version, dass sich der Text von hinten nach vorne selbst wieder löscht. Das wirkt.

Im Selbsttest merke ich, wie ich hektisch werde. Bloß nicht zurückschauen, weiter tippen, was immer kommt! An sich, das bemerke ich später, muss ich nicht hektisch in die Tasten hauen, es reicht beständig am Schreiben dran zu bleiben. Sogar das automatische Löschen von Tippfehlern ist kein Problem, Hauptsache der Schreibfluss versiegt nicht.
Auch wenn ich ruhiger schreibe, beschleunigt sich mein Schreiben. Das Runterzählen der Zeit und Hochzählen der Wörter wirkt jenseits der Konsequenzen motivierend. Und vor allem unkonzentriertes Abschweifen der Gedanken, bei dem die Finger das Schreiben aufhören, oder Ablenkung – nachlesen, nachschlagen, E-Mails überprüfen, Tee kochen – wird vermieden. Write or Die gesteht mir eine Pause zu, während der die Zeitzählung stoppt, danach läuft es einfach weiter. So kann es helfen, kurze (10 – 15 Minuten), aber intensive Schreibeinheiten zu gestalten. Dann werde ich von dem Programm sogar belohnt: 319 Wörter in 10 Minuten. Ich bin stolz auf mich und habe Lust, gleich weiter zu schreiben.