Unterwegs im Zug. Die bayrische Bimmelbahn zwischen See und München versetzt mich bei der Fahrt durchs Allgäu in alte Zeiten zurück: der Einstieg so hoch, dass nur gesunde Junge ohne Gepäck einigermaßen gut hineinkommen, nicht-klimatisierte Abteile, bei denen sich dafür die Fenster noch öffnen lassen, schmutzige Toiletten, die alle Geschäfte auf die Gleise fallen lassen. Ich nehme mir vor, rechtzeitig vor meinem Halt zur Tür zu gehen, um die Mechanik der Türöffnung zu verstehen. Bevor der Zug den Bahnhof schon wieder verlässt. Auch der Blick aus dem Fenster wirkt mit braunen Kühen auf saftigen Wiesen wie idyllische Vergangenheit, die so idyllisch nie war, allein die Solarzellen auf den Dächern und der ein oder andere Windgenerator zeigen das 21. Jahrhundert an. Und auch an ausländisch aussehende Männer kontrollierende Polizisten in Zügen kann ich mich von früher nicht erinnern. Doch vielleicht war ich in meiner Kindheit und Jugend auch nur nicht auf den richtigen, respektive gefährlichen, Strecken unterwegs.
Nach Irsee bin ich zeitig unterwegs, der spärlichen Busverbindungen wegen. Das lässt mich hoffen, dass ich mich gemütlich einrichten und auch noch ein Nickerchen machen kann. Ich bin müde von den letzten Wochen, der Rücken verspannt und vor sich hin leidend, leichte Kopfschmerzen als ständiger Begleiter. Meine Woche soll dies trotzdem werden oder vielleicht auch gerade deshalb. Beim Gang durch den Zug halte ich Ausschau nach möglichen Kunstsommerteilnehmerinnen, aber ich stoße nur auf Frauen in rosa Kleidchen auf Jungesellinnenabschiedstour. Das chinesische oder vietnamesische oder ist auch egal von woher stammende Kleinkind bei mir im Abteil schläft unter einer weißen, dezent gepunkteten Baumwolldecke. Die Mutter tut es ihm gleich, der Vater schaut dösend aus dem Fenster. Ich packe den Laptop aus und beginne zu schreiben. Gestern habe ich den Desktop aufgeräumt, um Raum und Übersicht zu haben, einen Ordner angelegt, wo ich ablegen kann, was immer entsteht, und nachgelesen, was ich zur Bewerbung eingereicht hatte. Heute bin ich unterwegs. Neugierig will ich sein, interessiert, aktiv gestaltend. Doch vor allem versuche ich die Anreise zu nutzen, um alle hohen Ansprüche an mich und die Welt hinter mir zu lassen, um mir zu erlauben, sein zu lassen, was sein wird.
Published by