Kuso17 – Versinken

Ein ruhiger Tag heute, auch wenn in so mancher Klasse der Kunstsommernachtsstress auftaucht. Da wir gestern schon Pläne geschmiedet und heute beschlossen haben, uns nicht zu sehr zu verkopfen, denn weniger ist mehr, können wir uns aufs Arbeiten konzentrieren. Ich lasse den Morgenimpuls weg, zumal ich auch nicht weiß, was kommt, und lasse ein paar sphärische Klänge durchs Fenster wehen, während ich vor dem Frühstück schon ein Haiku schreibe. In der Klasse lesen wir unsere Sonettübersetzungen und es gibt spannende Lösungen bei jedem zu entdecken. Ich kann einen nicht durchgezogenen lakonischen Ton und eine sehr moderne Version, die wirklich keine Übersetzung mehr ist, bieten. Vor dem Mittagessen geben wir noch einem Brinkmann-Gedicht Zeilenumbrüche nach Wahl – vieles wohl begründet, aber bei niemand wie im Original. Das Mittagsgespräch findet mit Quint Buchholz statt, der von Konzentration aufs Bild und Rückzug von den Menschen erzählt.

Die selbe Konzentration und Hingabe treffe ich an, als ich am Nachmittag die Zeichenklasse besuche. Es wird auch geredet und gelacht, aber immer wieder wirken die Zeichnenden total versunken. Die gerade auf beiden Seiten hintereinanderstehenden Arbeitstische unter dem luftigen Giebel mit Fenstern nach oben lassen fast so etwas wie kontemplative mönchische Schreibstuben-Atmosphäre aufkommen. Dass der Raum außerdem klimatisiert ist, macht es zusätzlich angenehm. Ich nehme eine sehr konkrete Anregung eines, ich nenne es mal Knittergedichts mit und versuche die sorgfältige Auswahl des richtigen Farbstifts mit Buchstaben- und Wortfeldbetrachtungen zu übersetzen. Die extreme Langsamkeit dieses Zeichnens kann ich an diesem Nachmittag nicht übernehmen, doch bin ich so angeregt, dass ich abends noch lange an meinen Texten arbeite, die außerdem graphisch werden. Gerne möchte ich mit den hier gesammelten Impulsen weiter experimentieren.

In der Klasse schließen wir noch ein Eraser-Gedicht an. Hierbei bearbeite ich einen Zeitungsartikel mit Tippex, so dass nur noch wenige Worte übrigbleiben und ein Gedicht ergeben. Auch hier kann man total in seinem Tun versinken; wenn man nicht aufpasst, landet Tippex auf den falschen Stellen und ein Wort, das man haben wollte, ist weg. Auch auf diesem Weg entstehen sehr grafische Gedichte. Nach dem Abendessen endet das Programm heute mit der Lesung von Tobias Elsässer. Der ausgebildete Musiker überrascht mit Gitarrenbegleitung zur Lesung und Gesang, die Themen – erwachende männliche Sexualität bzw. Suizidalität bei Jugendlichen – der beiden Bücher, aus denen er liest, sind mutig und lassen uns ganz in die nicht unbedingt immer schöne Welt der Jugendlichen eintauchen.

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